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Popkultur

Warum #MakeAMovieWhiter das Schönste ist, was im Internet gerade passiert

Die bleichgesichtigen Oscar-Nominierungen machen viele wütend—überlegen wir uns doch lieber lustige Filmtitel, die Stereotype über Weiße verarschen!
Screenshot Twitter

Nachdem schon letztes Jahr die kritischen Stimmen äußerst laut wurden, als auffallend wenige Minderheiten für Oscars nominiert waren, hat sich dieses Jahr die Academy noch mal selbst übertroffen. Wieder sind alle nominierten Schauspieler weißer als weiß. Der hieraus entstandene Hashtag und Kampfschrei „OscarsSoWhite" sollte die festgefahrene, engstirnige Elite der Oscar-Richter wachrütteln.

Ein neuer Hashtag, ins Leben gerufen von Comedian Chris Hardwick, bringt zur Zeit eine herrlich kreative, verspielte und neue Seite der Debatte auf den Tisch: #MakeAMovieWhiter verarscht uns Weiße mit einfachen Twists von bekannten Filmtiteln und nutzt kleine Wortanhängsel, um weißen Elitarismus bloßzustellen. Gleichzeitig zeigen die Beispiele, wie herrlich peinlich weiße Stereotype sein können. Wir finden diese Tweets geradezu deliziös und haben überlegt, warum dieser wunderbar schlaue, wenn auch zynische Twitter-Hype vielleicht sogar ein wirksameres Mittel der Kritik darstellt.

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Spike Lee, Jada Pinkett und Will Smith sind alles andere als amused über die ausschließlich bleichen Gesichter der diesjährigen Oscar-Nominierten. Dieser—wenn man ignorierte Darsteller aus Beasts of no Nation, Creed oder Straight Outta Compton bedenkt—völlig gerechtfertigte Ärger ist zu einem Internet-typischen Lauffeuer gewachsen. Und das mexikanische Regie-Genie Iñárritu kann schließlich nicht alles wettmachen.

Die Academy hat auf die Vorwürfe reagiert und will nun „inaktiven" Mitgliedern das Wahlrecht entziehen, um sozusagen das alte, verschlafene und großteils weiße System gesund zu schrumpfen—und es sukzessive auch zu verjüngen beziehungsweise demografisch wachsen zu lassen. Erklärtes Ziel ist es, bis 2020 den Frauenanteil und die Zahl der nichtweißen Mitglieder zu verdoppeln—was bei letzterem Zielwert auch nur 14 Prozent der Academy ausmachen würde. Aber immerhin.

Das Internet liebt es natürlich, zu hassen und denkt auch in dieser Sache ausschließlich schwarzweiß—no pun intended. Manche Schauspieler und Kritikerkritiker haben dem #OscarsSoWhite-Aufschrei entgegengesetzt, dass durch alleiniges Verteufeln der fehlenden Diversität der diesjährigen Oscars die tatsächlich herausragenden professionellen Leistungen der Nominierten kleingemacht würden.

Das stimmt schon zu einem gewissen Grad—aber wie die Redakteure des slashfilmcast (einer der wichtigsten Filmpodcasts im Netz) bespielsweise zu Christian Bales Nominierung für The Big Short sehr richtig bemerken, sind die Entscheidungen der Academy 2016 gerade im Vergleich zu denen, die in der Nominierungsliste fehlen, wirklich nicht nachvollziehbar.

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MakeAMovieWhiter klingt im ersten Moment vielleicht wie eine rassistische Reflexbewegung von weißen Idioten an, die wie Anti-Feministen glauben, dass ihnen nun durch den Fokus auf Minderheiten die „wohlverdienten" Privilegien abgegraben werden. Der Hashtag ist aber, wie die Beispiel-Postings in diesem Artikel zeigen sollen, das wahrscheinlich Schönste, was im Internet seit langem passiert ist.

The Girl with the lower-back tattoo — Rahim Shiraz (@TarHeelTory)January 27, 2016

Der ganze Hass und Frust wird gebündelt und in eine originelle Schreibübung verwandelt. Das Ergebnis geht weit über die aufgelegte Mayonnaise, die naheliegenden Ubers und die Offshore-Bausparer hinaus. Im Grunde handelt es sich einfach um eine evolutionäre Weiterentwicklung der „First World Problems"-Memes.

Abgesehen davon, dass Weiße (beziehungsweise alte, männliche und/oder reiche Weiße) bei Satire sowieso meistens die wehleidigsten Heulsusen sind und gerade deshalb extra so hart verarscht gehören, bieten wir privilegierten Whities auch immens viel Angriffsfläche.

Das alles macht #MakeAMovieWhiter auf simple Art deutlich—ohne irgendjemanden persönlich anzugreifen und mit genau der richtigen Portion an smarter Satire, dass sie viele der Gemeinten nicht verstehen und es als beleidigend rassistisch verstehen, aber eben auch mit genügend Reflexion, dass es keine Opfer gibt, sondern nur Selbsteingeständnisse und Schmunzler.

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— 137 (@Takumi_137)January 27, 2016

Direkt gefolgt von Rassismus kommt direkt der Diskurs zu Gleichberechtigung von Frauen ins Spiel. Als wir letzte Woche erfuhren, dass Gillian Anderson für ihre Rückkehr zu Akte X anfangs nur die Hälfte der Gage von David Duchovny angeboten bekam, konnte man fast nicht anders, als den Sexismus-Alarm doppelt zu drücken.

Bei genauerer Betrachtung schätze ich persönlich die Lage etwas differenzierter ein. Hier haben Studio-Execs eher auf den schlichten Marktwert von Anderson geschaut, die aus einer mittelmäßig laufenden und einer abgesetzten Show kommt, und wohl mit jenem des Californication-Häuptlings verglichen. Das ist und wäre zwar immer noch keine Entschuldigung und man kann natürlich trotzdem zu Recht fordern, dass große Studios ungleichen Einkommen proaktiv entgegentreten sollten—es würde nur bedeuten, dass die Entscheidung auf der Basis von Marktwert und kapitalistischen Überlegungen getroffen wurde und nicht anhand des Geschlechtsorgans.

Vielleicht muss man bei der Ursachenbekämpfung noch viel weiter unten ansetzen, als bei einem veraltet plakativen Wettbewerb um Popularität und Bekanntheitsgrad wie den Oscars. Die Vorwürfe gegen die Academy beschreiben womöglich nur die Symptome und nicht die eigentliche Krankheit.

Ich kann nur sagen: Hoffentlich gewinnt Christian Bale nicht wegen seiner Hautfarbe und dem lahmen, schielenden Auge. Da überlege ich mir doch lieber noch ein paar lustige #MakeAMovieWhiter-Postings (was mit österreichischen Filmen gar nicht so einfach ist) und hoffe, dass Chris Rock die Oscars 2016 einfach richtig schön aufmischt.