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Popkultur

Wir haben bei den Vienna Independent Shorts die 3 schrägsten Interviews geführt

Auch wenn es 30 Grad hat, gehen wir ins Kino und schauen uns explodierende Disney-Figuren, Razellis Schaukel und die Erotik der Wildnis an.

Titelbild:

(c) VIS 2013 | Matthias Kobia Pressefotos | VIS

Gerade läuft das Vienna Independent Shorts zum elften Mal in Wien, um genau zu sein noch bis 29. Mai. Vor zehn Jahren war ich selbst noch neu in Wien und habe mich bei manchen Festivals—so auch bei diesem—gefragt, ob sie auf Dauer eine Überlebenschance haben würden. Das VIS lebt noch immer. Heute ist es sogar fix etabliert, dass es draußen 30 Grad haben kann und das Publikum trotzdem in die Kinosäle strömt. Eigentlich ist das gleichzeitig die unsympathische Seite der Medaille: Wenn Festivals sich bewährt haben, will auf einmal jeder hin. Und zwar nicht mehr nur deshalb, weil das Programm echt super ist, sondern auch um einfach „dabei gewesen" zu sein und sich auf den After-Partys einen Filmriss zuzuziehen.

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Hauptthema des diesjährigen VIS ist „RADICAL" und am Samstag beim PopPorn um 23.59 Uhr im Stadtkino hat es auch dementsprechend begonnen. In weiser Voraussicht darauf, dass wahrscheinlich doch noch ein paar Menschen in Wien verkatert vom Donaukanaltreiben daheim geblieben sind, gibt's  für euch ein paar kleine Interviews nachzulesen—das erste mit dem katalanischen Filmemacher und Pädagogen Eloi Biosca Frontera. Er ist „Der mit dem nackten Mann tanzt" und seine Kurzfilme Correr und Han ta bec vostres gallines? sind am VIS gelaufen, während ihr euer drittes Aspirin geschluckt habt.

VICE: Eloi, hättest Du gerne einmal einen persönlichen Sekretär? Du weißt schon, so wie Rainer Maria Rilke für Rodin einer war—jemand, der dann auch mal Gedichte über deine Arbeit schreibt.
Eloi Biosca Frontera: Ja, warum nicht? Das könnte ein schönes Kompliment sein. Einmal hat ein Freund mir genau das vorgeschlagen, er wolle über mein Buch Looking schreiben, einem Buch mit ausschließlich männlichen Aktbildern. Er wollte auch eine Ausstellung mit mir in Barcelona machen, sie hätte „The beautiful sex of men" heißen sollen und aus Bildern nackter Männer bestehen sollen, die von Fragmenten der französischen Autorin Florence Ehnuel begleitet werden.

Mir persönlich passiert es schon manchmal, dass ich spontan anfange zu lachen, wenn ich nackte Männerkörper sehe, die sich bewegen. Passiert dir das auch?
Nie. Für mich bedeutet die Arbeit mit nackten Körpern im Medium Film die Befriedigung eines starken Bedürfnisses, didaktischer Natur: Es geht darum zu lernen, den männlichen Körper in seiner Schönheit wertschätzen, speziell dann, wenn er in Bewegung ist. Ich glaube, dass es wichtig ist, Sequenzen zu kreieren, in denen das Kontemplative eines nackten, männlichen Körpers eine Form von visueller Anziehung auslöst, deren Stärke durch die Schönheit der Bilder auf den Betrachter einwirkt und ihn verführt. Idealer Weise kann dieser optisch-ästhetische Genuss im Betrachter eine Form von körperlicher Erregung hervorrufen.

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Könntest du Arnold Schwarzeneggers Körper in Form eines Gedichtes beschreiben?

Das kann ich nicht. Ich schreibe keine Gedichte und vor allem mag ich diese Art von Körper nicht. Ich ziehe proportionierte und natürliche Körper vor. Meine Modelle sind keine Profis. Sie gehören einer Welt an, die sich von meiner sehr unterscheidet: Meist haben sie einen niedrigen Bildungsstandard, keinen Job und jede Menge persönliche und soziale Schwierigkeiten. Mag sein, dass sie nicht die beste Wahl sind, wenn es um freundschaftliche Beziehungen geht. Aber sie verkörpern sehr wichtige Werte, sie leben ihre Spontaneität, ihre Frische, ihre Impulsivität. Und sie haben einen sehr natürlichen Körper. Einen Körper, der nicht im Fitnessstudio geformt wurde oder irgendwie kahlrasiert ist. Diese jungen Männer tragen die Wildnis in sich und das ist auch das, was sie uns geben: Die Erotik der Wildnis. Ich hoffe, das in meinen Filmen vermitteln zu können.

Manche deiner Videos erinnern an Fragmente aus Dokumentarfilmen, in denen der Regisseur beispielsweise einer Pflanze beim Wachsen zusieht. Hinkt dieser Vergleich?
Irgendwie schon, aber es stimmt natürlich, dass der Prozess, in dem ein erigierter Penis beginnt, sich aufzurichten—so wie in einem meiner Kurzfilme—,dem ähnlich sieht. Und auch manche Zeitlupensequenzen, in denen nackte Männer beim Laufen zu sehen sind oder an einem menschenleeren Strand trainieren, haben eine dokumentarische Ästhetik.

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Kennst du Conchita Wurst? Vielleicht wäre ihr Köper ein gutes Objekt für deine nächste Arbeit?
Klar, warum nicht? Das könnte interessant sein: Die Schönheit des männlichen Körpers zwischen den Geschlechtern. VICE: Simone Rovellini, du bist ein junger italienischer Regisseur, der bekannte Filmszenen umbaut. Exploding Actresses 03 ist ja auch im Wettbewerb des Trés Chic Programms zu sehen. Ich habe neulich Saving Mr. Banks gesehen und da geht es um die Figur der Mary Poppins. Fehlt die nicht noch irgendwie in deiner Sammlung explodierender weiblicher Filmfiguren?
Simone Rovellini: Das ist interessant, ich habe irgendwie noch nicht darüber nachgedacht Mary Poppins explodieren zu lassen. Vielleicht weil sie keine romantische Heldin ist. Und neben all der Nettheit der Filmadaption, bleibt sie letztendlich eine fliegende Dame, die Kindern beibringt, die Regeln nicht so genau zu befolgen. Das ist für mich irgendwie OK. Ich glaube, wenn ich in irgendeiner Form mit dem Film arbeiten sollte, würde ich Mary mit den Fingern schnippen lassen und die Köpfe der Kinder wegpusten, während sie ihr Zimmer aufräumen. Hey, die Idee gefällt mir, das mach ich gleich.

Ich mag ja dein Video Quando una stella muore echt gerne, weil Giorgia mich echt schon seit immer nervt. Welche anderen italiensichen Musiker würdest du denn sonst noch gerne detonieren?
Dieses Video habe gemacht, nachdem ein Freund von mir mich darum gebeten hat. Und ich habe auch gedacht, dass es eine super Idee wäre, weil Giorgia wirklich jedem seit Jahren auf den Geist geht. Um ehrlich zu sein, würden für so eine Sprengreihe noch einige italienische Musiker in Frage kommen, zum Beispiel Laura Pausini und Vasco Rossi—mit denen würde ich anfangen.

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Dieses Gif hat Rovellini extra für uns gebastelt.

Als ich deine Kurzfilme angesehen habe, ist mir unter anderem Cristina D'Avena eingefallen. Sie hat ja in den Achtziger Jahren so gut wie alle Titelsongs für Cartoons gesungen, die damals auf der Mediaset—den bösen Berlusconi-Sendern—liefen. Lebt die eigentlich noch? Und ich würde zu gerne wissen, was dabei rauskommen würde, wenn du Hand an ein paar der Cartoons legen würdest, deren Titelmusik sie gesungen hat.
Ja, sie lebt noch und sie ist irgendwie eine ziemliche MILF. Es wäre echt lustig mit einigen der Zeichentrickfilme zu arbeiten—Sailor Moon würde zum Beispiel super funktionieren. Aber eigentlich sind Disney-Cartoons viel nervtötender als japanische Animes, darum war es naheliegend, mich erstmal auf die Prinzessinnen zu konzentrieren.

Warst du ein schwieriges Kind?
Ich sehe schon, Du hast mit meiner Mutter gesprochen.

Magst du die Bücher von Niccolò Ammaniti? In seinen Büchern sterben die Charaktere meistens langsamer als in deinen Filmen, aber sind auch lustig.
Ich versuche eigentlich in allen meinen Arbeiten an ernsthafte Themen mit einem kindlichen oder kindischen Zugang heranzugehen. Ich mag es, Humor in noch so düstere Situationen zu bringen, oder mit einer Splatter-Explosion einen komischen Moment der Erleichterung zu erzeugen. Dieser Kontrast ist ein sehr effektives Mittel um über Dinge zu sprechen, die mir wichtig sind, zum Beispiel Gender oder Stereotypen. Niccolò Ammanniti's Bücher handeln oft von dem Konflikt zwischen Tod und der Unschuld der Jugend. Das sind Gefühle, die mir sehr nahe liegen, auch wenn ich in meinen Arbeiten mit mehr Humor an die Dinge herangehe.

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VICE: Das ist schon eine Ehre mit dem echten Kurt Razelli zu sprechen. Deinen Videos kann man ja eigentlich nicht entkommen, wenn man sich für Politik, Fußball oder Wiener Grant interessiert. Von dir stammen der Arnautovic Song oder General Stronach. Bei deinen Videos will man sich am liebsten gleich ein Bier aufmachen. Kurt, bist du der Beweis dafür, dass Fernsehen doch was bewegen kann, solange man Humor, Zeit und Ableton hat?
Kurt Razelli: Ich denke das Fernsehen kann auch ohne mich etwas Bewegen, es kommt auf den Typ an, der das konsumiert. Gutes Beispiel wäre Dancing Stars. Die Menschen, die sich auf der Couch tanzende B-Promis anschauen, werden womöglich glücklich sein und werden sich nicht Sport am Sonntag anschauen.

Jeder hat andere Prioritäten und andere Interessen. Ich wollte einfach eine neue Kunst schaffen, auch wenn diese Kunst vielleicht für manche nichts Neues ist—Sampling und Autotune auf Youtube haben ja Tradition. Aber ich verwende aber kein AutoTune. Bei mir bleiben alle in ihren echten unveränderten Tonlagen. Somit erreiche ich ein authentisches Ergebniss zur Person und kein Song klingt gleich. Dass ich in den Jahren so viel positives Feedback und Interesse an meiner Arbeit bekomme, ist natürlich sehr erfreulich und somit ein Ansporn mehr zu machen.

**Eigentlich wollte ich fragen, ob du Tierschützer bist? Irgendwie fällt mir das beim *Milch-Song* ein. Aber lieber was anderes: Wenn du dir eine Vodoo-Puppe von einem Politiker wünschen könntest, von welchem wäre die?**
Dazu muss man hoffentlich kein Tierschützer sein um zu wissen, dass die Tiere eine Massenproduktion ihres Fleisches nicht wollen. Meine Vodoo-Puppe wäre Laura Rudas. Sie hat leider für mich zu schnell die Koffer gepackt. Sie hätte ich gerne noch in meinen Politiker-Song-Archiv.

Hast du biographisch eher einen Bezug zu Kühen oder zum Gemeindebau?
Mein Bezug ist eher der Gemeindebau, der grantige Wiener, der glühende Asphalt im Sommer.

Spielplätze sind oft wie überfüllte Kneipen. Die Infrastruktur hält das Publikum nicht aus. Wie bist du auf das Material zu dem Schaukel-Clip gekommen?
Ich sehe mir sehr gerne Am Schauplatz auf ORF an, weil eben die Menschen nicht schauspielern, sondern aus tiefstem Herzen ihre Sorgen in die Kamara sagen und genau nach solchem Material halte ich Ausschau. So entdeckte ich auch die Schaukel, die "das ganze Übel" ist. In meiner Jugend wäre ich auch traurig gewesen hätte es nur eine Schaukel gegeben.

Magst du Menschen? Manche würden vielleicht sagen, dass du dich über Leute lustig machst. Findest du das auch?
Wenn man nur einen Song von mir kennt, ist das womöglich der erste Gedanke. Aber das ist absolut nicht mein Ziel und sollte auch nicht so verstanden werden. Es geht mehr um die Botschaft, die die Person vermitteln möchte—auch durch die Art oder Aussehen der betreffenden Person. Man will zeigen, was die Leute amüsant finden. Auch wenn die Leute es ohne Song witzig finden, versuche ich Momente und Botschaften künstlerisch zu verewigen.

Nora auf Twitter: malina_n