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Hausmeisterstrände sind nicht so scheiße, wie ihr denkt

Wenn du nostalgische Flashbacks und Spielehallen liebst, wirst du niemals zu erwachsen oder zu cool für einen Kurztrip nach Jesolo, Caorle oder Bibione werden.
bibione hausmeisterstrand

Als Kind ist der Familienurlaub in Bibione, Caorle oder Jesolo das coolste überhaupt. Du gröhlst auf der Tauernautobahn Richtung Süden mit deinen Geschwistern bescheuerte Lieder auf der Rückbank, schmierst dir am Strand (mehr oder weniger freiwillig) Gelati ins Gesicht und wirfst dich todesmutig über Wellen, die für einen Erwachsenen in etwa kniehoch sind, als wären sie Tsunamis. Die paar Tage am Hausmeisterstrand von Italien zählen als kleiner Mensch zu den besten Tagen des ganzen Jahres.

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Irgendwie schaffst es die Welt dir im Laufe des Erwachsenwerdens dann aber zu verklickern, dass Urlaub am Hausmeisterstrand eigentlich ziemliche lame ist, und dass du jetzt, als Jugendlicher, zu alt und zu cool bist, um an einem dieser Touristenorte Spaß haben zu können. Dort gehörst du erst in 15 oder 20 Jahren wieder hin, weil dort nur Eltern mit ihren Kindern und Typen, die Socken unter den Sandalen tragen, Urlaub machen. Du solltest dein bisschen Geld lieber in eine dieser Kategorien investieren: einen Flug nach Berlin (weil Hipster!), in einen Inter Rail-Trip (weil Abenteuer) oder in eine Fernreise an einen Ort, wo noch niemand war (weil Individualismus).

Eine Reise mit dem Motorrad durch Nordkorea fällt vermutlich in alle drei Kategorien. Schaut euch hier das Video an:

Auch ich habe mich lange daran gehalten, bis ich irgendwann beschlossen habe, doch mal wieder nach Lignano zu fahren. Verblüffenderweise war es großartig. Seitdem bin jedes Jahr mindestens einmal Mal irgendwo zwischen Bibione, Lignano, Caorle und Jesolo auf Urlaub. Vor manchen Leuten ist es mir fast peinlich, das laut auszusprechen. Aber mittlerweile frage ich mich, warum eigentlich—einige der unterhaltsamsten Geschichten, die ich als ausgewachsener Mensch auf Urlauben erlebt habe, stammen von den vermeintlich unspektakulären Ortschaften der Adria. Auch wenn du vielleicht noch skeptisch bist, italienischen Hausmeisterstrände haben definitiv ihre Vorzüge:

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Die Tatsache, dass sich dort nichts verändert

Foto: Tori Reichel

Wenn du dich auch nur in irgendeiner Art als Nostalgiker bezeichnen würdest, dann wirst du die klassischen Touristenhochburgen der Adria auch als erwachsener Mensch wieder großartig finden. Denn dort scheint—vielleicht abgesehen von den Stehklos, die nicht mehr ganz so oft anzutreffen sind wie früher—einfach die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Bademode der alteingesessenen Strandbesucher, die Einrichtungen der Apartments, nicht einmal die Muster der Sonnenschirme scheinen sich dort zu ändern. Es riecht sogar so, wie es gerochen hat, als du ein kleiner Stinker warst. Mit ein bisschen Glück arbeiten in deiner alten Lieblingspizzeria sogar die selbe Kellnerin wie vor 15 Jahren. Du wirst bei deinem Aufenthalt regelmäßig kleine, aber intensive Flashbacks an deine Kindheitstage erleben. Und du wirst es lieben.

Die Nähe

Foto: Tori Reichel

Nehmen wir an, du hockst irgendwo in Österreich, es regnet wieder einmal in Strömen und du verspürst plötzlich das dringende Bedürfnis, so schnell wie möglich ans Meer zu kommen. Du hast aber, wie für Menschen deines Alters üblich, nicht sehr viel Geld zur Verfügung. Die Lösung liegt eigentlich auf der Hand: Alles, was du brauchst, ist ein Auto oder, noch besser, irgendeinen willigen Freund mit einem Auto. Je nachdem, wo du in Österreich gerade bist, wirst du entweder schnell, oder sehr schnell an einem dieser kleinen, lustigen Orte an der Adriaküste ankommen. Wenn du glücklich genug bist, um drei motivierte Freunde zu finden, sollte es sich sogar in finanziell hundsmiserablen Zeiten irgendwie ausgehen, das Geld für die Tankfüllung und die Maut zusammenzukratzen. Wenn es wirklich hart auf hart kommt, du die ultimative Spar-Schiene fahren, kein Geld fürs Hotel ausgeben willst und du Zeltplätze genau so dämlich findest wie ich, habe ich gute Nachrichten für dich: Im Hochsommer kannst du genau so gut einfach irgendwo draußen schlafen. Such dir ein lauschiges Plätzen am Meer, oder krall dir eine Liege am Strand, und lass dich vormittags von der älteren Dame wecken, die die Liege eigentlich reserviert hat, und mach es dir danach auf der Liege daneben gemütlich. Ich muss dir jetzt nicht extra erklären, dass es am Strand fließend Wasser und Duschen gibt, oder? Erfahrungsgemäß lassen sich drei, vier Tage so auf jeden Fall wunderbar aushalten.

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Die hohe Wahrscheinlichkeit, absurden Scheiß zu erleben

Foto: Tori Reichel

Jeder Aufenthalt am Hausmeisterstrand in Kombination mit guten Freunden (und möglicherweise ein wenig Alkohol) liefert im Schnitt ein bis zwei sehr kuriose Geschichten, mit denen man dann den Rest des Jahres andere Leute unterhalten kann. Du willst ein Beispiel? Ich kann mich an einen Abend erinnern, an dem Paul Kalkbrenner am Strand von Jesolo spielte, und deswegen ausnahmsweise doch mal hordenweise junger Menschen dort waren. Halten wir es kurz: An diesem Abend ist sehr viel Seltsames passiert und ein Freund von mir hat in einer ungünstigen Verkettung von Ereignissen all seine Klamotten verloren, also wirklich alle. Die Strand-Securitys fanden das nicht so lustig und sagten uns recht harsch, dass wir uns schleichen sollen. Das wiederum fanden meine Freunde uncool und sie beschlossen, ein am Strand festgekettetes Tretboot zu stehlen (liebe italienische Justiz, ich schwöre, ich war so gut wie unbeteiligt!). All das endete in einer Flucht, in der meine Freunde das Boot ins Meer schleppten, während uns eine Horde Securitys durch die Nacht jagte.

Kennst du die Szene in Herr der Ringe - Die Gefährten, in der die Hobbits vor den Ringeistern flüchten, und Frodo in einem Zeitlupe-Sprung auf das bereits fahrende Floß springt? Ungefähr so musste ich mich damals auf dieses Tretboot retten. Jedenfalls haben wir aus Angst vor der Rache der Securitys erst eine halbe Stunde später am anderen Ende der Stadt angelegt und unserem nackten Freund neue Klamotten organisiert. Ich weiß nicht, ob diese Geschichte zwingend in diesen Artikel müsste, aber sie ist einfach schön, und ich freue mich schon darauf, sie eines Tages meinen Enkeln zu erzählen. Für solche Dinge liebe ich Jesolo. Funfact: Aus all den Typen auf dem Tretboot ist sogar noch richtig was geworden. Einer darf als Künstler die Welt bereisen und eine anderer spielt in der Band, die Österreich heuer beim Song Contest vertritt. Sogar der Kerl ohne Klamotten hat heute einen anständigen Job.

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Spielhallen

photo credit: Silverball Museum Arcade, Asbury Park, NJ, 5/25/12 via photopin(license)

Völlig egal, wie alt du bist, Spielhallen sind der Shit. Sie sind laut, bunt, und du hast die Möglichkeit, andere Menschen, die du eigentlich gerne magst, in allen möglichen kleinen Games fertig zu machen. Nirgendwo anders ist Reizüberflutung schöner. Außerdem sind sie für mich unzertrennlich mit Italien verbunden—natürlich macht es auch Spaß zuhause virtuelle Motorrad-Rennen zu fahren, aber es ist einfach nicht das gleiche wie dort unten. Übrigens gilt auch hier, dass sich so gut wie nichts verändert hat: Viele der Spielautomaten, die du dort schon als Kind geliebt hast, stehen noch immer dort. Ich habe in meinem Leben rational gesehen definitiv zu viel Geld für Airhockey und Crazy-Taxi-Spielautomaten ausgegeben, aber rückblickend bereue ich keinen der gekauften Tokens auch nur im Geringsten. Wenn du Spielhallen nicht mehr liebst, dann ist dein inneres Kind kaputt.

Die Kulturbefreitheit

Foto: Tori Reichel

Auch wenn du im Laufe des Erwachsenenlebens gelernt hast, dass ein fehlendes Kulturprogramm das schlimmste Manko überhaupt an einem Urlaub ist, lass dir gesagt sein: Das fehlende Kultur ist in Wirklichkeit eine schönsten Eigenheiten des Hausmeisterstrandes. Das Betrachten alter, schöner Häuser, das man in jeder anderen Region Italiens tun würde, ist zwar wunderbar. Aber verdammt nochmal, wenn du irgendwohin fährst, um dein Hirn für ein paar Tage auszuschalten, dann willst du doch genau das nicht machen, oder?

In Bibione beispielsweise sind fast alle Häuser gleich unspektakulär. Manche sind vielleicht sogar herausstechend hässlich. Aber das ist egal, denn du bist definitiv nicht hier, um dich mit Architektur oder Geschichte oder sonst irgendetwas Anspruchsvollem auseinanderzusetzen. Genau das macht den Reiz aus. Und wenn dich dann doch noch aus irgendeinem Grund das kaum zu unterdrückende Verlangen nach einem Kulturprogramm überkommt, hast du immer noch die Möglichkeit, dich auf eine Fähre zu setzen und dich in die noch größeren Touristenhochburg Venedig schippern zu lassen, die in einer halben Stunde Entfernung auf dich warten.

Titelbild: Leuchtturm_Jesolo_1 via photopin (license)