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Hat die chinesische Ein-Kind-Politik eine Generation von Hundefanatikern hervorgebracht?

Das ist nur eine der Theorien, die erklären könnte, warum Leute in Shanghai ihre Hunde ausstatten, als sollten sie in einem Katy-Perry-Video mitspielen.

Die Menschen in Shanghai sind verrückt nach Hunden. Vielleicht lieben sie Hunde sogar mehr als sich selbst. Bei dem Gang durch die Straßen der größten Stadt Chinas wird man Zeuge, wie Erbinnen ihren Chihuahuas das Gesicht peelen, wie Anwälte ihren Pudeln die Jeans zurechtrücken, man begegnet Yorkshire Terriern mit pinken Irokesenfrisuren oder Pärchen, die ihren Corgi vor einem Teegeschäft mit Cupcakes füttern.

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Was aber treibt die Leute in Shanghai dazu an, ihre Hunde wie Komparsen in einem Katy-Perry-Video zu behandeln? Wenn man Leute befragt, bekommt man den Eindruck, dass sich viele Einwohner ihren Welpen zuwenden, um eine Lücke in ihrem Leben zu füllen, die der Ein-Kind-Politik zu verdanken ist. Klar ist das Küchenpsychologie in ihrer schlimmsten Ausprägung. Doch wenn du einen Hund siehst, der mit kleinen Hundestiefeln im Buggy durch die Gegend geschoben wird, fällt es schwer, nicht zu dem Schluss zu kommen, dass sich viele Chinesen sich in Hunde-Ersatzmütter verwandeln.

Um dem Hundewahn der Stadt auf den Grund zu gehen—und um meinen Handyspeicher mit Fotos von Hunden in Sneakern zu füllen—, beschloss ich, zur internationalen Hundemesse zu fahren, die alljährlich in Shanghai stattfindet.

Als erstes traf ich Greg Li, Vizepräsident der Shanghai International Trade Promotion Co., der die Veranstaltung organisiert. Neben einer Reklametafel mit dem Slogan „My dog. My family. My life“ erklärte er mir, dass sein Event innerhalb von fünf Tagen nun 50.000 Menschen anzieht und es vor zwei Jahren nur 20.000 waren. Er sagte, dass inoffiziellen Statistiken zufolge 12 Prozent der chinesischen Haushalte einen Hund besitzen—was bedeuten würde, dass in Shanghai mehr als 1,1 Millionen Haushunde leben, die Armeen von streunenden Hunden nicht mitgerechnet.

Hundebesitzer in Shanghai müssen jährlich eine Hundesteuer zahlen, wobei Greg darauf hinwies, dass die vor Kurzem gesenkten Kosten ein Faktor sind, warum immer mehr Leute verrückt nach Hunden sind. Vor fünf Jahren hat die Steuer zwischen 300 und 500 Dollar pro Jahr gekostet, jetzt zahlt man zwischen 50 und 80 Dollar.

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„Es sind nicht mehr nur Menschen aus dem Mittelstand, die Hunde besitzen“, sagte er. „Die Leute fangen an, Hunde wie Freunde und Familienmitglieder zu behandeln.“

Mrs. Bao, die ich vor der Ausstellungshalle traf, wo sie ihre zwei Pudel ausführte, stimmte mir darin zu. „Ja, viele Chinesen behandeln Hunde wie Familienmitglieder“, sagte sie. „Ich behandele die beiden sicherlich wie Babys“. Dann küsste sie beide auf den Mund.

Eine Woche vor der Veranstaltung besuchte ich das Hundefrisör-Center in Puxi, um die Gründerin Holly Zhou zu treffen. Sie erzählte mir, dass die Babyfizierung der Hunde eine chinesische Eigenheit sei. „Nimm meine Eltern als Beispiel—ich habe sehr viel zu tun und verbringe nicht sehr viel Zeit mit ihnen. Deshalb hätten sie gern einen Hund, dem sie ihre Aufmerksamkeit schenken könnten“, sagte sie. „Das hat mit der Ein-Kind-Politik hier in China zu tun. Wenn ein Kind heiratet und ein eigenes Leben beginnt, fühlen sich ältere Menschen einsam. Deshalb wollen sie einen Hund als Begleitung. Das kommt oft vor.“

Dagegen kann man natürlich einwenden, dass das Phänomen, dass sich ältere Menschen ein Haustier anschaffen, um Gesellschaft zu haben, keinesfalls nur auf China zutrifft. Und sicherlich ist es auch nicht so, dass alle Hundebesitzer in Shanghai ihr Haustier als haarigen Kinderersatz benutzen.

Andererseits gibt es mittlerweile Hundetampons und Hundewindeln.

„Sie sind für die Zeit, wenn die Hündinnen läufig sind“, erklärte der Standbetreiber Mr. Chen.

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Es sind also keine Badeanzüge? Ich dachte, es wären Badeanzüge.

„Es sind keine Bikinis. Die Hosen sind dazu da, um sie sauber zu halten, wie eine Binde. Wir haben auch modische Windeln für männliche Hunde, damit sie nicht den ganzen Boden vollmachen. Sie sind sehr beliebt hier und in Japan.“

Zuvor hatte Holly mir erklärt, dass der Einfluss aus Japan einer der Hauptgründe dafür ist, dass die Chinesen ihre Hunde derart auftakeln.

„Die Chinesen werden teilweise durch den Fernseher erzogen, wo sie sehen, dass die Sache in Japan sehr beliebt ist“, sagte sie. „Es ist zu einer großen Modeerscheinung geworden. Ich schätze, dass es hier um die 5.000 Hundefrisöre in Shanghai gibt. Einige wie Pet, Inc., nennen ihre Angestellten nicht mehr Hundefrisöre, sondern ,Stylisten‘.“

Wie könnte ich widersprechen, wenn die Ergebnisse so erstaunlich sind wie der Aufstieg von Niu Niu, dem hier abgebildeten Chihuahua? „Sie hat mehr als zehn Kleider“, teilte mir die Besitzerin Miss Hu stolz mit.

Passenderweise wehte auf der Veranstaltung ein Hauch von „Fashion Week“ und Teenager jagten den hübschesten Hunden mit ihren Smartphones hinterher, um sie zu fotografieren. Der unheimlich große Neufundländer namens Alex war das Supermodel des Tages. Er musste nicht einmal Kleidung tragen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sogar die anderen Hunde starrten ihn an.

Natürlich gab es mehr als Mode zu sehen, zum Beispiel diesen Parcours. Die Organisatoren hatten den Track aus der Fernsehshow Top Dog eingespielt. Collies in Becken mit Plastikbällen tauchen zu lassen, erschien mir eher als ein Rezept für Beinbrüche, doch das schien niemandem etwas auszumachen.

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Außerdem gab es diese weniger beeindruckende Laufbahn für die „Hundeolympiade“.

Hier sind offenbar die falschen Schuhe eingepackt worden.

Schließlich gab es noch eine Dating-Pinnwand für Hunde, auf der Besitzer Annoncen heften konnten, um für ihr Haustier einen Partner zu finden—ein Pendant des menschlichen „Heiratsmarktes“ am People’s Park in Shanghai.

„Ich suche einen männlichen Hund, der nicht so groß ist“, sagte die Besitzerin dieses Yorkshire Terriers. „Ist es wichtig, ob er gut aussieht? Nun, solange Summer ihn liebt, ist es egal. Aber diese Art der Partnervermittlung ist selten—normalerweise benutzen wir BBM oder das Internet.“

In der Nähe gab es einen Verkaufsstand einer 3D-Druckfirma, die Hundemodelle anbot. Die Werbung war ziemlich angsteinflößend.

Andernorts führten Züchter ihre Hunde herum. Diesen Alaska-Retriever-Welpe konnte man für nur 665 Dollar (plus 400 Dollar pro Monat für Nahrungsmitteln und 160 Dollar für Tampons) mit nach Hause nehmen und endlos viele Selfies mit ihm machen.

Du konntest auch dem Golden Retriever Club beitreten, der eine lockerere Attitüde gegenüber Rauchern hat, wie du sie bei Petco wahrscheinlich nicht finden würdest.

Hundefutterhersteller boten leckere Kostproben an.

Andere hätten die genaue Bedeutung der englischen Version ihres Firmennamens überprüfen sollen.

Miss Zhang, die Besitzerin dieses Pudels mit erstaunlichen Hoden namens Yoyo sagte, dass Hunde wie ihrer eine wichtige Erholung von der plagenden Arbeit in Shanghai bietet.

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„Ich behandele ihn wie ein Familienmitglied“, sagte sie, während Yoyo seine Nase in Richtung des Anus eines Boxers ausstreckte. „Nach einem ermüdenden Arbeitstag macht er mich glücklich. Vielleicht ist es wegen des Drucks, in der Stadt zu arbeiten, dass die Leute Hunde so sehr lieben.“

Die vorgeführte Hundeliebe war rührend, aber Holly hatte mir erzählt, dass—hinter den glitzernden Kostümen—die Vernachlässigung von Haustieren noch immer ein riesiges Problem in Shanghai darstellt.

„Viele Chinesen denken nicht daran, wenn sie sich ein Haustier anschaffen“, sagte sie. „Im Vergleich zu früher ist es heute viel einfacher, einen Hund zu bekommen … Viele Frauen setzen ihre Katzen und Hunde aus, wenn sie schwanger sind. Sie denken, dass sie keine Zeit mehr für sie haben. Es gibt eine ganze Generation verwöhnter Chinesen. Sie denken nicht nach. Wenn sie etwas haben wollen, besorgen sie es sich. An den Hund denken sie nicht.“

Ich fragte Holly, ob diese Hunde mit ihren Kleidern und Baggys und liebenden „Eltern“ Glück haben und auf einer Welle der Obsession reiten, die Shanghai sicherlich zu einer der Städte mit dem größten Herz für Hunde macht.

„Haha, nein. Shanghai ist nicht der Ort, an dem man Hunde am meisten mag“, lachte Holly. „Du solltest mal nach Japan gehen …“

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