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Habemus Twitter!

Wir sind nicht nur Papst, sondern ab sofort auch @Pontifex. VICE analysiert das heilige Twitter-Profil.

Die Trinität auf Twitter: @Pontifex, Hashtag Heiland, trending worldwide und so.

Mein Vater war die längste Zeit der fixen Überzeugung, ich würde heute mehr von der katholischen Kirche halten, wenn ich während meiner Schulzeit im Religionsunterricht nicht zuerst von einer manisch-depressiven Katzenlady, dann von einem ohrfeigenden Altpriester und schließlich von einem etwas getrübten Theaterregisseur "erzogen" worden wäre. Ich meinte darauf immer, das könnte schon sein, aber irgendwie sagt es doch auch einiges über das System der katholischen Kirche aus, dass sie von ebensolchen Leuten repräsentiert wird.  Inzwischen ist mein Vater selbst aus der Kirche ausgetreten, weil sie erstens unverschämt viel Kirchenbeitrag verlangt und zweitens Senator Palpatine zum Papst gewählt hat — und er ist weder leichtfertig im Umgang mit Geld noch ein besonders großer Star Wars-Fan.

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Ich bin zwar das genaue Gegenteil meines Vaters, aber merkwürdigerweise konnte mich der Pontifex trotz seiner Ähnlichkeit zum Imperator und meiner Bereitschaft, die Euros bis zum Untergang des Abendlandes in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen, bislang nicht dazu bringen, seinem endgültigen Erlösungsverein wieder beizutreten. Zumindest bis jetzt. Denn seit gestern passiert etwas, das so unglaublich ist, dass ihm nicht mal die Bezeichnung Genesis 2.0 gerecht werden kann: Papa Benedikt nutzt Twitter.

Die Twitter-Seite Seiner Heiligkeit mit einem erleuchtenden Farbverlauf Richtung Eierschale.

Und weil ich es in der Ewigkeit an und für sich auch ganz gerne auf einem Wölkchen bequem hätte, wenn es sich mit ein bisschen Beitragzahlen und einmal im Jahr den Segen "Urbi et orbi" im Fernsehen anschauen regeln lässt, habe ich sofort das gesamte Pontifex-Profil genauestens unter die Lupe genommen. In der Hoffnung, irgendwo einen guten Grund zu finden, warum ich als nichtpraktizierender Geburtsjude dem Zwergstaat mit dem Riesenvermögen mein Approval geben sollte. Und weil es natürlich nicht auf meine mickrige Meinung ankommt, habe ich versucht, jeden Punkt mit einer passenden Bibelstelle zu untermauern. Damit wir alle was davon haben. Amen.

NÄCHSTENLIEBE

Psychohygiene ist für so einen Gottesvertreter sicher ganz besonders wichtig. Wenn Jesus heute leben würde, hätte er bestimmt auch nur den RSS-Feed von Vatikan News und 12 Facebook-Freunde (Maria Magdalena wäre wohl seine heimliche Google+ Geliebte). Insofern kann man dem Pontifex keine Vorhaltungen machen, nur weil er nicht gleich jedem zurückfolgt, der sich ihm als Follower an den heiligen Hals wirft. Andererseits ist selbst Gott nur DREIfaltig, wodurch es ein bisschen komisch aussieht, wenn Benedikt auf Twitter gleich SIEBENfaltig in Erscheinung tritt und generell nur seinen eigenen Inkarnationen folgt. Vielleicht soll das eine Botschaft für uns niederen Gestalten sein, allem Weltlichen zu entsagen. Oder aber die Mehrfaltigkeit rührt von den Runzeln her, die so eine 85 Jahre alte leibliche Hülle nun mal beherbergt.

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Jedenfalls merkt man hier nicht besonders viel Nächstenliebe aus Papst Benedikts Verhalten. Die Bibel hat übrigens auch was zu Selbstverleugnung zu sagen:

"Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." (Markus 8: 34)

GÖTZENVEREHRUNG

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als aus Josef Ratzinger mit nur einem Poff! und einer weißen Rauchschwade plötzlich Benedikt der Sechzehnte wurde. Ich hatte damals ein unangenehmes Jucken am Kreuz, das mich schon ein paar Tage plagte. Es war ein kalter Abend und ich war guter Dinge, dass Kardinal Christoph Schönborn mir vom Balkon am Petersplatz zuwinken würde, sobald ich den Fernseher aufdrehte. Schließlich war der wenigstens einer von uns und ich hatte schon mal ein paar Worte mit ihm gewechselt, was mich zu so etwas wie einem Homie Seiner Heiligkeit gemacht hätte. Dann sollte alles doch ganz anders kommen. Als ich den Fernseher einschaltete, passierten plötzlich mehrere Dinge gleichzeitig: Auf dem Schirm erschien Palpatine, in meinem Kopf spielte es den Imperialen Marsch und auf meinem Rücken ertastete ich die Ursache des Juckens, die sich als Zecke herausstellte. Seither ist das Pontifikat für mich untrennbar mit diesem kleinen Blutsauger verbunden, der mir das Leben aus dem Rückenmark saugen wollte. Und mit der Zecke in meinem Kreuz.

Ihr versteht also, dass ich das Abbild des alten Papa Ratzi unmöglich objektiv beurteilen kann. Zum Glück gibt es für mehr Objektivität auch hierzu eine Bibelstelle über Götzenbilder:

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"Ihr sollt keine Götzen machen; ein Götterbild und eine Säule sollt ihr euch nicht aufrichten, auch keinen Stein mit Bildwerk in eurem Land aufstellen, dass ihr euch davor niederwerft; denn ich, der Herr, bin euer Gott." (Mose 26: 1)

KUNSTFERTIGKEIT

Links oben neben den Informationen zu @Pontifex (was übrigens auch ein sauguter Name für eine Band, einen DJ oder einen Pornodarsteller wäre) prangt auch dieses Emblem, das ich fast das Bemerkenswerteste an der ganzen päpstlichen Twitter-Seite finde. Es sieht aus, als wäre jemand nach mehreren Litern Messwein an den Papst herangetreten, hätte ihm ein altes Reclam-Heft in die Hand gedrückt und unter Tränen gesagt: "He du! Zeichne doch mal schnell einen Penis!" Auch wenn es in Wahrheit vermutlich das Wappen von Benedikts Pontifikat ist, bin ich mir sicher, dass dieses "Divine Doodle" unsere Zivilisation überdauern und einer neuen Menschheit die seltsamste Überlieferung aus den alten Zeiten bescheren wird, die man sich denken kann.

Die Bibel mag Kunst übrigens gar nicht so gern, was noch ein Grund ist, weshalb ich für Benedikt XVI. hoffe, dass die Reclam-Penis-Theorie falsch ist:

"Alle Menschen aber sind Toren mit ihrer Kunst, und alle Goldschmiede stehen beschämt da mit ihren Bildern; denn ihre Götzen sind Trug und haben kein Leben, sie sind nichts, ein Spottgebilde; sie müssen zugrunde gehen, wenn sie heimgesucht werden." (Jeremiah 10: 14, 15)

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Wobei es auch sein könnte, dass Benedikt eigentlich etwas ganz anderes zeichnen wollte, denn:

"Ich bin der HERR (…), der die Weisen zurücktreibt und ihre Kunst zur Torheit macht." (Jesaia 44: 24, 25) Demnach könnte auch Gott selbst dem Pontifex also in die Zeichnung gepfuscht haben. Woah. Das hier könnte der nächste Dan Brown-Bestseller werden.

PREDIGTDIENST

Okay, der Fairness halber muss man erwähnen, dass so ein Papst nicht einfach von heute auf morgen den Tweet des Jahrhunderts aus dem Ärmel schütteln kann. Dass sein Twitter-Account noch leer ist, sollte euch nicht gleich dazu führen, euch von der Kirche abzuwenden. Genauso wenig, wie der Umstand, dass Benedikt XVI. euch und eure Tweets ignoriert und durch die Führung der Hand Gottes Penisse auf Bücher schmiert. Ich halte einfach die Augen nach Updates offen und refreshe genauso oft, wie ich den Rosenkranz bete, denn schon die Bibel sagt:

"Geht daher hin, und macht Jünger aus Menschen aller Nationen, tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu halten, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Abschluß des Systems der Dinge." (Matthäus 28: 19, 20)

Und nicht nur das, sondern auch:

"Wie habe ich dein Gesetz so lieb! Täglich rede ich davon." (Josua 1: 8)

Wahrscheinlich liegt es an mir, aber das klingt doch ziemlich nach Verknalltsein, oder? Auch wenn der Pontifex vielleicht nicht mehr den Körper eines Teenies hat, liegt er in Gedanken bestimmt mit überkreuzten Beinen auf dem Bauch in seinem Himmelbett und stützt das Haupt schwärmerisch auf seine betenden Hände, während ein rosaroter Jesus durch seinen Kopf pflügt und die Welt von all den Fritzls und Baines säubert. Womöglich ist ja auch die Schwärmerei der Grund, warum Benedikt XVI. bisher noch nicht so recht zum tweeten gekommen ist. Das wäre dann aber mehr als verzeihlich, findet ihr nicht?

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EPILOG

Ich weiß, ich weiß, das alles wirkt auf den ersten Blick, als wäre die Entscheidung gegen den Pontifex ziemlich einfach. Aber bevor ihr jetzt alle geschlossen "Pfuibah!" schreit, möchte ich kurz auf die Verteidigerbank hüpfen und euch als Anwalt des Himmels folgendes zu bedenken geben: Der Pontifex ist mit seiner Ignoranz und seinem Stursinn in guter Gesellschaft — und zumindest im Hinblick auf seinen Twitter-Auftritt gar nicht so viel anders wie Louis C.K. Ja, ihr habt richtig gelesen. Wenn ich kurz bitten dürfte, den Blick auf die Zahl der Leute zu richten, denen der gute Louis folgt, Euer Ehren:

Als Anwalt der Ausgestoßenen sage ich deshalb: Wer den Papst hasst, der hasst auch Louis C.K.! ALSO, WAS IST — HASST IHR LOUIS C.K.? Immerhin hat der irisch-mexikanische Comedy-Buddha bald ein neues Programm für euch fertig, das ihr euch dann wohl entgehen lassen müsstet, wenn ihr keine Heuchler seid.

Wobei DMR ein Tippfehler ist, wie er kurz darauf richtiggestellt hat:

Haha, dieser Louis. Hey, wartet mal, war das gerade Blasphemie? Damit will ich nichts zu tun haben. Mahalo!