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Popkultur

Krebs nervt auch, wenn man mittags Austern essen geht

Warum man ,Gruber geht' auf jeden Fall ansehen sollte, egal, ob man das Buch gelesen hat.
(c) Thimfilm

Literaturverfilmungen wird oft nachgesagt, weniger Gehalt als die Bücher dahinter zu haben. Aber als Filmschaffender will man natürlich möglichst etwas eigenes in die Produktion einbringen und nicht einfach nur, wie das Popkulturphilosoph Clarence in True Romance auf den Punkt gebracht hat, Bücher verfilmen, die keiner lesen will. Transmediale Kunst hat wohl inhärent damit zu kämpfen, auf Grund des jeweiligen Mediums verglichen zu werden.

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Vielleicht ist es gerade deswegen von Vorteil, Gruber geht nicht gelesen zu haben, um den Film zu genießen. Doris Knecht, die Autorin des nun verfilmten Romans, schätze ich sehr für ihre Kolumnen in Falter und Kurier, sowie für ihre Blogbeiträge zum leider depublizierten „Österreich"-Blog der Zeit. Ich bin aber leider nie dazu gekommen, eines ihrer Bücher zu lesen. Gruber geht hat mir gezeigt, dass ich das dringend nachholen muss.

Ich kann also nicht viel darüber sagen, wie treu Gruber geht der Vorlage ist. Die für mich viel wichtigere Frage ist allerdings: Ist es ein guter Film? Und dazu kann ich schon jetzt etwas sagen. TL;DR. Ja. Absolut.

(c) Thimfilm / Screenshot

Das positive Filmerlebnis liegt an ganz vielen Details. Beispielsweise daran, dass—und das ist im Österreichischen Film nicht selbstverständlich—der Film sich traut, ein visuelles Medium zu sein. Regisseurin Marie Kreutzer kaut nicht jeden Gedanken vor, sondern verlässt sich auf das mitdenkende Publikum. Das erinnert außerdem auch an Knechts Satz-Staccato, durch das eine durchdringende Geschwindigkeit erzeugt wird.

Die Handlung alleine wäre dabei jetzt nicht besser als viele andere. Gruber ist ein selbstsicherer Karriereboy, hat Erfolg im Beruf und Glück in der Liebe. Gruber ist so ein Mensch, der sich Motivational Quotes von Tumblr als iPhone-Hintergrund speichert. Bissi unsympathisch, seine berufsbedingte Sozialfremdheit, aber er ist gut mit den Mädels und nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Und dann kommt auf einmal der verkackte Sale für seine Firma und dann auch noch einen Tumor. Kurz: Erfolgreicher Mensch ist plötzlich nicht mehr so lucky. Ein Schlückchen Hiobstrunk für den Goldjungen Gruber.

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Viel wichtiger ist natürlich, wie die Geschichte erzählt wird: und das passiert hier sehr einfühlsam, ohne gefühlsduselig zu werden. Plattitüden werden ausgespart, stattdessen spielen die Darstellerinnen und Darsteller ihre Rollen hervorragend.

Schöne Kameraführung und Bilder lenken den Fokus genau dort hin, wo die dramaturgische Musik spielt. Apropos Musik, obwohl zur Zeit immer ein bestimmter (ver)kaufbarer Track in aktuelle Filme eingestreut wird—in Gruber geht ein Remix von Bilderbuch—passiert dies hier wenigstens authentisch. Ein Charakter ist schließlich DJ, also passt das schon. Der Versuch lokale Künstlerinnen zu fördern, habe ich schon viel unsympathischer implementiert gesehen. Hier kommt Musik nicht einfach aus dem Off herein, sondern aus Kopfhörern oder eben vom DJ-Pult.

Grubers Kohle spüren wir auch nicht durch erzwungene Gatsby-Allegorien, sondern weil er ein zweites Date natürlich im Stilwerk beim Austernessen absolviert, ein morgendliches Bier eher im Drechsler trinkt. Solche Entscheidungen lassen die Scheinwelt subtil und echter wirken. Wir hören und sehen ungefiltert, was die Charaktere hören und sehen. Das erinnert wiederum an Knechts Schreibstil. Grubers Ordnungsliebe und Disziplin, dargestellt durch das immergleiche Arrangement von Smartphone, Kopfhörer, Geldclip, Schmerzmittel, Schlüssel, Stift neben dem Bett sagt so viel mehr aus als über ihn, als wenn wir zwanzig langweilige Alltagsklischees mit ansehen müssten. Gruber, ich glaube an dich.

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