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Popkultur

Darf man über den Tod lachen, wenn ein Selfie-Stick involviert war?

Wir haben uns mit dem wohl modernsten aller moralischen Dilemmata auseinandergesetzt.

Foto: North Charleston | Flickr | CC BY-SA 2.0

Im Allgemeinen ist man sich einig: Der Tod ist etwas Schlechtes. Das ist eine der Hauptregeln des Lebens—das Ende ist nie schön. Der Funke, der durch deinen Körper jagt, erlischt. Der Blutfluss in deinen Adern kommt langsam zum Erliegen. Dein Körper wird zu einem leblosen Stück Fleisch. Und dann war es das: Man ist nicht mehr da, vom Wind fortgetragen, in der Erde begraben oder eingeäschert. Übrig bleiben nur Erinnerungen und familiäre Streitigkeiten darüber, wem jetzt dein Hab und Gut zusteht. Deine Seele wandert langsam in den Äther über und jeder ist sauer auf deinen Cousin, weil der irgendwelchen Porzellan-Tinnef kaputt gemacht hat, der bei einer Auktion vielleicht noch ein bisschen Geld gebracht hätte. Du bist tot und die Tränen sind so langsam getrocknet.

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Wie dem auch sei, jetzt gerade erfreust du dich bester Gesundheit und du schaust dir die Radieschen noch lange nicht von unten an. Alles ist gut, dir kann quasi nichts etwas anhaben. Der Tod wird dich verschonen. Du wirst niemals sterben. Andere Leute haben jedoch nicht so viel Glück wie du—zum Beispiel dieser eine Typ, der letztens in den Brecon Beacons aufgrund seines Selfie-Sticks vom Blitz getroffen wurde.

Einem Artikel des Telegraphs zufolge berichteten dem Rettungsteam nahestehende Quellen davon, dass ein metallener Selfie-Stick möglicherweise wie ein Blitzableiter gewirkt und die Elektrizität aus dem Himmel direkt in das Herz des Opfers gelenkt hat—was natürlich sofort zum Tod führte. Allerdings war laut den Nachforschungen von WalesOnline gar kein Selfie-Stick involviert. Man kann also nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, was wirklich passiert ist. Handelte es sich nun um einen zu wenig untersuchten Selfie-Stick-Todesfall oder ist der Typ ohne Einfluss eines Selfie-Sticks gestorben? Man wird es wohl nie genau herausfinden.

Zusammengefasst lässt sich Folgendes sagen: Ein Mann wurde vielleicht durch einen göttlichen Stromschlag getötet, weil er die Unverschämtheit besaß und ein Foto von sich selbst beim Besteigen eines Bergs gemacht hat.

Ziemlich knifflig, oder? Das Ganze ist an sich nämlich schon recht witzig. Die Realität ist für die Familie und die Freunde des Mannes jedoch alles andere als lustig, sie sind am Boden zerstört. Erinnert ihr euch noch an den Segway-Erfinder, der starb, weil er mit einem Segway eine Klippe hinunterstürzte? Einerseits ist das überhaupt nicht lustig, andererseits aber irgendwie schon. Apropos Klippen: Es gab auch mal ein Pärchen, das eine Klippe hinunterfiel, weil es ein Selfie machte und dabei kurzzeitig vergaß, dass es nicht gerade gesundheitsfördernd ist, eine Klippe hinunterzufallen. Und dann waren da noch die zwei Jungs, die im Januar im Ural-Gebirge starben, weil sie mit einer scharfen Granate in der Hand ein Selfie knipsten. Die Behörden konnten diesen Umstand nur herausfinden, weil das Handy trotz der tödlichen Explosion noch funktionierte. Auch das ist absolut nicht witzig, denn die Leben zweier junger Menschen mit Hoffnungen, Träumen und Potenzial wurden mit einem Schlag beendet.

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Bei all diesen Fällen gibt es definitiv ein moralisches Dilemma, denn dem Menschen wohnt ein gewisser Drang inne, über den Tod zu lachen—ihm ins Gesicht zu starren und „Haha, du Arschloch! Vor dir hab ich keine Angst! Oder zumindest versuche ich, nach einer durchzechten Nacht nicht zu sehr über dich nachzudenken!" zu sagen. Haben wir jetzt ein größeres Bedürfnis, über Tragödien zu lachen, weil wir dank unserer Smartphones, Selfie-Sticks und Social-Media-Plattformen inzwischen neue Möglichkeiten gefunden haben, ums Leben zu kommen?

So nach dem Motto „Wir können gegen die von uns selbst erfundenen Werkzeuge nicht bestehen! Wir haben unsere Welt so fortschrittlich gemacht, dass wir darin nicht mehr überleben können! Unser kollektiver Narzissmus bringt uns um! Selfie-Sticks und Segways sind eigentlich total gefährlich! Aber ich finde den Tod trotzdem schrecklich!"

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Menschen werden auch in Zukunft beim Schießen von Selfies sterben und es wird so auch immer schwerer zu bestimmen, wie wir uns in einem solchen Fall fühlen sollen. Sofortiges Vergnügen und Häme über das Konzept „Tod durch Selfie"? Oder doch eher Mitgefühl mit den Hinterbliebenen, die aufgrund des Selfies wirklich leiden? Das ist eine schwierige und unklare Abwägung. Zu sterben, während man ein Selfie macht, ist eine extrem moderne Art und Weise, über den Jordan zu gehen, und deshalb müssen wir uns wohl auch eine neue Möglichkeit der Trauer einfallen lassen, um damit klarzukommen. Eine Art weniger intensive, schuldgefühlfreie Trauer. Trauer mit schallendem Gelächter. Trauer, die sich an die Absurdität eines Todes anpasst, der durch einen Selfie-Stick hervorgerufen wurde.

Wenn du also das nächste Mal ein Selfie machst, dann sei dir auf jeden Fall der Tatsache bewusst, dass du jederzeit sterben könntest. Selfies sind eine Gefahr und müssen verboten werden. Selfies werden uns eines Tages irgendwie ins Grab bringen. Diese Generation ist quasi prädestiniert dafür, dass bei den Beerdigungen richtig gute—und verdammt echte—Eigenporträts aufgestellt werden.