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Fragen, die die Abschiebungen mit Hercules-Maschinen aufwerfen

Kann mir jemand erklären, was das bringen soll?

Foto: Gerhard Umgeher / Bundesheer

Man muss echt kein Anhänger der Willkommenskultur sein, um Abschiebungen mit Militärmaschinen merkwürdig zu finden. Interessant ist vor allem, warum und wie es überhaupt dazu gekommen ist. Immerhin ist Österreich "Europameister" bei Abschiebungen, die die EU-Grenzschutzagentur Frontex finanziert.

Außerdem geht das Innenministerium in seiner Öffentlichkeitsarbeit seit letztem Jahr offensiv mit dem Thema um und postet auf Twitter laufend erfolgreiche Abschiebungen. Deren Pressesprecher sagte selbst zu NZZ.at: "Es war bisher immer möglich, ein Flugzeug in der richtigen Größe zur richtigen Zeit zu bekommen". Also auch, wenn Frontex nicht fliegt, habe man zeitnah einen Linienflug gefunden, oder ein eigenes Flugzeug gechartert.

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Wer hat die Hercules-Abschiebung ins Spiel gebracht?

Die Hercules-Abschiebungen waren das Antritts-Zuckerl von Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil (SPÖ) zu Jahresbeginn. Eine Expertengruppe sollte sogleich ein Gutachten erstellen, um das Vorhaben auf seine Machbarkeit zu prüfen. Die Präsentation der Ergebnisse hätte am 7. 3. 2016 passieren sollen, wurde jedoch mehrmals verschoben, bis das Verteidigungsministerium sie irgendwann gänzlich totgeschwiegen hat.

Auch meine Anfrage diesbezüglich an die Presseabteilung blieb—wie die meisten meiner 21 Fragen—unbeantwortet. Der Standard erfuhr von einem Insider der Expertengruppe jedoch, dass das Gutachten unter Verschluss gehalten wird, weil Hercules-Abschiebungen "Nonsens aus dreierlei Sicht" seien. Damit sind die eingangs erwähnten Punkte von Kosten, Praktikabilität und Menschenrechtsschutz gemeint.

Was kostet eine Abschiebung mit der Hercules?

Grafik aus der Analyse von sipol.at

Laut Doskozil ist eine Hercules "wesentlich billiger" als ein Linien- oder Charterflugzeug. Laut einer parlamentarischen Anfrage kostet eine Flugstunde der Hercules 11.600 Euro. Das zähle aber nicht wirklich, weil die Hercules sowieso fliegen muss—zur Pilotenausbildung und Wartung.

Interessant ist aber, dass Heeressprecher Michael Bauer zur ZiB von 200 Flugstunden für die Piloten spricht, während sein Minister gegenüber Zeitungen von 800 Stunden spricht. (Spoiler: Das bleibt nicht die einzige Unklarheit bei dieser Thematik.)

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Eine unabhängige Einschätzung des "Studierendenvereins für Sicherheits- und Verteidigungspolitik" auf ihrem Experten-Blog sipol.at rechnet einige Beispiel durch und kommt zum Entschluss:

"Unter Zugrundelegung der geschätzten Vollkosten kommt die Hercules den österreichischen Steuerzahlern mehr als vier Mal so teuer als ein Charterflugzeug."

Geht das nicht billiger?

Ja, sogar gratis. Also, zumindest fast. Frontex-Flüge, an denen meist mehrere EU-Staaten teilnehmen, kosten der Republik nichts—wenn man fairerweise von den Mitgliedsbeiträgen, die die Staaten an Frontex zahlen, einmal absieht. Aber wie die Grafik zeigt, profitiert Österreich am meisten von Frontex-Flügen.

Wie viele Personen können mit einer Hercules-Maschine abgeschoben werden?

Diese Frage bleibt vom Verteidigungsministerium leider unbeantwortet. Technisch passen 92 Passagiere in die Maschine. Ob es aufgrund der Adaptierungen für Schüblinge weniger werden, ist mehr als wahrscheinlich. Auf der Bundesheer-Homepage heißt es: "Geplant sind Rückführungen von 14 männlichen Personen sowie die Mitnahme der Begleitpersonen", was danach klingt, als wäre 14 die Maximalanzahl.

Bei der ersten Abschiebungen waren es plötzlich ohne Erklärung nur 11 statt der angekündigten 14 Personen. Insgesamt waren 50 Personen beim Flug dabei, sprich rund 40 Begleiter für 11 Personen. Neben zwei Polizeibeamten pro Schübling dürfte die Anzahl von Ärzten, Dolmetschern und Menschenrechtsbeobachtern meist gleich bleiben. Der Schlüssel ist bei einem zivilen 180-Personen-Flug folglich deutlich besser.

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Warum sagt Minister Doskozil, dass Hercules-Flüge flexibler sind?

"Wir dürfen nicht davon abhängig sein, dass einmal im Quartal ein Frontex-Flieger fliegt", sagte Doskozil zur APA. Diese Aussage ist auf mehreren Ebenen interessant. Zum einen, weil sie falsch ist. 2015 wurden laut BMI 32 Flugzeuge gechartert, also an jedem 12. Tag eins. Der Standard hat darüber hinaus vom BMI erfahren, dass alleine im ersten Quartal dieses Jahres 30 Charter-Flüge—statt nur einem—geplant sind. Entweder wusste das Doskozil nicht oder er hat es bewusst verschwiegen, um sein Prestige-Projekt durchzubringen. Beides spricht nicht unbedingt für einen lösungsorientierten Minister.

Wir haben vor kurzem ein allgemeines FAQ zum Thema Abschiebungen verfasst.

Aber auch, wenn man auf das faktisch vage Argument von Doskozil eingeht, findet man qualifizierten Widerspruch. Eine Hercules-Maschine sei gar nicht so flexibel, wie gedacht, meint der Insider der oben erwähnten Expertengruppe. Das Einholen einer Überflugsgenehmigung für ein militärisches Fortbewegungsmittel, das andernorts für Fallschirmabsprünge genutzt wird, sei schwieriger als erwartet. In der Presseabteilung des Verteidigungsministerium spricht man diesbezüglich von einem "Routinevorgang"; der Sprecher nennt jedoch keine Details, wie Genehmigungen zustande kommen, wie lange sie halten und wie viele Ressourcen dafür notwendig sind.

Was spricht für eine Abschiebung mit der Hercules?

Eine offizielle Antwort darauf gibt es nur bedingt. Verteidigunsministerium-Sprecher Dietmar Rust beschreibt die Vorteile als "Ergänzungsmaßnahme", die unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte aber irgendwie nicht so ganz einleuchtend klingt. Neben einer innenpolitischen Machtdemonstration von Doskozil, klingt noch ein Grund plausibel—auch, wenn es nicht unbedingt ein schöner ist.

Jeder Pilot hat nämlich das Recht, einen Passagier abzulehnen. Bei zivilen Flügen, bei denen Schüblinge lautstark protestieren, scheint das wahrscheinlicher als bei militärischen Flügen. Oder, um es in den Worten von Heinz-Christian Strache im Jahr 2006 zu sagen: "In der Hercules können sie dann schreien und sich anurinieren. Da stört's dann niemanden."

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Werden in der Hercules die Menschenrechte gewahrt?

Natürlich, sagt das Ministerium. Immerhin fliegen Soldaten und sogar der Bundespräsident damit—mit dem kleinen Unterschied, dass sie es freiwillig machen. Zu sagen, dass Misshandlungen in Militärmaschinen wahrscheinlicher sind, wäre eine unfaire Vorverurteilung. Aber Menschenrechtsschutz ist nicht nur ein Thema für minder entwickelte Staaten und "Sozialromantiker".

Gerade Österreich, das sich bei Abschiebungen in der Vergangenheit Skandalöses erlaubt hat, sollte das Thema ernst nehmen. Auch deshalb muss seit 2011 ein Menschenrechtsbeobachter an der Abschiebung teilnehmen und danach einen Bericht darüber verfassen. Insofern sollte das "Anurinieren"-Argument keines mehr sein.

Und falls das dennoch der wirkliche Grund für die Abschiebung via Hercules-Maschinen ist, sollte das der Minister auch sagen. Das hätte den tollen Effekt, das wir diese politische Entscheidung wirklich diskutieren könnten. So weiß niemand—weder rechts noch links—wirklich genau, warum man 11 Personen in ein wuchtiges, 50 Jahre altes Militärtransportflugzeug mit 40 Begleitern steckt, wenn es offensichtlich billigere und einfachere Wege gibt, um nach Bulgarien zu kommen.

Christoph auf Twitter: @Schattleitner