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Hamburg bestimmt das Alter von Flüchtlingen anhand ihrer Penisse

Minderjährige Flüchtlinge dürfen nicht abgeschoben werden. Deswegen greift der Senat bei der Altersermittlung zu fragwürdigen Mitteln.

Foto: Yosuke WATANABE | Flickr | CC BY 2.0 Stellt euch vor, ihr seid männlich, zwischen 16 und 18 Jahre alt und wollt beim Discounter eures Vertrauens Bier kaufen, habt aber euren Ausweis vergessen. „Nun denn", sagt die Kassiererin und erhebt sich aus ihrem Sitz hinter der Kasse. „Dann zeig mir doch mal deinen Penis." Was nach einer Szene aus einem fragwürdigen Low-Budget-Porno klingt, ist für junge Flüchtlinge, die nach Hamburg kommen, in vielen Fällen bittere Realität. Wie die taz berichtet, ist die eingehende Überprüfung von Genitalien ein elementarer Bestandteil des Altersbestimmungsprozesses, dem sich junge Menschen unterziehen müssen, bei denen der Kinder- und Jugendnotdienst Zweifel daran hat, dass sie wirklich noch minderjährig sind.

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Immerhin: Auch in Hamburg wird nicht alles mit einem Schwanzvergleich geklärt. So werden laut Aussage des Senats auch andere „bezüglich einer Abschätzung des Entwicklungs- bzw. Reifezustandes maßgeblichen Partien der Körperoberfläche" in Augenschein genommen. Darunter beispielsweise das Gesicht und die Achselhöhlen. „Bei weiblichen Probanden erfolgt eine Inspektion des Entwicklungszustandes der Brustdrüsen", heißt es von offizieller Stelle.

Die korrekte ungefähre Einschätzung des Flüchtlingsalters ist deshalb so wichtig, weil Minderjährige nicht nur gemäß ihres Alters betreut werden und zur Schule gehen dürfen, sondern auch vor einer Abschiebung geschützt sind. Und genau das ist auch das Problem an der vermeintlich freiwilligen Untersuchung: Wer sich der „hochnotpeinlichen Intimuntersuchung" (wie die Bürgerschaftsabgeordnete Jennyfer Dutschke von der FDP es ausdrückt) nicht unterziehen möchte, zählt automatisch als volljährig und wird in einer Unterkunft für Erwachsene untergebracht.

„Dass Jugendliche in die Gruppe der Erwachsenen eingeteilt werden, wenn sie an der Untersuchung nicht mitwirken, konterkariert die vorgebliche ‚Freiwilligkeit' und ist weder menschlich noch medizinisch gerechtfertigt", kritisiert auch der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, das Vorgehen.

Ob die lauter werdende Kritik auf politischer und medizinischer Ebene für eine Reform der Altersermittlung sorgen wird, ist fragwürdig. Schließlich, so argumentiert der Senat, hätte der auf „wissenschaftlichen Standards" basierende Test eine erstaunlich geringe Fehlerquote. Lediglich 14 der 1.844 Jugendlichen, die seit 2012 untersucht worden seien, hätten das Ergebnis angefochten—drei von ihnen erfolgreich.