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Sex

Hier gibts nichts zu sehen: Bilder von Frauen und ihrem Menstruationsblut

„Ich ging nicht davon aus, dass irgendjemand bei meinem Projekt mitmachen wollen würde."

Alle Fotos: Jackie Dives Eigentlich bin ich zimperlich und ziemlich verklemmt, deshalb war ich anfangs nicht besonders begeistert von der Vorstellung, Frauen beim Menstruieren zuzusehen. Ich fand Rupi Kaurs Protest gegen Instagram gut, Petra Collins' psychedelische Menstruations-Vagina-T-Shirts auch. Aber irgendwie war das völlig entblößte, ungehinderte Bluten ein bisschen zu „viel" für mein Zartgefühl.

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Zum Glück ist die kanadische Fotografin Jackie Dives eine zertifizierte Geburtsbegleiterin. Sie hat mich Schritt für Schritt an ihre Sammlung von Periodenporträts herangeführt, mich erinnert durchzuatmen und mir das Gefühl gegeben, dass sich diese Erfahrung wirklich lohnt. Am Ende war ich davon überzeugt, dass jeder seinen traumatischen Visionen von Flecken auf dem Sofa und Schwangerschaftstests mindestens ein Mal pro Woche Luft machen sollte.

VICE: Du hast einen Kurzfilm über die erste Periode einer Frau gedreht, du hast Hausgeburten fotografisch begleitet und deine aktuellste Fotoserie dreht sich um Frauen und ihr Menstruationsblut. Erzähl mir, wie es dazu gekommen ist.
Jackie Dives: Ich fing an, mich mit der Periode auseinanderzusetzen, weil ich selbst Probleme damit hatte. Es war für mich also sehr erlösend. Bis ich mit dieser Art von Arbeit anfing, hatte ich immer mit Scham zu kämpfen … meine eigene peinliche Geschichte, als ich meine Tage das erste Mal bekam. Mittlerweile bin ich als Periodenmädchen bekannt. Freundinnen schreiben mir Nachrichten wie: „Hey, schau dir diesen Blutfleck auf meinem Bett an, er hat die Form einen Herzens." Zu dieser Person bin ich dadurch geworden.

Wie fühlst du dich, wenn du eine solche Nachricht bekommst?
Ich finde es super. Auch wenn wir Mitte 30 sind, machen wir eine Sauerei, das ist einfach die Realität. Es gibt keine Frau auf dieser Welt, die keine Unterhose mit einem Fleck besitzt. Keiner weiß, wie man damit umgehen soll. Es passiert ständig. Ich möchte mich dafür nicht mehr entschuldigen. Ich frage mich, wieso Frauen ihre Tampons in ihrem Ärmel verstecken, wenn sie in einem Restaurant auf die Toilette gehen. Wieso ist das ein Geheimnis?

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Gab es einen bestimmten Moment, in dem du zum netten „Periodenmädchen" von nebenan wurdest?
Ich wurde [zum Unmentionables Film Festival in New York] eingeladen und bei diesem Festival passierten zwei Dinge: Erstens war ich von Frauen umgeben, die keine Angst hatten, über ihre Periode zu sprechen. Es war, als hätte ich mein Volk gefunden. Genau darüber möchte ich nämlich sprechen.

Die zweite Sache war im Kino, wo es eine Fotografie-Ausstellung mit Menstruationsfotos gab. Zuerst dachte ich mir: „Ach du heilige Scheiße, so etwas hab ich noch nie gesehen." Aber dann gab es ein paar Dinge, die mir nicht ganz passten. Ich überlegte, was genau es war, und fand es schließlich heraus, als ich mich mit der Fotografin unterhielt.

Ich fragte sie, wieso die Fotos schwarz-weiß sind. Weil es Blut ist, Blut ist rot. Die Bilder schwarz-weiß zu zeigen, schwächte sie ab. Und die andere Sache war, dass von keiner der Frauen in den Bildern das Gesicht zu sehen war und für mich wurde dadurch der Aspekt der Scham ausgeschlossen. Ich hatte den Eindruck, als würden diese Frauen nur unter der Bedingung, dass ihre Gesichter nicht gezeigt werden, fürs Foto Modell stehen.

Ich wollte meine eigene Interpretation umsetzen. Ich wollte es so machen, wie ich es für richtig hielt, und das bedeutete in Farbe und mit Gesichtern. Ich dachte mir, dass sich nie jemand dafür bereit erklären würde. [lacht] Aber ich lag falsch, was schön ist.

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Du triffst also Frauen, die deine Vision mit dir teilen. Wie läuft es dann ab?
Meistens besuche ich sie bei sich zu Hause und sie ziehen sich aus. Sie holen ihre Menstruationstasse oder was auch immer sie verwenden heraus. Ich möchte das Gefühl und die Stimmung jeder Frau über ihre Periode widerspiegeln auf die Art und Weise, die ihr sinnvoll erscheint. Es ist schwierig, mich zu überraschen. Ich möchte nicht, dass die Fotos sexy, heftig oder verrückt oder so wirken. Einfach nur „Ich und mein Blut". Es geht mir darum zu zeigen, dass es nichts Ekliges ist. Es ist einfach in Ordnung.

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Über Gerüche haben wir nicht oft gesprochen, obwohl es durchaus Gerüche gab. Andererseits war ich schon bei so vielen Geburten dabei, also habe ich schon alle möglichen Gerüche erlebt … Vielleicht weißt du das nicht, aber ich habe als Freiwillige für eine Non-Profit-Organsiation gearbeitet, die einen Fotografen schickt, wenn eine Frau ihr Baby verloren hat. Ich mache dann Fotos vom toten Baby. Das ist das Verrückteste, was ich je gemacht habe.

Damit komme ich gar nicht klar. Aber warum?
Na ja, warum nicht? Stell dir vor, du bist neun Monate schwanger, du liegst im Krankenhaus, aber aus irgendeinem Grund schafft es dein Baby nicht. Du möchtest etwas haben, das dich daran erinnert. Die Krankenschwestern im Krankenhaus wissen über die Firma Bescheid, sie machen keinen Gewinn, keiner wird dafür bezahlt, es ist alles freiwillig. Die Krankenschwestern machen den Eltern den Vorschlag.

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Vielleicht siehst du dir die Fotos nie an—vielleicht liegen sie in einem Umschlag unterm Bett—, aber du weißt, dass es sie gibt. Manchmal machen wir die Fotos, aber schicken sie nie ab. Manche sagen: „Kommt herein und macht die Fotos, aber wir wollen sie nicht sehen, bis wir bereit dafür sind." Und das kann Jahre dauern.

Was nimmst du als Künstlerin und als Mensch aus einer Erfahrung wie dieser mit?
Ich hatte das Gefühl, dass ich jemandem ein riesiges Geschenk mache. Weil ich emotional in der Lage dazu bin, fand ich es wunderschön. Jedes Mal, wenn ich ein Baby fotografierte, wurde ich wieder daran erinnert, warum ich diese Arbeit mache. Der Umstand war natürlich sehr tragisch, aber für mich war es ein Weg, in einer schrecklichen Situation etwas Positives zu tun.

Du hast vorher dein eigenes Erlebnis erwähnt, als du das erste Mal deine Tage bekommen hast. Möchtest du mir davon erzählen?
Ich bekam meine Tage als ich im Sommerlager war und ich wusste, was es war, weil ich solche Dinge als Kind einfach wusste.

Ich bin im Sommerlager, ich bekomme das erste Mal meine Tage und möchte natürlich nach Hause gehen. Das, was ich jetzt sage, solltest du vielleicht nicht unbedingt veröffentlichen, weil meine Mutter das lesen wird. Sie schickte meinen Stiefvater, um mich abzuholen, was furchtbar demütigend war. Dann sah sie mich an und sagte: „Bist du nicht noch ein bisschen jung dafür?" Ich fühlte mich schrecklich. Ich war 11 und das ist eigentlich das Durchschnittsalter.

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[Anmerkung der Redaktion: Mittlerweile ist es in Ordnung für sie, diese Passage zu veröffentlichen.]

Das ist krass, aber wahrscheinlich kommt das gar nicht so selten bei Mädchen vor, die das erste Mal ihre Tage bekommen.
Ja. Frauen bekommen ihre Periode und sie wissen nicht, was mit ihnen passiert. Es gibt Frauen auf dieser Welt, die noch eine Periode gesehen haben. Aber klar, warum sollte man auch eine Periode sehen? Es gibt keine Fotos, die man sich ansehen kann.

Ich hatte eine Freundin, die mit mir die Periodenfotos machen wollte, weil ihr Vater damals, als sie jung, war zu ihr sagte, es sei dreckig und sie musste sich von diesem Erlebnis heilen. Sie wollte, dass ich die Fotos schieße, weil sie es selbst nicht schaffte. Die meisten Frauen, die sich bereit erklären, fühlen sich jedoch stark. Ich bin mir nicht sicher, ob das daran liegt, dass sie etwas überwunden haben oder dass sie ihre Periode von Anfang positiv erlebt haben.

Mein Fazit lautet: Das ist es. Es riecht, so sieht es aus, genau so ist es—kommt damit klar. Ich möchte mich nicht dafür entschuldigen, dass ich rieche oder dreckig oder eklig bin, weil ich eine Frau bin. Es ist etwas Natürliches.

Mehr von Jackies Arbeiten findest du auf ihrer Website, bei Twitter und bei Instagram.