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In Zürich löst „verdächtiges Verhalten" Grosseinsätze der Polizei aus

Polizisten der Spezialeinheit rückten aus, weil sich gestern ein Mann vor einer jüdischen Schule „verdächtig" verhielt.
Titelfoto von Thomas8047

Heute Morgen war in meinem Zürich fast alles wie immer. Auf dem Weg zur Arbeit ärgerte ich mich über die lange Wartezeit an der Bushaltestelle, holte mir beim Grosshändler meines Halbvertrauens ein Gipfeli und kam fünf Minuten später als geplant im Büro an—so weit, so alltäglich. Nur das Display meines Smartphones verriet mir, dass heute eben doch nicht alles so ist wie an anderen Tagen: Eine jüdische Schule, die gut zehn Minuten Gehdistanz von meiner WG an der Langstrasse entfernt liegt, wurde von der Polizei gesichert.

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Mit Maschinenpistolen bewaffnete Beamte sperrten zusammen mit Einsatzkräften der Spezialeinheit die Schule und die davor liegende Strasse ab. Ich vermutete eine Amok- oder Bombendrohung. Auf jeden Fall etwas, das Tote nach sich ziehen könnte. Etwas schlimmes. Wieso sonst sollte die Polizei einen derartigen Grosseinsatz in Gang setzen?

Ja, ich dachte auch an islamistischen Terror. Schliesslich sind die Anschläge in Paris gerade erst einen Monat alt und schon damals vermuteten einige einen antisemitischen Hintergrund. Seither lesen wir auf News-Portalen fast täglich von neuen Gefahren. Davon, dass wieder mutmassliche Terroristen festgenommen wurden. Dass in Genf erhöhte Terrorwarnstufe herrscht.

Was an diesen Berichten dran ist, ob die Festgenommenen wirklich alles zukünftige Terroristen sind, kann ich nicht einschätzen. Doch ich merke, wie die Berichte meine Gedanken beeinflussen. Ich habe zwar keine Angst, doch denke ich bei Ereignissen wie heute Morgen eben auch an islamistischen Terror.

Bei der jüdischen Schule in Zürich war aber wohl kein kurz bevorstehender Terrorakt Auslöser für den Grosseinsatz. Wie die Polizei in einer Medienmitteilung schreibt, hielt sich gestern eine „verdächtige Person" vor der Schule auf. Zudem sei ein verdächtiges Fahrzeug mit belgischem Kennzeichen mehrmals an der Schule vorbeigefahren—was an den Personen verdächtig war, möchte die Polizei aber nicht sagen.

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Ich frage mich, was nun alles als „verdächtiges Verhalten" gilt. Könnte auch ich „verdächtig" sein? Die Antwort darauf kenne ich nicht. Ich weiss nur, dass das Klima der Angst auch bei uns zu spüren ist.

Verdeutlicht wird dieses Klima etwa dadurch, dass die Schulleitung gestern die Polizei informierte. In gemeinsamer Absprache beschlossen sie, heute die Schule zu sichern—ohne dass irgendwelche konkreten Straftaten auszumachen waren. Der Terror von Paris macht wohl auch nicht vor den Gedanken der Polizei Halt.

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Titelfoto von Thomas8047 | Flickr | CC BY 2.0