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Popkultur

Sylvester Stallone muss endlich einen Oscar bekommen

Er hat manchmal ins Klo gegriffen, aber andere Male auch direkt in unsere Herzen: Sly Stallone muss dieses Jahr den Academy Award bekommen.

Foto: Scott D Welch| Flickr | CC BY 2.0

Knapp über 40 Jahre ist es her, dass der italienischstämmige No-Name-Actor Sylvester Stallone inspiriert durch den Boxkampf Wepner-Ali in nicht Mal vier Tagen das Script zu Rocky rausgehauen hat. Mit extremer Sturheit und eisernem Willen schaffte er es dann, ein Major-Studio zur Produktion zu überreden.

Was jedem Greenhorn schon zur Ehre gereicht hätte, war ihm nicht genug: Er bestand auch auf die Hauptrolle, die dem Vernehmen nach durchaus von einem damaligen A-List-Star wie Burt Reynolds oder Robert Redford gespielt werden sollte. Stallone setzte sich in seinem riskanten Poker durch und der Rest ist Geschichte.

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Dieses Jahr ist er für einen Oscar nominiert. Nicht als Produzent, nicht als Drehbuchautor, sondern tatsächlich den Nebenrollen-Oscar für sein Schauspiel in Creed, quasi dem siebten Teil der Rocky-Saga. Gut, man kann natürlich sagen, dass Tom Hardy ihn für seinen Part in The Revenant mehr verdient hätte. Oder Mark Rylance in Bridge of Spies. Und das mit Recht. Ich bin aber trotzdem der Meinung, man sollte dem bald 70-jährigen Megastar die kleine Goldfigur in die Hand drücken. Und hier sind meine Gründe dafür.

„Das ist blaues Licht."

Siehst du? Wahrscheinlich konntest du wie zirka 95 Prozent der Bevölkerung diesen wunderbaren Dialog von fast Haiku-artiger Schönheit vervollständigen. Weltkulturerbe. (Falls du es nicht wusstest, lebst du wahrscheinlich unter einem Stein. Geh und schau dir Rambo III an.)

Er hätte ihn für andere Schauspielleistungen schon längst verdient

Das Oberliga-Debüt Rocky wurde für 10 Oscars nominiert, darunter eben Stallone in der Hauptrolle. Verloren hat er gegen Peter Finch in Network, der den Oscar übrigens posthum bekam. Für mich im Nachhinein eine fragwürdige Entscheidung, denn kaum jemand außer Film-Nerds und Publizistikstudenten kennt heute Network, wohingegen der Einfluss von Rocky auf Pop- und Filmkultur unbestreitbar ist.

Darüber hinaus ist die wirklich bemerkenswerte Leistung von Stallone als blutiger Anfänger weit über das routinierte Schauspiel eines arrivierten Schauspielers zu stellen, wenn es um Auszeichnungen geht. Ich will nicht sagen, dass man Stallone den Oscar aus nachträglichem Respekt für Finch gestohlen hat, aber eine so eindeutige Sache wie Jahrzehnte später bei Heath Ledger war es sicher nicht.

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Komplett ignoriert wird oft auch seine Darstellung des Rambo im ersten Teil der Reihe (und nur im ersten Teil). Die Rolle des Vietnamveteranen, der von Verschlossenheit und Unsicherheit zur Kampfmaschine mutiert und dann wieder komplett zusammenbricht, wird angesichts der vielen Action und der unsäglichen Fortsetzungen oft etwas kleingeredet. Tatsächlich aber kommt für mich sein Spiel als Vietnam-Geschädigter gleich nach Christopher Walken in The Deer Hunter.

Und warum er in Cop Land komplett übersehen wurde, verstehe ich bis heute nicht. Immerhin ließ er sich in diesem Film von absoluten Schwergewichten wie Robert De Niro und Harvey Keitel nicht an die Wand spielen, ganz im Gegenteil.

Foto: Ingrid Richter| Flickr | CC BY 2.0

Planet Hollywood

1991 schien die Heilige Dreifaltigkeit des damaligen Actionkinos—Stallone, Schwarzenegger, Willis—mit der Gründung der Planet Hollywod-Kette eine ähnlich erfolgreiche Themen-Franchiseerfolgsgeschichte zu starten wie einst das Hard Rock Cafe. Heute sind von den Mitte der 90er über 100 weltweiten Locations nur noch acht übrig. War wohl nix. Dennoch: wer als Filmfreak wie ich einmal in den Genuss gekommen ist, an einem Tisch direkt unter dem Schaukasten mit dem Originalküchenmesser aus The Shining einen wirklich vorzüglichen Chicken Caesar Salat zu verspachteln, wird diesen Nerdgasm nie vergessen. Nie.

Er hat das Beste aus seinen Möglichkeiten gemacht

Für jemanden, der aufgrund einer Geburtsverletzung praktisch keine Kontrolle über die linke untere Hälfte seines Gesichts hat, ist sein Mienenspiel geradezu famos. Es gibt genügend gesunde Schauspieler, die trotz Ausbildung nicht an solche Darstellungen herankommen. Übrigens hat ein ähnliches Handicap auch Forest Whitaker nicht daran gehindert, einen Oscar zu gewinnen. Und dessen Rollen waren auch oft sehr durchwachsen *hustBattlefieldEarthhust*.

Foto: Ingrid Richter | Flickr | CC BY 2.0

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Sein Beitrag zur Popkultur ist gewaltig

Das mag jetzt nicht unbedingt seine Auszeichnung als bester Nebendarsteller rechtfertigen, aber vielleicht auch ein paar andere Gelegenheiten kompensieren, bei denen er nicht oder kaum gewürdigte wurde. Er wurde zwar für das Drehbuch von Rocky nominiert, ging aber ebenso leer aus. Mit seinen Fortsetzungen zu Rocky—fast überall auch als Drehbuchschreiber, Regisseur und Hauptdarsteller—prägte er die Art, wie Sport-Action produziert wird. Rambo (nochmals: nur der erste Teil) stieß eine wichtige Debatte zum Thema der Behandlung traumatisierter Kriegsheimkehrer an, die schließlich zu einer langen Reihe ähnlich hervorragender Filme wie Platoon oder Full Metal Jacket führte.

Seine Darstellungen des einsilbigen, muskelbepackten Actionhelden lieferte gemeinsam mit den Schwarzenegger-Streifen in den 80ern die Blaupause zu allen nachfolgenden Ballerfilmen und letztlich auch den grundlegenden Mechaniken von First-Person-Shootern. Bis hin zur humorvollen Demontage des Genres in seiner Expendables-Reihe, die mit ihrer Starbesetzung an ebensolchen in die Jahre gekommener Actionstars ganz großes Kino in der Disziplin Selbstironie feiert. Ein Vorhaben, mit dem Schwarzenegger Anfang der 90er in Last Action Hero noch vollkommen baden ging.

Er ist verdammt noch mal Sylvester Stallone

Jeder Mensch mit Namen wie Adrian oder Ariane kann sicher ein Lied davon singen, wie oft der eigene Name schon zu diversen Anlässen mit verzogenen Mundwinkeln geschrien oder mit Sly-Memes illustriert wurde. Auch Zitate aus diversen Stallone-Streifen zaubern uns zu praktisch allen Lebenslagen ein Lächeln ins Gesicht. Und letztlich hat er einer ganzen Generation an Halbstarken in den 80ern nicht nur lange Stunden der Ödnis in den Bundesheer-Kasernen mit seinen Actionflicks auf VHS verkürzt, sondern auch durch seine durchaus beeindruckende Physis zu Bodybuilding ermuntert. Oder zumindest zu dem ernsthaften Vorhaben, es theoretisch irgendwann mal für möglich zu halten, Bodybuilding zu versuchen. Der Punkt ist: Sly ist Pop und gleich nach Schwarzenegger die wichtigste Actionfigur der letzten drei, vier Jahrzehnte.

Foto: 2 TOP| Flickr | CC BY 2.0

Sein Spiel in Creed

Trotz all meiner innigen Beteuerungen darf man nicht übersehen, warum er dieses Jahr nominiert wurde. Seine geniale, wenn auch minimalistische Darstellung des alten, müden Ex-Champs ist insofern beachtlich, als er sich in „seinem" Franchise ziemlich weit zurücknimmt, um dem eigentlichen Hauptdarsteller Platz zu lassen, ihm (als Schauspieler genauso wie im Plot) nur dezent zur Seite steht und sogar die ikonischen Szenen, wie die Rocky Steps, nicht für dummen Pathos missbraucht. Es ist ein würdiger Abgang aus dem Rocky-Universum und weil wir alle keine Hüte mehr zum Ziehen haben, sollten wir zumindest mit Statuen nach ihm werfen.

Natürlich gibt es Dutzende Gründe, warum man Sly genauso gut mit einem Lebenswerk-Razzie oder Oscar-Verbot belegen könnte, schon klar. Staying Alive, Tango & Cash, Oscar, Stop! Oder meine Mami schießt und etliche andere wirklich schlechte Filme braucht man gar nicht schönreden. Aber wie gesagt, auch der eingangs erwähnte Forest Whitaker hatte seine Auslasser.

Und ganz im Ernst, Leute: Halle Berry in Catwoman. Ben Affleck. Sandra Bullock. Kevin Costner. Alles mehr oder weniger stolze Razzie-Preisträger, die trotzdem bei Gelegenheit die Academy überzeugen konnten. Also, Academy, gebt eurem Herzen einen Ruck. Gebt Stallone den Oscar. Und Leo auch. Und dann lehnen wir uns mit Popcorn zurück und sehen zu, wie das Internet kollabiert.