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Popkultur

Die besten, nicht ausverkauften Filme der Viennale 2015

Deutsche Alpträume, philosophische Hunde und Aliens, die uns am Körper wachsen: Unser Highlight-Kalender zur diesjährigen Viennale (inklusive Tickets).
(c) Viennale

Was soll ich auf der Viennale schauen, wofür zahlt es sich aus, alle anderen Pläne für Sonntagvormittag und Donnerstagnacht über Bord zu werfen und vor allem bei welchen Filmen muss ich keinen gehypten Meuten an Kinobesuchern zuvorkommen? Wie so oft gibt es auch hier mehr als eine einfache Antwort. Genau genommen nämlich 15 Antworten—und sie alle stehen in der Form von Filmempfehlungen in diesem Artikel.

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Das ist unser Special Guide durch die Viennale 2015, der euch dabei helfen soll, entweder euren Kalender komplett umzukrempeln—oder zumindest behaupten zu können, dass ihr auch dieses Jahr wieder alle wesentlichen Schmankerl des Festivals gesehen habt.

Carol

Donnerstag, 22.10., 23:30 Uhr, Gartenbaukino

Eröffnet wird die Viennale mit Todd Haynes vielbeachteten Melodram Carol, das auf autobiografischen Erlebnissen der Schriftstellerin Patricia Highsmith basiert. Cate Blanchett kratzt für diese Rolle alle ihre vornehmsten Augenaufschläge zusammen, verliebt sich im New York der 1950er direkt in Rooney Mara, eine junge Verkäuferin aus einer niederen sozialen Schicht. Wer das nicht sehen will, hat kein Herz oder keine Libido. Der in Cannes gefeierte Film wurde für die Goldene Palme nominiert und Rooney Mara hat den Preis für die beste Schauspielerin gewonnen.

Der Nachtmahr

Freitag, 23.10., 23:59 Uhr, Gartenbaukino

Deutscher Horror ist abgesehen von Jörg Buttgereit eine schwierige Sache—vor allem, weil für den Rest der Welt das Deutsche selbst bereits der Horror ist. Was irgendwie sehr existenziell klingt und damit auch gut zu Der Nachtmahr passt. Wie immer, wenn ein Film geografisch in der Nähe spielt, ist auch Der Nachtmahr oft beunruhigend nah an unserem Alltag—und dort, wo er es nicht ist, ist er beunruhigend weit davon entfernt.

Der Film hat auch Partys wie bei Spring Breakers, nur ohne die befreiende Coming-of-Age-Triphaftigkeit amerikanischer Ausreißer, die der Enge der Vorstadt entfliehen und kommt stattdessen mit der vollen Bürgerlichkeits-Keule. Ein mit Filmen wie Mama artverwandter Monster-im-Zimmer-Genrestreifen, wie er deutscher nicht sein könnte: Mit Popexistenzialismus, Clubkultur, Drogenabstürzen und einem Titel wie ein Rammstein-Album.

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Comoara

Samstag, 24.10., 18:00 Uhr, Gartenbaukino

Der junge Rumäne Costi braucht dringend Geld und lässt sich von seinem Dorfnachbarn überreden, einen legendären vergrabenen Schatz in seinem Garten zu suchen. Die Suche stellt sich schon bei der Beschaffung eines Metalldetektors als schwieriger heraus, als angenommen, und offenbart zugleich einiges über die rumänische Gesellschaft. Der Regisseur Corneliu Porumboiu, der in seinen Filmen mit subtilen Humor und Ironie glänzt, wird bei den Filmvorführungen von Comoara anwesend sein.

Queen Of Earth

Sonntag, 25.10., 18:00 Uhr, Gartenbaukino

Die zwei besten Freundinnen Ginny und Catherine wollen eine Woche gemeinsam in einem Haus am See, das Ginny gehört, verbringen. Catherine hat ein hat ein hartes Jahr hinter sich, ihr Vater ist gestorben und ihre langjährige Beziehung ging in die Brüche. Was aber als entspannte Zeit gedacht war, um Catherines Kopf frei zu bekommen und die Beziehung der beiden wieder zu intensivieren, entwickelt sich in der Folge zu einem Ausflug voller Streit und Paranoia.

Regisseur Alex Ross Perry war bereits letztes Jahr mit Listen Up Philip auf der Viennale vertreten und wird diesmal auch persönlich anwesend sein. Sein Film ist wie immer von einer warmen Retro-Optik geprägt und während über Queen Of Earth durchgehend der Spannungsbogen eines waschechten Psychothriller schwebt, blitzt hier immer wieder auch ein Schuss skurriler Humor durch.

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Last Shelter

Montag, 26.10., 18:00 Uhr, Gartenbaukino

Die Votivkirchen-Besetzung von Asylwerbern vor zweieinhalb Jahren ist manchen vielleicht noch gut im Gedächtnis. Manchen vielleicht auch nicht und deshalb hat Gerald Igor Hauzenberger eine Monumental-Doku zusammengetragen, die von damals bis zur heutigen Flüchtlingskrise reichen, von Kardinal Schönborn Zitaten, die wenig Nächstenliebe in sich tragen, bis Abschiebung und neuen Plänen für ausgrenzende Zäune.

Tangerine

Dienstag, 27.10., 23:00 Uhr, Gartenbaukino

Obwohl oder gerade weil er auf einem iPhone gedreht wurde, ist Tangerine ein schräger und unglaublich lustiger Einblick in eine unbekannte Welt. Der Film ist eine wunderbare, bunte und treffende Geschichte über L.A.s Transgender-Community, seine Vielfältigkeit und Komplexität. Die Protagonistin Sin-Dee Rella, eine transsexuelle Prostituierte, kommt gerade aus dem Gefängnis, als sie erfährt, dass ihr Freund und Zuhälter sie während ihrer Abwesenheit betrogen hat. Mit jedem Schritt in hochhackigen Schuhen auf ihrem Rachefeldzug durch L.A. liebt man Sin-Dee Rella ein bisschen mehr.

Kiseiju

Mittwoch, 28.10., 23:00 Uhr, Gartenbaukino

Ich gebe es zu: Ich habe keine Ahnung, worum es in diesem Film eigentlich geht. Ich habe zwar meine Thesen—und wenn ich jetzt ein bisschen mehr auf Bullshit-Bingo setzen wollte, würde ich wahrscheinlich irgendwas von einer „Amalgamierung des Dispositivs Überwachungs-Panoptikum und der Mutations-Klamauk-Version von Body-Horror" daherreden.

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Aber die Wahrheit ist, dass ich mir den Trailer angesehen habe und alles, was darin passiert, für mich zirka so viel Sinn ergibt wie eine Video-Vignette mit Bray Wyatt oder die berüchtigte Storyline rund um den „Anonymous General Manager" von WWE Raw. Das waren gerade zwei Wrestling-Referenzen, die auch niemand verstanden hat, womit ich euch auf plastische Weise in meine Lage in Bezug auf Kiseiju versetzen wollte. Gut, nicht? Im Übrigen glaube ich, dass Kiseiju sich zu Wrestling so verhält wie Augen zum Sehen—und da im Film ziemlich viele Augen vorkommen (und auch ein paar Kampfszenen, die Wrestling in wenig nachstehen), habe ich für den Kinobesuch meinen besten„Woooooooooo!"-Schrei schon mal eingepackt.

The Nightmare

(c) Viennale

Donnerstag, 29.10., 23:30 Uhr, Gartenbaukino

The Nightmare ist nicht dasselbe wie Der Nachtmahr, sondern eine Mischung aus Horrorfilm und Dokumentation über das Phänomen der Schlafparalyse—einer Lähmung des Körpers, die während dem Einschlafen oder Aufwachen auftritt. Nachdem der Filmemacher Rodney Ascher—der mit Room 237 schon eine schön bullshittige, aber in Bezug auf puristische Kinoliebe beachtliche Dokumentation über Stanley Kubrick und The Shining veröffentlichte—selbst eine solche Erfahrung erlebte, suchte er andere Menschen mit gleichen Erlebnissen, und stellte unheimliche Ähnlichkeiten fest. Ein Interview von VICE mit Rodney Ascher über seinen angsteinflößenden Film findet ihr hier.

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The Devil's Candy

(c) Viennale

Freitag, 30.10., 23:00 Uhr, Gartenbaukino

Sechs Jahre hat Sean Byrnes' Nachfolger-Projekt auf sich warten lassen, nach dem allseits traumatisierenden The Loved Ones. Ein Haus gehört immer zu den billigeren Immobilien, wenn es ein paar Morde beziehungsweise unerklärliche Todesfälle darin gab. Ein ausgebrannter Künstler und seine Familie ziehen direkt ein und die Handlungskurve mit Besessenheit, kleinen Mädchen, die uns zu Tode erschrecken, und der altvertrauten Horror-Gaudi mit ganz neuem Schliff kann beginnen. Sympathisch satanistisch!

Xia Nu

Samstag, 31.10., 23:00 Uhr, Gartenbaukino

Mit Xia Nu (A Touch of Zen) wird ein Wuxia-Klassiker des chinesischen Regisseurs King Hu aus den 1970ern endlich in restaurierter und damit kinowürdiger Fassung gezeigt. Der junge Gelehrte Gu trifft auf die hübsche Schwertkämpferin Yang, und schon beginnen ein Haufen Probleme. Das in China und bei Quentin Tarantino äußerst beliebte Wuxia-Genre ist eine wilde Mischung aus Historienfilm mit chinesischen Rittern und Fantasy, die man als Freund des fernöstlichen Films definitiv gesehen haben sollte.

JACO

Sonntag, 1.11., 23:00 Uhr, Gartenbaukino

In der klassischen Rockband nimmt der Bassist ja oft eine gern unterschätzte Rolle ein, und gilt quasi als derjenige, der in der Groupie Pick-up-Rate gerade noch vor dem Typen mit dem portablen Keyboard liegt. Bassisten müssen deshalb meist Unmenschliches vollbringen, um den ihnen gebührenden Ruhm letztlich auch zu bekommen. Jaco Pastorius war so Ausnahmebassist. Zusammen mit österreichischen Jazzmusiker Joe Zawinul wurde er in den 70ern mit der Fusion Gruppe The Weather Report weltberühmt. Die Doku Jaco porträtiert das Leben von Pastorius und lässt dabei etliche Musiker-Kollegen wie Sting oder Flea zu Wort kommen. Der ultimative Film von Bassisten (Metallicas Robert Trijilo hat den Film mitproduziert) für Bassisten, aber auch alle ausgewiesenen Musik-Nerds.

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DOPE

Montag, 2.11., 23:00 Uhr, Gartenbaukino

Es kommt immer wieder was Gutes vom Sundance. Dieses Jahr gehört Dope von Rick Famuyiwa sicherlich dazu. Malcolm lebt in der Gegenwart als schwarzer Nerd in Inglewood und verehrt die 90er-Jahre zu einem fast ungesunden Ausmaß—was erklärt, warum man bei den Filmstills kurz glaubt, einen frühen Spike Lee vor sich zu haben. Natürlich ist Erwachsenwerden immer scheiße, aber mit einem Drogendepot in der Hinterhand—und mit A$AP Rocky als Dealer—könnte er sich vielleicht den Weg ins College ebnen.

Übers Dark Net wird vercheckt, Dr. Dre völlig zurecht verherrlicht und Internetsprache endlich einmal nicht peinlich, sondern authentisch verwendet—auch wenn es anfangs etwas verwirrt, wenn ein Typ mit Flat Top und Run DMC-Ketten über Memes spricht. Schwerstens empfohlen—alleine wegen dem Soundtrack.

Heart of a Dog

Dienstag, 3.11., 23:00 Uhr, Gartenbaukino

Heart of a Dog ist eine dieser Kunst-Dokus für Leute, die Laura Jones hören (ja, immer noch)—und denen genau so etwas nicht peinlich ist (nein, immer noch nicht). Es geht um Philosophie, Lebensentwürfe, Introspektion und viele andere ruhige Dinge, die bei älteren Menschen bewirken, dass sie einschlafen, es aber „nachdenken" nennen.

Das ist aber keineswegs eine schlechte Sache, denn irgendwie ist Heart of a Dog auch ein filmisches Gedankenexperiment, das den gar nicht mal so kleinen Spagat zwischen Hunden und Hochkultur schafft. RogerEbert.com und die New York Times loben den Film jedenfalls für seine Magie und emotionale Dichte. A.V. Club lobt den Film nicht als guten Film (was er auch nicht ist), aber dafür als gutes Laurie Anderson-Album. Und ich lobe ihn für seine Hunde. Wir haben alle ein bisschen recht.

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Réalité

Mittwoch, 4.11., 18:00 Uhr, Gartenbaukino

Wenn der Typ, der Rubber gemacht hat, einen Film über Maskeraden, Träume und Rattenkostüme macht, kann das eigentlich nur gut werden. Vor allem, wenn es derselbe Typ ist, der einst als Mr. Oizo die Handpuppen-Charts unserer MTV-Jugend angeführt hat. Die Chance auf eine imaginäre Preisverleihung in einer gesichtslosen Masse ist für diese Meta-Werk rund um einen ambitionierten Horrorfilm-Regisseur garantiert. Lachen wird der Realität des Films sicherlich entsprechen—auch wenn man sonst nicht weiß, was jetzt echt ist und was nicht. So lasse ich mich jedenfalls gerne bis aufs Blut verwirren!

99 Homes

Donnerstag, 5.11., 11:00 Uhr, Gartenbaukino

Es gibt mit ziemlicher Sicherheit keine versöhnliche Art, das zu sagen, aber: Michael Shannon ist seit Take Shelter der beste und unterschätzteste Schauspieler unserer Zeit und mit Laura Dern, für die seit Enlightened dasselbe nur in weiblich gilt, weiß man eigentlich schon vor dem Trailer, dass 99 Homes nur eine kleine Sensation sein kann.

Dass es dabei um die (halb)wahre Geschichte einer Zwangsvollstreckung im Immobilienkrisen-geschüttelten Amerika geht, die sich in eine Immo-Gangster-Geschichte rund um den widerwillig zum Zwangsvollstrecker rekrutierten Andrew Garfield dreht, tut der Begeisterung keinen Abbruch—immerhin haben auch Take Shelter und Enlightened nicht die positivsten, pop-kompatibelsten Knaller-Themen.