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Film

​In 'Einer von uns' hat keiner von uns eine Zukunft

Vor knapp 6 Jahren hat im Krems ein Polizist einen 14-Jährigen erschossen, wovon dieser österreichische Film rund um einen desolaten Supermarkt inspiriert ist.
(c) Filmladen / Golden Girls Filmproduktion

Mit 14 war die Welt recht einfach: Kiffen ist das Coolste, alle Polizisten sind Wichser und genervtes Rumhängen an öffentlichen Plätzen reicht schon als Statement. Einer von uns ist endlich mal ein österreichischer Film, mit dem ich mich wegen der Darstellung von genau diesen Dingen identifizieren kann. Nicht nur sprachlich—was ohnehin viel zu selten der Fall ist—, sondern auch wegen seiner Charakterisierung von echten Menschen.

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Der reale Todesfall des 14-jährigen Einbrechers in einem Kremser Supermarkt, der von einem Polizisten erschossen wurde, hat dieses Projekt von Golden Girls Filmproduction ins Rollen gebracht. Solche Vorfälle mit Polizeigewalt haben bei uns vielleicht keine hohe Frequenz, aber es gibt sie immer wieder auch in Österreich und nicht nur weit weg in Ferguson und Co.

Das Milieu von österreichischen Vorstadtjugendlichen ohne Zukunft und ohne Perspektiven ist in Einer von uns wenig aufwendig, aber äußerst authentisch umgesetzt worden—zum Glück ohne auf peinliche Klischees oder Jugenddialoge von 50-Jährigen zurückzugreifen. Der knarzende Elektro-Soundtrack und die beißenden Raps sorgen für den nötigen Schuss sozial abseitiger Lebenswelt.

Dieser Film braucht uns nichts auftischen, weder irgendwelche lächerlich platzierten Bob Marley-Poster, um die Kiffer zu identifizieren, noch trottelige Polizisten à la Kaisermühlen Blues, um die Thematik erkennbar zu machen—er verlangt eigentlich nur, dass wir nicht wegschauen. Diese Betonexistenzen rund um einen desolaten Supermarkt sind schon fast ein wenig ZU realistisch.

Da sprühen desillusionierte Teens schon mal mit der geklauten Farbdose uninspiriert "ACAB" oder "Only God can judge me" an die Wand bei den Einkaufswägen. Der ein bisschen cholerische Jogginghosen-Fanat mit der extra lauten Anlage und viel Bass im Auto—aber ohne Kindersitz für sein Baby—wird für die eingerauchte Parkplatz-Gang und den Exknacki natürlich sofort zum großen Vorbild. Dann lässt man fürs zusammen Saufen, Rauchen und Einbrechen auch mal die jüngste Liebe rechts liegen.

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Das klingt vielleicht nicht großartig und hat vielleicht im Nacherzählen etwas fast schon zu Banales, Echtes, das der gemeine Österreicher im Kino ja gern meidet; wenn wir uns ehrlich sind, ist unsere Wirklichkeit im Vergleich zu Hollywood nämlich immer noch die UdSSR. Aber manchmal tut es gut, genau das auch auf der Leinwand wiederzufinden.

Um es mit sehr wenigen Worten und vielen Wortwiederholungen zu sagen: Einer von uns ist ein sehr, sehr, SEHR schöner Film. Im cineastischen und in fast jedem anderen Sinne. Stephan Richter geht mit seinen intensiven Stimmungen sogar ein bisschen in Richtung Harmony Korine, wenn man die minderjährigen Kids beim Rauchen betrachtet oder sich den überstilisierten Gangster-Typen aus Einer von uns genauer ansieht, der mit den Cornrows wie Alien/RiFF RAFF in Spring Breakers wirkt.

Das langwierige Verweilen auf der Leberkäsepalette in den Kaufhausregalen mit der einen flackernden Leuchtleiste zieht sich vielleicht manchmal etwas in die Länge, aber es bietet Zeit für den Zuschauer, um nachdenklich zu werden. Zum Beispiel bekommen wir das Gefühl, dass mit den modernen Wertigkeiten von Produkten im Sonderangebot im Vergleich mit den Menschenleben auf der anderen Seite der beleuchteten Schaufenster irgendwas echt nicht stimmen kann.

Aber die Welt dreht sich immer weiter: Kleine Wichser werden zu großen Wichsern, beschissene Jobs werden uns nervlich immer mehr zerstören und komplexbeladene Autoritätsfiguren explodieren irgendwann. Im Nachhinein weiß ich nur, dass mich Einer von uns sehr traurig gemacht hat. Die Charaktere sind nicht plump, sie sind nur gleich kaputt. Nicht nur die Arschbullen, nicht nur der dumme Prolet oder das Mädchen, das sturmfrei und Lust auf Sex hat, sondern wir alle sind vielleicht einfach nur gefickt.

Josef auf Twitter: @theZeffo