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Popkultur

'Das finstere Tal' ist die Literaturverfilmung mit einem Schuss Rambo

Österreichischer Genre-Film ist super und Western sowieso. Aber ist es manchmal vielleicht besser weder den Film gesehen noch das Buch gelesen zu haben.

Seit das erste Mal eine literarische Vorlage verfilmt wurde, streiten Menschen darüber, was besser ist: die Originalgeschichte, die sich ein Autor mühsam erdacht und dann für (oftmals gar nicht so) viel Geld wie ein Stück seiner Seele verkauft hat, oder die Kino-Adaption, die in den meisten Fällen einem Haufen Popcorn-mampfender Multiplex-Besucher die schiere Existenz eines Buches überhaupt erst bewusst macht.

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Diese Einleitung hört sich jetzt so an, als wär ich einer dieser Kulturpessimisten, die selbst dann jammern, wenn ein Buch eins zu eins verfilmt wurde—Hallo  Watchmen!—, als wäre ihr Baby gerade bei einem satanischen Ritual dem erbarmungslosen Gott Kapitalismus geopfert worden. In bestimmten elitären Cliquen mit vor ungelesenen Büchern überquellenden Schränken ist die literarische Vorlage aus bildungsbürgerlichen Gründen sogar dann besser, wenn man weder Buch gelesen noch Film gesehen hat.

Bei

Das finstere Tal

 wird das ausnahmsweise nicht passieren, weil das Buch von Thomas Willmann schon 2010 in einer amerikanischen Tradition aufgenommen wurde. Warte, lasst es mich anders formulieren: Willmann hat einige Zeit in LA gelebt und wird also vermutlich nie mit dem Regietheater „abrechnen". Als ich Ende letzten Jahres von einem österreichischen Western gehört habe, habe ich das Buch gelesen und war ein paar Tage lang gut unterhalten. Seither hab ich versucht, möglichst alle euphorischen Postings zum Film zu ignorieren. Ich will den Film alleine sehen, ohne dass permanent aus irgendwelchen Ecken kommentiert wird. Dasselbe rate ich euch eigentlich auch.

DAVID BOGNER

Da ist was faul, in dem Südtiroler Bergtal. Andreas Prohaska hat wieder einmal ein US-Genre genommen und es regionalisiert: In 3 Tagen bist du tot war ein halbwegs solider Slasher, jetzt hat er einen brauchbaren Western abgeliefert. Dass im strukturlosen Filmförderland Österreich überhaupt ein weiterer Genrefilm das Licht der Welt erblickt hat, ist eigentlich an sich schon bejubelnswert. Nur ist Das finstere Tal nicht wirklich ein Western—weder in der US- noch in der Italo-Western Tradition—, sondern ein Rachedrama mit Pferden und Cowboy-Hüten.

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Das finstere Tal heißt wahrscheinlich so, weil dort alle Bewohner immer finster schauen, selbst bei einer Hochzeit. Grund dazu hat eine abgeschiedene Dorfgemeinschaft sicher genug und zwar in Form des herrschenden Brenner-Bauers und dessen brutaler Söhne. Mit einem Hauch Braveheart wollen die mitten im Brautstehlen das „Recht der ersten Nacht" beanspruchen. Ob es in Tirol tatsächlich historische Belege für die Anwendung des "ius primae noctis" gibt? Tobias Moretti ist als einer der bösen Brüder sehr gut besetzt und leider etwas unterbeschäftigt. Ein Freedom-Fighter rechnet dann glücklicherweise mit dem ganzen „Ruaß" ab.

Das finstere Tal läuft sehr geradlinig und konventionell ab. Prohaska traut sich anscheinend nicht, mit Genrekonventionen zu sehr zu spielen oder gar zu brechen, oder will das einfach nicht. Es ist schon alles sehr österreichisch, und nicht nur wegen dem Tiroler Dialekt. Der Grad an Schwere und Tristesse erinnert beinahe an Hanekes Das weiße Band, wobei im finsteren Tal hier die emotionale Gewalt mit physischer ausgetauscht wird. Lange Einstellungen von Alltagssituationen im Dorf, gezeichnete und geschundene Gesichter und elegische Musik. Die pessimistische Stimmung und der Look des Films sind ganz offensichtlich von Sergio Corbuccis Il grande silenzio inspiriert, ein Pflicht-Spaghetti-Western mit dem wunderbar reißerischen deutschen Titel Leichen pflastern seinen Weg.

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Die Hauptfigur des „Greider" nutzt in Das finstere Tal die umliegenden Wald und Wiesen fast so gut wie Rambo—in First Blood, derbeste und realistischste der Quadrilogy—beim sich Entledigen seiner Gegner. Greider ist aber mehr Archetyp als Charakter, also nicht annährend so interessant wie John J.. Dialoge sind rar im finsteren Tal, zweckmäßig und schnörkellos. Die Schweigsamkeit des Helden fällt gar nicht so auf, weil die Dorfbewohner auch nicht viel reden.

Man erwartet sich von österreichischen Filmen—von ein paar Ausnahmeregisseuren abgesehen—ohnehin nicht viel, eben auch wegen der hiesigen Produktionslandschaft, somit war das finstere Tal eine sehr positive, wenn auch bei Weitem nicht makellose Überraschung.

PETER VOGL

Bilder von X-Verleih