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Motherboard

Für diese gnadenlosen Touristen ist die Welt nicht genug

„Dieses spektakuläre Naturereignis verdient nicht mal zwei Punkte."
Bild: chaoss | Shutterstock.com | Montage: VICE

Der gemeine Tourist ist nicht leicht zufrieden zu stellen. Statt sich bei seinen globalen Abenteuern genügsam auf ein buddhistisches Meditationskissen zu betten, besinnt er sich nur allzur oft auf eine seiner größten Tugenden: Jammern. An der digitalen Reise-Bewertungsfront lässt er dann gerne ein bisschen Dampf ab, wenn er im Urlaub nicht alles so vorfindet, wie er es sich erhofft hatte.

Da ein Weltenbummler aber nun mal gerne fremde Länder erkundet, kommt auf Rating-Portalen wie Tripadvisor einiges an Nörgeleien zusammen. Eine längere Durchsicht der hinterlassenen Bewertungen offenbart dabei die höchsten Güter von Touristen: ein passendes Preis-Leistungs-Verhältnis (Geiz ist auch beim Spektakel geil), kurze Wartezeiten und eine möglichst geringe Menge an sonstigen Touristen beim Besuch der Highlights dieser Welt.

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Ein richtiger Scheißurlaub und das nur wegen unzureichender Warnschilder!

Eine kleine Reise in die Tripadvisor-Spalten dieser Welt offenbart, dass manche Touristen auch noch deutlich spektakulärere Ansprüche hegen:

Taj Mahal—Agra, Indien

Taj Mahal. Bild: Wikimedia, Subhrajyoti | CC BY-SA 3.0 / Montage: VICE

Ein Berliner Indientourist fasst die Unzulänglichkeiten des schneeweißen Grabmals gekonnt zusammen:

„Enttäuschend—völlig überbewertet". Solch eine Beurteilung kommt leicht von den Lippen und kann eigentlich jede Sehenswürdigkeit mit einem kalten Faustschlag andonnern. Doch im Gegensatz zu anderen passionierten Motzern, begründet diese Person ihren Unmut noch mit eleganten Worten:

„Das Gebäude ist zwar schön, aber alles ist überfüllt mit Touristen und Einheimischen, die dein Geld haben wollen, dass es schwierig ist, irgendwas daran zu genießen, vor allem, wenn du es schon Millionen mal auf Postkarten gesehen hast."

Touristen scheuen Sehenswürdigkeiten normalerweise ja wie der Teufel das Weihwasser—die Info ist also hilfreich und berechtigt. Obwohl das Taj Mahal eines der Sieben Weltwunder der Neuzeit ist, wundert es schon sehr, wenn irgendwelche findigen Kleinunternehmer (womöglich auch noch illegal) damit Geld verdienen wollen.

Akropolis—Athen, Griechenland

Akropolis. Bild: Wikimedia, Dzenanz | Public Domain | Montage: VICE

„Sehr enttäuscht" schreibt ein Reisender, diesmal über die Akropolis. Wie gesagt, enttäuscht geht immer. Aber es ist natürlich auch eine bodenlose Frechheit, wenn ein auf einem Hügel befindliches antikes Bauwerk nicht über einen Treppenlift zu erreichen ist.

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„Der einzige Zugang zum Plateau erfolgt über steile ungesicherte Stufen ohne Möglichkeit zum Festhalten. Das erfährt man leider erst, nachdem man den stattlichen Eintritt von 12 Euro schon bezahlt hat." Auch die Griechen machen sich also den alten Finanztrick der Katze im Sack zunutze. Erst zahlen, dann die bröckelige Architektur präsentieren, das wäre bei der antiken Hochkultur damals nicht passiert.

Auch haben die Akropolis-Verwalter vergessen, das Schild mit der Aufschrift „Obacht Hügel" für alle sichtbar anzubringen. „Nur für absolut Schwindelfreie geeignet. Im Gedränge ist der Aufstieg höchst riskant. Als ich dort war, gab es einen Unfall. Ich bin von der Antike fasziniert und war wegen der miserablen Organisation sehr frustriert."

Ein richtiger Scheißurlaub und das nur wegen unzureichender Warnschilder! Mist!

Schloss Schönbrunn—Wien, Österreich

Schloss Schönbrunn. Bild: chaoss / Shutterstock.com

Als Tourist im Wiener Schloss Schönbrunn mit vielen weiteren Touristen rechnen zu müssen, ist natürlich eine Zumutung. „Schlangestehen für 10 Minuten am Selbstbedienungsautomaten—die Warteschlangen für Tickets vom Schalter waren sogar noch länger!" Klar, das geht halt wirklich nicht. Dieser Besucher aus Großbritannien hätte wohl lieber eine Privataudienz gebucht, fände er nicht auch noch die Eintrittspreise frech-überteuert.

Ein anderer Gast aus Japan hat zwar nichts an längeren Wartezeiten oder unmenschlichen Preisen auszusetzen, aber dafür umso mehr an der ganzen Bruchbude selbst. „Bedeutet baufällig ,historisch'?" betitelt sie ihr Review und schreibt weiter: „Total enttäuscht! Im Inneren des Palastes sind Möbel und Gemälde. Die Möbel sind nicht luxuriös, sondern sogar abbruchreif." Dass die Sissi ihre Möbel nicht beim nächsten Interio Möbelhaus gekauft hat, sollte man eben klar ersichtlich ausweisen, damit es nicht zu solchen Missverständnissen kommt. Da hat eindeutig das Musuemspersonal Schuld.

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Sagrada Familia—Barcelona, Spanien

Sagrada Familia. Bild: Wikipedia | CC BY 2.5 / Montage: VICE

Dieses Bauwerk ist in seiner unendlichen Entstehungsgeschichte die direkte Konkurrenz zum Berliner Flughafen. Nur, hier jammert keiner, sondern die Sagrada Familia wird uns auch noch als Sehenswürdigkeit verkauft.

Wie wärs, wenn wir den Flughafen auch in die angesagten Berlinführer aufnehmen und überteuerte Flughafenführungen anbieten, um die Finanzierung von Licht-, Sprenkelanlage und Landebahnen ein wenig anzukurbeln? Vielleicht würde dann sogar der arbeitslose Ex-Bürgermeister Wowereit die Verantwortung für das touristische Spaßobjekt übernehmen und die Baustelle mit einem Riesenrave aus den roten Zahlen holen.

Nicht einmal schön muss eine Sehenswürdigkeit aussehen, um erfolgreich abgefeiert zu werden. Dieser Tourist zieht über die Gaudi-Kirche eine vernichtende Bilanz:

„Unglaublich hässlich und kalt. Gaudi hin, Gaudi her, Kunst ist Geschmacksache und die Sagrada Familia wirkte auf mich kalt, diabolisch, dämonenhaft. Nicht nachzuvollziehen dass man Millionen ausgibt um so etwas zu bauen. Böses Wort aber es fällt mir dazu ein: Entartete Kunst!"

Das musste mal gesagt werden. Diese pastorale Baustelle hat ihr Ansehen nicht verdient. Nicht einmal die Japaner und Amerikaner lassen sich von dem diabolischen Machwerk abschrecken. Sie lassen den anderen Touristen überhaupt keinen Platz zum Schauen, wie diese Dame richtig erkennt:

„Menschenmassen aus aller Herren Länder. Die meist besuchte Baustelle der Welt, völlig überbewertet, wir haben es uns geschenkt, mit Horden von Japanern, Amerikanern in dieses Gemäuer zu gehen."

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Die Sagrada Familia ist das Hassobjekt deutscher Barcelona-Besucher. Hier können sie ihren Frust über den ungeliebten Nachbarn in Duisburg Meiderich einfach mal so richtig rauslassen.

Was muss der Gaudi nur für ein schlechter Mensch gewesen sein, das hätte der 12-jährige Sohn meiner Cousine dritten Grades genauso zusammen basteln können, urteilt auch eine Münchenerin:

„Hässlicher Stilmix. Als großer Fan englischer Kathedralen habe ich mir die Sagrada Familia nicht entgehen lassen können, wurde aber bitter enttäuscht: Selten so ein geschmackloses Mischmasch verschiedener Stile gesehen. Fand aber auch alle anderen Gaudi-Werke recht bescheiden…"

Markusplatz—Venedig, Italien

Markusplatz. Bild: Pixabay, Strecosa | Public Domain / Montage: VICE

Was soll man schon in Venedig?! Eine Stadt, die bald in ihren eigenen Straßen versinken wird, ist einen Besuch nicht wert. Und so kann auch der berühmte Markusplatz im Ranking keinen Vogel abschießen (obwohl es ja genug Tauben dafür gäbe).

„Wir können nicht verstehen warum dieser Platz so angepriesen wird. Es laufen viele Afrikaner herum, die Kopien von Handtaschen verkaufen wollen. Inder drücken einem pausenlos Rosen in die Hand und man muss aggressiv werden, damit sie nicht wieder kommen. Zudem verkaufen die Inder sinnloses Lichtspielzeug, was sie pausenlos in die Luft feuern. Links und rechts des Platzes alles überteuert und keine Qualität."

Colosseum—Rom, Italien

Colosseum. Bild: Wikimedia, Martin Falbisoner | CC BY-SA 3.0 / Montage: VICE

Das Colosseum ist nicht nur hoffnungslos überfüllt, es ist auch noch kaputt. Doch zum Glück gibt es eine Hauptstraße, die direkt vor dieser unansprechend präsentierten antiken Kulisse vorbeiführt.

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Der praktische Tipp aus Böblingen:

„Mehr Schein als Sein! Im TV sieht alle besser als in der Realität aus. Die fahrt mit Auto am Colosseum vorbei reicht vollkommen aus."

KZ-GEDENKSTÄTTE—MAUTHAUSEN, ÖSTERREICH

Mauthausen Memorial. Bild: chaoss / Shutterstock.com

Während das Colosseum den einen zu kaputt ist, finden andere wiederum, dass das Mauthausen Memorial viel zu schön und viel zu sauber ist. Wem ist die absurde Idee, eine Gedenkstätte halbwegs instandzuhalten, wieder eingefallen? Absolut enttäuschend: „Es sind jetzt alle Barracken renoviert, sehen ähnlich aus, wie Ikea-Produkte. Der berühmte Erschießungsraum ist völlig erneuert und sieht aus wie ein normales Badezimmer in einem normalen Haus."

Ob diesem Besucher lieber gewesen wäre, durch ein Mauthausen vor 70 Jahren zu spazieren? „Die Stätte ist so sauber, dass man ein Familienpicknick machen könnte, wenn man nicht wüsste, was hier passiert ist. Die Ausstellungen sind sehr verhalten und uninformativ. Ich bin mir sicher, dass die Schulkinder rein gar nichts von dem Besuch hier mitnehmen. Der Horror des Krieges muss den Kindern auch als Horror übermittelt werden." Warum auch nicht, solange genug Geld für die anschließende Behandlung beim Psychotherapeuten vorhanden ist.

 Grand Canyon, USA

Grand Canyon. Bild: Pixabay,werner22brigitte | Public Domain / Montage: VICE

Nein, nein, nein. So geht es nicht. Der Grand Canyon an sich ist ja schon echt toll, aber das mit den vielen Menschen dort, das macht einfach keinen Spaß. Haben die etwa diese Amis am Frühstückstisch belauscht und ihnen die tolle Ausflugsidee gestohlen? Was ist nur los mit dieser Welt…

„Ich bewerte hier das "Erlebnis Grand Canyon". Und das ist schlichtweg eine Katastrophe, verdient kaum noch die zwei Punkte. Jeder gute Viewpoint ist massiv überlaufen, auch außerhalb der Saison. Hunderte von Menschen quälen sich aneinander vorbei, auf jedem Foto vor der traumhaften Kulisse sind mehr Touristen als Felsen zu sehen. Selbst die Wanderung ins Tal hinein trauen sich inzwischen anscheinend auch Familien mit mehreren Kinderwagen zu. Von einem traumhaften Naturerlebnis kann hier also keine Rede mehr sein, keinen Moment ist man allein."