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'Hatred' ist der langweiligste Amoklauf-Simulator aller Zeiten

Töten um des Tötens willen—wir haben das kontroverseste Game des Jahres gespielt, damit ihr es nicht tun müsst.

"Wer verherrlicht hier Gewalt? Der Erfolg gibt uns Recht!" Es gibt ein KIZ-Zitat für jede Lebenslage und eben auch dann, wenn man versucht, das Prinzip, das hinter einem Spiel wie Hatred steckt, in wenigen Worten zu beschreiben. Als namenloser Mann in Schwarz seinem Hass auf die Welt da draußen mal so richtig freien Lauf lassen. Hilflose Zivilisten abschlachten, Polizeireviere mit Handgranaten in die Luft jagen, alleine und allmächtig Angst und Schrecken verbreiten und das alles nach dem Motto: „Was für satirische Untertöne? Scheiß auf dein Postal und dein GTA, direkt Schelle, du Opfer!"

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Der Trailer, die Ankündigungen, die Kampfansagen der Entwickler an die verweichlichte Indie-Konkurrenz: Lange war kein Spiel mehr so auf Krawall gebürstet. Der sich anschickende schwarz-weiße Amoklauf-Simulator schlug so hohe Wellen, dass Valve ihn kurzerhand von Steam-Greenlight entfernte, nur um ihn wenig später wieder verfügbar zu machen. Der Spiele-Shop GOG.com sperrt sich komplett gegen einen Vertrieb und in Deutschland und Australien kann das Spiel nicht ohne (VPN-)Umwege gekauft werden. Dabei war bis wenige Stunden vor Release gar nicht klar, dass Hatred für deutsche Steam-Nutzer gesperrt wird. Das dürfte besonders für die Vorbesteller ärgerlich sein, die keine Lust darauf haben, die Ländersperre umständlich zu umgehen, und somit auf ihren gekauften, aber nicht einlösbaren Steam-Keys sitzen bleiben. Ein wortwörtlich vorprogrammierter Skandal auf allen Ebenen also—und ein weiterer Grund für uns, uns das Spiel anzuschauen, damit ihr es nicht tun müsst.

Zugegeben, bei Destructive Creations scheint man zu wissen, wie man ein Spiel verkauft (oder zumindest ordentlich die Werbetrommel rührt), aber dieser feuchte Traum eines gemobbten Außenseiters an der Columbine High School beweist auch, dass die Entwickler anscheinend nicht wissen, wie man eins programmiert. Ich hatte mit Hatred die langweiligsten zwei Stunden meines Gamer-Lebens. Dieses Spiel ist so dermaßen uninteressant, dass es mir schwer fällt, diesen Text zu schreiben. Ehrlich jetzt.

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Das einzige Ziel unseres Protagonisten—dessen Sprecher übrigens so klingt, als würde er Trailer für Action-Filme einsprechen—und somit des Spiels ist es, so viele Menschen wie möglich zu töten. Es gibt kein Level-System, keine Skills, keine Power-Ups, keine Upgrades, keine taktische Komponente, keinen Anspruch an eure Reaktionsfertigkeit. Mit dem Satz „It's time for me to kill and time for me to die" trete ich vor die Tür und muss zunächst 50 Leute umbringen. Das ist allerdings nur der Anfang und so verschlägt es mich im Laufe der „Story" unter anderem in das Chinatown New Yorks, Downtown und eine Militärbasis. Die Locations wechseln vielleicht, doch am Gameplay ändert sich absolut nichts. Das Fehlen einfachster Gameplay-Mechaniken abseits von „drücke Knopf A, um zu schießen" und „drücke Knopf B, um nachzuladen" macht Hatred zu einem der eintönigsten und repetetivsten Spiele, die ich jemals gespielt habe. Dagegen ist Dynasty Warriors eine Videospiel gewordene Achterbahnfahrt.

Dazu kommt, dass das Spiel von Bugs zerfressen und von Design-Mängeln durchsetzt ist. Die schwammige Steuerung macht ein genaues Zielen mit Maschinengewehr und Co. unmöglich. Der für sich genommen ansehnliche schwarz-weiße Grundton mit seinen Farbspritzern ist daran Schuld, dass ihr oft genug eure eigene Spielfigur nicht mehr auf dem Bildschirm erkennt. Gegner schießen oft von außerhalb des sichtbaren Bildausschnitts auf mich. Spielfiguren, meine eingeschlossen, bleiben gerne malt öfters an Objekten oder Wänden hängen und die Tastenbelegung ist eine Katastrophe—durch Doppelbelegung wechsle ich ständig ungewollt die Waffe, anstatt eine Exekution auszuführen. Die sind nämlich nötig, um meine Gesundheit aufzufüllen, anders geht's nicht.

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Ich steche in den Bauch, schlitze Kehlen auf, zertrete Leuten den Kopf, schieße ihn mit meiner Schrotflinte weg und wisst ihr was? Das lässt mich alles völlig kalt. Oder wie Money Boy sagen würde: Es ist nuffin. Hatred schafft es zu keinem Zeitpunkt, der dargestellten Gewalt und Brutalität irgendeine Art von Schwere, Bedeutung oder Qualität zu geben. Die Gewalt in Hatred widert mich nicht an, sie belustigt mich nicht, sie verschafft mir keine Genugtuung. Sie ist mir ganz einfach scheißegal und ist in der Tat sinnlos.

Screenshot: YouTube

Hatred scheitert in jeglicher Hinsicht. Als Top-Down-Shooter macht es keinen Spaß, da ihm einfachste Gameplay-Mechaniken fehlen. Als Stück Programmcode würde ich es auf Grund der vielen Fehler als Programmierer aus meinem Lebenslauf herauslassen und zu guter Letzt ist Hatred auch nicht so unfassbar rebellisch und kontrovers, wie es Destructive Creations gerne glauben machen möchte, denn es bricht nicht ein einziges Tabu. Stattdessen muss ich mir auf meinem arg-düsteren Rachefeldzug gegen die Menschheit Sprüche anhören wie „Can you hear your guardian angel cry? I can". WAS? Was für ein grenzdebiler, Mamas Unterwäsche auftragender Amokläufer bist du denn, du Vollidiot? Das einzige, was man dem Spiel zugestehen muss, ist: Es schafft es wirklich, dass man den sinnlos mordenden Protagonisten hasst.

Motherboard: Der Amoklauf-Simulator Hatred ist nichts weiter als eine dumpfe Provokation.

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Auf ihrer Webseit schreiben die Entwickler, dass sie mit Hatred gegen den Trend der „politischen Correctness" protestieren wollen, der ihrer Meinung nach aktuell in der Gaming-Szene grassiert. Sie wollen anders sein, dem Spieler etwas Dreckiges, Freches, Ungewohntes präsentieren. Sie wollen dem Spieler keine Entschuldigung für seinen virtuellen Blutdurst mitliefern, nicht alles auf dem Silbertablett servieren. Der Spieler soll sich die Frage nach dem „Warum?" selber stellen, angeregt werden, seine Umgebung selbst zu entdecken … und was man als Studio halt so sagt, wenn man ein unausgegorenes Produkt verkaufen will.

Selbst wenn nicht von vornherein klar gewesen wäre, dass es sich dabei um inhaltlsleere Phrasen handelt—nach wenigen Minuten mit diesem Spiel dürfte auch dem motiviertesten Hatred-Spieler klar werden, dass er es hier nicht mit dem nächsten Dark Souls zu tun hat. Denn anders als beim modernen Klassiker aus dem Hause From Software gibt es in und um New York City nicht allzu viel zu entdecken. Keine Geheimnisse zu lüften, keine Easter Eggs, keine versteckten Level. Und wer als Entwickler anfängt, bei ein paar Sidequests mit dem Ziel „Töte noch mehr Menschen" von einer „nicht-linearen Spielstruktur" zu faseln, hat wohl zu viel Call of Duty in seinem Leben gespielt. Noch nicht mal in ihrem eigenen PR-Gewäsch scheinen die Macher zu wissen, wo sie mit ihrem Spiel eigentlich hin wollen, wenn sie schreiben, „dieses Spiel macht keine Gefangenen und keine Entschuldigungen", nur um diese Aussage einige Zeilen später mit einem „macht es nicht zuhause nach, nehmt es nicht zu ernst, ist doch nur ein Spiel. :)" komplett ins Lächerliche zu ziehen.

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Zwar ist die Präsentation der Gewalt todernst und durchaus drastisch, doch das macht sie nicht „besser" oder „ehrlicher" als die überzeichneten Actionfilm-Schießereien eines GTA. Destructive Creations bleibt im Gegensatz zu den „politisch korrekten" Spielen, die sie ja eigentlich kritisieren wollen, nämlich jeden Ansatzpunkt, jeden Kontext, jede besondere Perspektive auf das Geschehen schuldig. Willkommen bei der Moorhuhn Genocide Edition 2015!

Screenshot: YouTube

Das Einzige, was neben dem miserablen Gameplay wirklich skandalös ist, ist die Tatsache, dass man bei Destructive Creations ein kleines Nazi-Problem zu haben scheint und das augenscheinlich auch durchaus ins Spiel hat einfließen lassen. Unter diesem Gesichtspunkt kann man dieses Machwerk wirklich nur noch abstoßend finden—was dann auch der eine, große, ziemlich traurige Aspekt ist, der dieses Spiel tatsächlich diskussionswürdig macht.

Der einzige Grund warum Hatred existiert, ist der geplante und gewollte Skandal. Das ist auch der Grund, warum es sich verkauft. Zumindest noch, denn diese PR-Blase dürfte ziemlich schnell platzen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell sich Konsumenten und Medien durch leeres Gerede und aufmerksamkeitsheischende Ankündigungsformen blenden lassen. Freunde, wenn ihr wirklich mal wieder euren Frust ablassen wollt, weil ihr unendlich viel Wut in euch tragt, der ihr irgendein Ventil bieten müsst, dann geht Holz hacken, eine Runde joggen oder beschimpft nackt Leute bei Chatroulette. Egal. Aber kauft euch nicht Hatred. Rausgeschmissenes Geld.

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