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Serienbunker

Wir haben uns Gilmore Girls nach 10 Jahren noch einmal angesehen

Vor 10 jahren wurde Gilmore Girls zum ersten Mal ausgestrahlt. Das haben wir zum Anlass genommen, uns die Serie noch einmal anzusehen. Ein Serienmarathon voller witziger Dialoge und einer Überdosis Harmonie, die einen zum Kotzen bringen könnte.

Die Erstausstrahlung von Gilmore Girls im deutschsprachigen Raum liegt, genauso wie die von O.C., California,schon zehn lange Jahre zurück. Früher habe ich diese Serie geliebt und ständig mit meiner Mutter geschaut— manchmal haben wir uns schon ein bisschen gefühlt wie das für mich heute ziemlich nervtötende Mutter-Tochter-Gespann aus Stars Hollow.

Wir haben über jeden Scheiß gelacht, uns gleichzeitig über alle Nebendarsteller aufgeregt und bei allen Liebesgeschichten von Lorelai und Rory mitgefiebert, als wäre es unser eigenes Liebesleben, das mindestens zweimal pro Staffel auf dem Fernsehbildschirm gestorben ist. Da ich mir irgendwann in einem mir heute nicht mehr erklärlichen Wahn alle Staffeln gekauft habe, habe ich beschlossen, mir noch mal alle Folgen im Binge-Watching-Modus reinzuziehen.

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Die Serie beginnt damit, dass Rory die Zusage für eine Privatschule bekommt, die sich ihre alleinerziehende Mutter, die sich am liebsten selbst reden hört, nicht leisten kann. Die schnorrt dann widerwillig ihre reichen Eltern an, die ihr letztendlich auch ihre finanzielle Unterstützung zusichern. Voraussetzung ist jedoch, dass Lorelai und Rory jeden Freitag zum Abendessen vorbeikommen.

Hier beginnt ein wichtiger Fixpunkt der Serie, der sich durch alle sieben Staffeln zieht und mir den ein oder anderen Nerv geraubt hat. Die freitäglichen Abendessen bei den alten Gilmores bestehen eigentlich nur aus Dienstmädchen-Mobbing und Sticheleien von Emily, die damals in Dirty Dancing als Mutter von Baby ziemlich scharf war aber jetzt, hundert Jahre später, sogar auf der Couch ein schwarzes Kostüm trägt und ihrer Tochter immer noch vorhält, dass sie mit 16 schwanger wurde, obwohl sie ihr Leben gut im Griff hat. Bitte find dich endlich damit ab, Emily.

Der erbitterte Kampf mit ihren reichen Eltern langweilt mich schon nach der ersten Staffel und die meisten von Lorelais Witzen sind beim Re-Watching auch nur noch halb so lustig, obwohl man sagen muss, dass die vielen Film- und Musikanspielungen immer noch sehr gut sind. Eine meiner Lieblingsfolgen ist ja die, in der die Band KORN in das Haus von Lorelais Großmutter einzieht.

Lorelai hat sich im zarten Alter von 16 Jahren auf dem Balkon ihres Elternhauses von ihrem damaligen Freund Christopher schwängern lassen. Was dabei herausgekommen ist, ist ihre Tochter Rory—eine ziemlich intelligente Musterschülerin, die ihren guten aber oft nervigen Sinn für Humor eindeutig von ihrer Mutter geerbt hat. Die beiden sind unzertrennlich, ihre Gespräche bestehen nur aus Gags, Gags, Gags und Rory ist eigentlich ein ziemlich perfekter Klon von Lorelai. Wenn sie sich dann manchmal doch streiten, bin ich fast ein bisschen erleichtert und froh, dass auch sie die typischen Mutter-Tochter-Probleme haben und sich nach allen Regeln der Kunst anzicken.

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Zu Beginn der ersten Staffel ist Rory 16, also in der Blütezeit ihrer Pubertät. Ihr erster Freund heißt Dean und ich habe ihn vom ersten Augenblick an abgrundtief gehasst. Er ist die langweiligste Person der Welt und er hat dieselbe Mittelscheitel-Frisur wie Nick Carter in der Anfangszeit der Backstreet Boys. Erst als Jess, der Neffe von Luke, in dessen abgeranztem Diner Lorelai und Rory täglich abhängen, in Stars Hollow und Rorys Leben auftaucht, war ich glücklich.

Jess trägt permanent eine Lederjacke und strapaziert das Bad Boy-Ding eindeutig über, ist aber einfach heiß und mit dem beschissenen Dean als Vorgänger gleich noch viel attraktiver als sowieso schon. Dass Rory überhaupt eine Sekunde überlegen musste, ob sie mit ihm zusammen sein möchte, verstehe ich bis heute nicht. Nicht mal der reiche und gutaussehende Logan, mit dem Rory später zu ihrer Studienzeit zusammenkommt, kann in meiner Welt mit Jess mithalten, obwohl blonde Männer in mir eigentlich meist erfreuliche Wikinger-Phantasien hervorrufen.

Rorys beste Freundin ist die Koreanerin Lane, die man einfach nur lieben kann. Obwohl ihre Mutter streng religiös ist, verfolgt sie ihren Rock'n'Roll-Traum und wird schließlich Drummerin in einer Band, nachdem sie ein hartes Teenager-Dasein fristen musste, in dem sie ihre Punk-CDs unter einer hohlen Diele ihres Fußbodens vor ihrer diktatorisch anmutenden Mutter versteckt hat und unter ihrem Jesus-liebt-mich-Shirt immer eines mit dem Ramones-Logo getragen hat.

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Das Liebesleben von Lorelai ist ähnlich schlimm wie das ihrer Tochter. Sie hat während der Serie verschiedene Männer, doch als Zuseher weiß man schon von Anfang an, dass sie früher oder später mit dem griesgrämigen Luke zusammenkommen wird—und zwar nicht nur, weil sie dann ihre Koffeinsucht bis an ihr Lebensende gratis stillen kann. Letzten Endes finden die beiden nach vielen Irrungen und Wirrungen zusammen, was mir irgendwie den Glauben an die wahre TV-Liebe zurückgegeben hat. Luke mochte ich eigentlich von Anfang an sehr gern. Er ist verschroben, stur und manchmal ein bisschen asozial—die perfekten Voraussetzungen für einen Lokalbesitzer.

Er trägt immer ein kariertes Flanellhemd und ein Cap, und wenn er es zu besonderen Anlässen ausnahmsweise mal nicht trägt und man seine etwas schüttere Haarpracht sieht, erkennt man ihn fast nicht wieder. Lorelais beste Freundin ist Sookie St. James, eine quirlige und wirklich liebenswerte Köchin und ihre spätere Geschäftspartnerin, als die beiden gemeinsam ein Hotel eröffnen. Sookie wird von Melissa McCarthy gespielt, die als einzige aus dem Gilmore Girls Cast den Sprung geschafft hat und mittlerweile so gut wie im amerikanischen Comedy-Olymp angekommen ist.

Meine Haupt-Assoziation mit Gilmore Girls sind aber eigentlich nicht Lorelai und Rory als Personen, sondern die ständige "La La—La La"-Melodie, die viel zu oft im Hintergrund zu hören ist—nein, eigentlich permanent. Egal ob am Ende einer Szene oder als Kulisse zum Spaziergang durch Stars Hollow, man hört immer eine an die jeweilige Stimmung angepasste Variation der "La La—La La"-Melodie, als würden einen die Serienmacher damit hypnotisieren oder den Blutdruck senken wollen.

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Meine Lieblingsfigur ist neben Lederjacken-Jess der absolut wahnsinnige Sidekick Kirk. Kirk hat in jeder einzelnen Folge einen anderen Job und ist einfach nur verrückt. Einmal ist er Makler, einmal Vertreter von Hautcremes und einmal Pantomime—er kann einfach alles ein bisschen, aber nichts so richtig. Andere Nebenfiguren, die des Öfteren auftauchen sind die übergewichtige Tanzschulbesitzerin Miss Patty, über die ich mich heute noch frage, wie sie mit ihrem Körpervolumen Ballettunterricht geben kann, die irre Katzenlady und Nachbarin Babette und Stadtrat, Supermarktbesitzer und Klugscheißer vom Dienst Taylor Doose, dessen Lebensaufgabe es ist, anderen das Leben schwer zu machen und lächerliche Events zu veranstalten.

Überhaupt ist eines der wichtigsten Dinge in Stars Hollow die Gemeinschaft der Einwohner. Es gibt jede Woche eine Stadtsitzung, in der jeder kleine Scheiß, den irgendein Einwohner macht, besprochen und einem als Zuseher zum erneuten Mal reingedrückt wird, wie gut sich im Grunde dort alle verstehen. Rory wird von allen wie ein Superstar behandelt und generell hat sich die ganze Stadt einfach nur lieb. Das Kleinstadt-Klischee der Nachbarn, die alles voneinander wissen und eigentlich mehr eine große Familie als alles andere sind, wird hier so überbeansprucht, dass einem die ganze Harmonie irgendwann zu viel wird und man sich einen Hurricane oder Amoklauf à la Grey's Anatomy-Staffelfinale nach Stars Hollow wünscht.

Als ich begonnen habe, mir Gilmore Girls wieder anzusehen, habe ich wirklich zu schätzen gelernt, dass es keine typische Familienserie mit Mutter-Vater-Kind-Modell ist und solche traditionellen Rollenaufteilungen hier keine Rolle spielen. Das Problem ist aber, dass Gilmore Girls nicht einmal in Ansätzen auf irgendeine Weise spannend ist. Höchstens die eine Folge pro Staffel, in der sich das Liebesglück von Rory oder Lorelai entscheidet und die letzte Folge der finalen Staffel schaffen es ein bisschen, mich zu fesseln. Ich finde wiederkehrende Muster in einer Serie ja gut—sie sind für mich Orientierungspunkt und man lernt die Rituale der Serienfiguren irgendwann lieben. In Gilmore Girls werden diese Rituale und Handlungsmuster für meinen Geschmack jedoch überstrapaziert.

Genau so wie O.C. ist Gilmore Girls eine Serie, bei der man nicht unbedingt dran bleiben muss, um alle Zusammenhänge zu verstehen—was gut ist, denn Binge Watching geht in meinem Fall einher mit vielen kleinen Schläfchen, Telefonaten und Ausflügen auf Instagram und Tinder. Die Figuren verändern sich in sieben Staffeln kein Bisschen, sondern werden einfach nur älter. Gefangen in der Kleinstadt-Idylle und einer schleichenden Handlung wird die Serie einfach irgendwann mühsam. Ich wundere mich, dass mit so wenig Inhalt überhaupt sieben Staffeln produziert werden konnten.

Bei Gilmore Girls bleiben die wirklich großen Dramen aus. Vielleicht ist das der Grund, wieso ich diese Serie nach Dingen wie Gossip Girl, wo die Figuren mit Dramen nur so um sich schlagen, uninteressant finde. Ein guter Binge-Watching-Marathon war es trotzdem, denn es muss ja auch nicht jede Serie vor Komplexität und Intrigen strotzen. Wahrscheinlich ist das einfach das Leben—manchmal ereignislos, manchmal beschissen, manchmal extrem lustig. Gilmore Girls ist wie die Großtante, an die man sich nur verschwommen erinnert, weil man sie als kleines Kind einmal gesehen hat. Irgendwie verschroben und aus der Ferne amüsant, wenn man sie dann aber doch noch einmal sieht, ist sie auch nur eine langweilige alte Frau, die ihre besten Zeiten schon hinter sich hat.