Ich habe die letzten Tage mit "Ubisoft Porn" verbracht
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Ich habe die letzten Tage mit "Ubisoft Porn" verbracht

Die neuen Releases dieses AAA-Studios sind super—genau wie ihre Millionen Side-Quests und das sinnlose Sammeln von Items.

Der Begriff Porn hat in Zeiten von Food Porn und Shoe Porn ja des öfteren gar nichts mehr damit zu tun, gut ausgeleuchteten Menschen bei der gemeinsamen oder gegenseitigen Penetration zuzuschauen. Es geht einfach um das nächste überreizende, fanatische Level an optischer Obsession, egal welcher Objektkategorie oder visuellen Rubrik. Markus ist neulich sogar über den Subreddit Border Porn gestolpert, was mich zur Überzeugung bringt, dass manche Videospiele für mich eine ähnliche Geilheit auf Grafik mit sich gebracht haben wie bei diesen Leuten der Fetisch für Grenzübergänge. Ich habe mich die letzten Tage jede freie Minute vor die neuen Assassin's Creeds geklemmt und habe immer noch einen „Hidden Blade-Boner" davon.

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Ich sollte gleich vorausschicken—falls es jetzt gerade zu Verwirrungen kommen sollte—, dass es hier nicht um Kritik an Sexismus in Games geht, sondern mehr um meine ganz offene Verherrlichung beziehungsweise Verteidigung von Ubisoft und ihre aktuellen Spieletitel. Als ich nämlich gehört habe, dass Ubisofts Börsenanteile gefallen sind, weil der neugenerative Hoffnungsträger Assassin's Creed: Unity bei der Veröffentlichung letzte Woche nicht den erwarteten Start hingelegt hat, aktivierte sich mein Beschützerinstinkt. Auch wenn Watch Dogs dieses Jahr ein bisschen ein Reinfall war und die letzten Assassin's Creed-Teile eigenartige Identitätskrisen aufgewiesen haben, sollte man Ubisofts unterhaltungsmediale Kreativität bewundern und den Mut zu sympathisch verspielten Ausflügen in so ziemlich alle Spiele-Genres unter der Sonne.

Ich spreche von Ubisofts wunderschönen und liebevoll gemachten 2D-Exoten wie Valiant Hearts: The Great War, Cloudberry Kingdom, die Rayman-Reihe oder Child of Light mit der österreichischen Prinzessin.

Auch in den wiederkäuend oder monoton geschimpften Erfolgsreihen wie Assassin's Creed und Far Cry, gibt es innovative Spielmodi wie Finanz- bis Besitzverwaltung à la Die Fugger, traditionelle Brettspiele aus der ganzen Welt—ja, es gab Mühle in AC—, fast immer Poker, Tower Defense und das von mir immer wieder gerne zitierte Blood Dragon. Von den Mitarbeitern des Entwicklerstudios habe auch schon viele schräge und witzige Anekdoten gehört.

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Mein Kritikpunkt ist folgender: Die ersten Rezensenten lobten das neue Assassin's Creed: Rogue, den letztwöchigen Zwillings-Release für die alten Generationen PS3 und Xbox 360, bei weitem mehr als das fett beworbene Unity und bewiesen damit ein gewisses Trotzverhalten, was zum guten Ton der heutigen nonkonformistischen Gaming-Presse geworden zu sein scheint.

Tatsächlich ist Rogue einfach eine Weiterführung der bis dato herausgebrachten Handlungschronologie und Unity viel mehr ein feuchter, hochauflösender Traum für Fans der alten Assassinen-Schule, in einem Setting wie wir es uns seit Brotherhood wünschen—meine Lieblingsmission war bis jetzt „Stop the Austrians". Unity erzählt die Geschichte von Arno, der auch gut als Doppelgänger von Jake Gyllenhaal seine Livre verdienen könnte, und während der Französischen Revolution dem Club der Hoody tragenden Auftragsmörder beitritt.

Was die sogenannten Assassinen eigentlich moralisch erhabener macht als die bösen Templar, ist eine komplexe Frage, in deren Grauzonen sich die Handlung von Unity abspielt. Die Tatsache, dass du als Protagonist mit diesen Kapuzenjungs- und -mädels schon Jahrhunderte vor Batman auf Wasserspeiern herumklettern kannst, hat natürlich einen ganz besonderen Reiz. Gerade wenn man dabei in den Urversionen von Weltmetropolen auf zeitgeschichtlichen korrekt und detailliert nachempfundenen Bauwerken turnt.

Menschen, die sich bei solchen visuellen Megazuckerln dann auf Debatten rund um Framerates und kleine Gameplay-Änderungen gegenüber den Vorgängern einlassen, kann ich nicht ernst nehmen und nur als kleinlich bezeichnen. Es gibt sicherlich dort und da einen flackernden Schattenwurf, die toten Gegner tanzen manchmal Ragdoll und in Saint Chapelle hat das Spiel definitiv ein paar starke Durchhänger, ähnlich wie mein Bürorechner, wenn ich zehn Präsentationen gleichzeitig offen habe.

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Aber wie kann man bei ein paar technischen Mankos plötzlich den kreativ-logistischen Aufwand eines solchen Projekts so in den Hintergrund stellen. Diese Lichteffekte, Bauten und Menschenmassen habe ich bisher noch nie so organisch und fein inszeniert in einem Videospiel implementiert gesehen. Also nehmen wir unsere fetten, selbstgefälligen Erwartungen ein Stück zurück und fühlen uns von ein paar Makel nicht persönlich angegriffen. Einfach den R3-Joystick gedrückt halten und auf einem klaren, von störenden Anzeigen befreiten Bildschirm das pervers beeindruckende Paris im Umbruch des 18. Jahrhunderts erleben. Diesen das Spielerlebnis um einiges aufwertende HUD-Modus kann ich wirklich nur schwerstens empfehlen—kein Scherz.

Als sich der eloquent versaute Marquis de Sade dann vor meinem extra fesch eingekleideten Arno verneigt, bekomme ich Gänsehaut. Nicht nur weil ich meinen Protagonisten wie Prince in seiner Joker/Partyman-Phase angezogen habe, sondern auch weil der atheistische Tiersex-Philosoph mich mit einem „Why so serious?" verabschiedet.

Die Story ist echt raffiniert geschrieben und hat einige kleine Charaktermomente, die ziemlich sympathisch geworden sind. Darum verlangte es mir auch einiges an Überwindung ab—nicht nur weil ich schwer bekifft war—nach AC: Rogue zu greifen und meine bereits leicht angestaubte Xbox 360 zu starten. Das dröhnte übrigens ähnlich laut wie die Lüftung eines alten Mercedes.

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Rogue führt, wie gesagt, die alten Handlungsstränge vom schwachen dritten Teil und vom mit transsexuellen Piraten bevölkerten vierten Teil Black Flag weiter durch die geschlagenen Wellen des amerikanischen Sezessionskriegs. Der Ire Shay Patrick Cormacs mit seinem Goatie, dem in 1720ern chicen Engländerhass und einem sogar mir zu dicken Akzent sieht nach drei Tagen in der heutigen Konsolengeneration dann doch eher scheiße aus.

Aber das Auge hat sich nach wenigen Minuten auf die Grafik eingestellt, wie nach einem Tag in der Dunkelheit. Auch wenn ich vertieft im HiDef von Unity nicht die kleinste Sehnsucht nach Seeschlachten hatte, macht mir der War im Wasser plötzlich wieder großen Spaß, während über mir die Aurora Borealis den Weg leuchtet.

Schneestürme umwehen die nordamerikanischen Häfen und ich bemerke, dass ich auch in diesem Spiel am liebsten alle versteckten Schätze und Sammelwaren zusammensuchen würde. Die Rahmenhandlung mit dem Spieleentwickler, der diese historischen Kletterabenteuer kommerzialisiert, wird mit einem Animusvirus kombiniert und in ein Gleichnis für „die dunkle Seite der Macht" verwurstet. Während ich mit meinem Protagonisten die Küsten von Percé entlang laufe, denke ich mir: Fuck it, endlich sehen wir mal die andere Seite dieses Volksfestes für Verschwörungstheoretiker.

Die versteckte Schleichwerbung für Far Cry 3 in den Zwischensequenzen von Rogue ist nichts im Vergleich zur Frechheit in Unity Microtransactions zu implementieren. Was ich anfangs für einen genialen selbstreferenziellen Scherz hielt, stellt sich leider doch als plumpe Tatsache heraus. Man kann sich In-Game-Währung kaufen um gewisse Spieleigenschaften zu verbessern. Nach kurzer Entrüstung muss man aber auch hier wieder sagen: Es ist kein Problem bei diesem fairen und balanced Spiel diese „Boosts" komplett zu ignorieren. Auch wenn sie vermutlich einer der Hauptgründe für die Kritik an Unity waren.

Neben der mich Nächte lang wach haltenden optischen Sexyness bieten beide Creeds feinste Musikuntermalung, egal ob du das Orchester-Arrangement vom Spielemenü laufen hast oder in der zerbombten Bastille einem fernen Fiddler lauschst.

In Kombination mit Far Cry 4 verwandelten sich die letzten Tage in eine intensive Ménage à trois bestehend aus dem nun genug verherrlichten „Ubisoft Porn", aber mein tibetanisch-spiritueller Ausflug mit Sturmgewehr ist eine andere Geschichte.

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