FYI.

This story is over 5 years old.

GAMES

Games werden immer noch nicht als Kunst anerkannt und die Nazi-Zombies müssen es ausbaden

Deutschen Gremien ist es wichtig, dass in ,Zombie Army Trilogy' Nazi-Satire außen vor bleibt. Gemetzel sind aber OK.
Screenshot vom Autor

In Zeitlupe verlässt das Projektil die Mündung des russischen Scharfschützengewehrs Mosin-Nagant. Quasi über die Schulter der Kugel erblickt man das Ziel—eine untote Figur mit Stiefeln, Koppel, Stahlhelm und grinsendem Totenschädel darunter. Das Metall schlägt direkt in das Brustbein ein; gleichzeitig eröffnet sich eine Ansicht wie in einem MRT-Scanner wie Rippen serienweise brechen und das langsam pumpende, graugrün vor sich hin faulende Zombie-Herz vom Vollmantelgeschoß zerfetzt wird. Hurra! Und schon nehme ich den nächsten auf's Korn—das wird eine lange Nacht am Controller.

Anzeige

Der gerade erschienene Shooter Zombie Army Trilogy ist wie seine Vorgänger ziemlich kontrovers und seit der Veröffentlichung des Ur-Spiels Sniper Elite vor zehn Jahren, tobt eine lebhafte Diskussion quer über alle Medienkanäle. Die „unverhältnismäßige" Darstellung von Grausamkeit und Gekröse wurde von Jugendschützern und Moralwächtern sehr erfolgreich in den deutschen Fortsetzungen des Spiels bekämpft.

Umstritten ist Zombie Army Trilogy außerdem auch wegen einer rechtlichen Besonderheit im deutschsprachigen Raum. Ihr ahnt es schon, es geht wieder mal um das alte Nazi-Thema in Games. Auch wenn Publisher Rebellion—offensichtlich als Zugeständnis an den doch recht großen deutschen Games-Markt, der immer gerne Spiele verbietet—den Shooter nur noch Zombie Army, und nicht wie in den ersten beiden Teilen Nazi Zombie Army, nennt, ist in diesem neuen Teil die Überraschung über die Art und Weise der Zensur überaus groß.

Aufgrund der Eigenheiten des deutschen Jugendschutzes USK sowie des im Vergleich zu Österreich noch einmal strengeren deutschen Verbotsgesetzes wurde bei diesem Teil von Anfang an auf die Abbildung von Hakenkreuzen verzichtet. Selbst Hitler, den Anführer der Zombiehorde und Endboss, ziert jetzt eine Armbinde mit einem auf dem Kopf stehenden Pentagramm.

Was in den ersten beiden Teilen in Titel und Grafik ganz klar erkennbar war und erst für den deutschen Markt nachgebessert wurde, wird nun durchsichtig und—um de jure korrekt zu bleiben—maskiert. De facto hat sich an der Materie nichts geändert: Es gilt, untote Nazis und am Ende Hitler selbst möglichst pittoresk über den Haufen zu schießen. Ende der Geschichte.

Anzeige

Viel mehr kann ich in Sachen Game-Review nicht bieten und viel Substanz ist bei Zombie Army Trilogy auch beim besten Willen nicht zu finden. Gehen Sie weiter, außer Gedärm, Knochensplitter und Geschossfragmente gibt es hier nichts zu sehen!

Dennoch finde ich, dass hier ein guter Anlass geboten wird, die Diskussion rund um Naziverbote in Games wieder aufzunehmen. Das Studio Rebellion hat sich offensichtlich vorausschauend dem zu erwartenden Druck speziell der deutschen Vertriebspartner gebeugt und von Anfang an auf NS-Bildsprache verzichtet. Nach den letzten Kontroversen rund um Wolfenstein: The New Order und South Park: The Stick Of Truth den Grotesken rund um Indizierungsdrohungen, Grau-Importen und downloadbaren Cracks zur Sichtbarmachung der retuschierten problematischen Inhalte ist es auch mehr als verständlich, dass Rebellion es einfach komplett gelassen hat.

Ich könnte natürlich lapidar argumentieren, dass die Darstellung eines universell anerkannten Satanistensymbols anstatt der Nazi-Insignien einerseits Augenauswischerei und andererseits angesichts der ansonsten unübersehbaren Nazi-Bildsprache schon komplett wurscht ist. Das ist aber nicht der Punkt.

Es geht vielmehr darum, dass die Darstellung von nationalsozialistischen Symbolen in Deutschland und Österreich durch entsprechende Gesetze—vollkommen zurecht—verboten ist und nur in gewissen Ausnahmen gestattet ist, nämlich: der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens, der Geschichte oder für ähnliche Zwecke.

Anzeige

Filme zum Beispiel, wie die Klamotte Mein Führer oder der oscargekrönte Tarantino-Nazi-Western Inglourious Basterds, dürfen sich, weil Kunstform, problemlos in Originalkostümen, Flaggen und jeder erdenklichen Darstellung von Hakenkreuzen und Runen-S wälzen. Auch Walter Moers sensationelle Adolf-Comics, dank Erscheinung als Satire-Printmedium, sind voll von Hakenkreuzen.

Aber kaum geht es um Games, werden die Gesetzgeber schmallippig, da die Anerkennung von Games als Kunstform immer noch halbherzig oder gar nicht passiert. Damit das klar ist: Ich habe keinen Hakenkreuzfetisch oder bin scharf darauf, dauernd in politisch inkorrekten Shootern mit dem grauslichen Flair von Nazi-Symbolik überreizt zu werden—aber die scheinheilige Doppelmoral, mit der frei nach Huxley „Celluloid good, Bits & Bytes bad" klassifiziert wird, ist anachronistisch und ungerecht. Man stelle sich vor, Christoph Waltz hätte sich als Hans Landa mit einem Pentagramm auf der Armbinde durch den Film gegrinst und parliert. Lächerlich.

Trotz Teilnahmen an Filmfestivals, Symposien, einem dem Filmgeschäft ebenbürtigen Absatzmarkt und einer mittlerweile fast schon gleichmäßigen Durchdringung in allen sozialen- und Altersschichten sind also Games immer noch eine Unterhaltungsform zweiter Klasse. Kaum zu glauben, dass sich ausgerechnet aus einem so eindimensionalen und provokanten Nazi-Shooter wie Zombie Army Trilogy eine so ernüchternde und eigentlich alarmierende Moral zu ziehen lässt. Habt ihr schon einmal Filme wie Surf Nazis Must Die oder They Saved Hitler's Brain gesehen?!


Screenshots vom Autor