Fragen, die der „Hot Migrants“-Instagram Account aufwirft

Das muss ein Scherz sein. Oder? Eigentlich ist ja das Internet ein Sammelsurium aus Tiefpunkten der Menschheit. Biernominierungen, Bitch-Tests und Uschi Fellners oder Volker Piesczeks Instagram-Accounts. Aber es geht schlimmer. Nicht, was das Fremdschämen angeht, aber vielleicht, was Pietätlosigkeit angeht. Der Instagram-Account „Hot Migrants" sammelt Fotos von gut aussehenden männlichen Flüchtlingen.

Beschreiben tut sich der Account wie folgt: „Handsome men on their journey to Europe. Their countries might be falling apart but their sex appeal still goes strong." Ich kann nur noch einmal sagen: Das muss ein Scherz sein. Aber das denke ich mir auch bei jedem Foto, das Volker Piesczek hochlädt. Hier einige Fragen, die der Account aufwirft.

Die erste Frage stellt ein User unter einem Foto (oben), das einen Mann zeigt, der nachts mit einer Fähre (in Griechenland?) angekommen ist. Nein, du kommst nicht in die Hölle, weil du findest, dass ein Flüchtling gut aussieht. Ich weiß, das mag jetzt etwas überraschend kommen, aber Flüchtlinge sind Menschen. Es gibt sie als Männer und Frauen, klein und groß, sie haben sogar verschiedene Haar-, Haut- und Augenfarben, Eigenschaften und Interessen und manche werden dir gefallen, manche nicht.

Sehr schwierig. Der Account zeigt auf der einen Seite, was Flüchtlinge sind: unterschiedliche Menschen, von denen man manche geil finden kann und manche nicht. Er bringt sie auf der einen Seite raus aus der Opferrolle, in der wir zu uns fliehende Menschen gerne sehen, was oft nicht hilfreich ist, weil wir ihnen auf Augenhöhe begegnen müssen, nicht als die großen Gönner.

Auf der anderen Seite: Fotos von Menschen in einer Notsituation zu verwenden, um dann über ihr Aussehen zu urteilen, bringt die Macher dieses Accounts eben genau wieder in die Rolle der Überlegenen.

Manchmal tauchen Fotos auf, auf denen ein so schöner Mensch zu sehen ist, dass die Welt durchdreht. Der Ridiculously Photogenic Guy oder der Hot Mughshot Guy zum Beispiel, die beide schnell zu Memes wurden. Das ist nicht ganz zu kontrollieren, so wie man nicht vorhersehen kann, dass die gesamte Menschheit darüber diskutieren wird, ob ein Kleid schwarz-blau oder weiß-gold (weiß-gold!) ist.

Doch dieser Account existiert ausschließlich zu dem Zweck, Fotos von Menschen in Not zu sammeln und sie für scharf oder nicht zu befinden. Das fühlt sich für mich schlicht und einfach falsch an. Anonyme Zahlen von flüchtenden Menschen sollte man durch ihre Geschichten zu Personen machen, nicht (ausschließlich) durch ihren Bart oder die ausgeprägten Wangenknochen—wobei man natürlich nicht leugnen kann, dass sich schlimme Geschichten von schönen Menschen oft leichter verkaufen. Sex sells eben. Egal wo. Der Account bringt uns nur „schöne" Flüchtlinge näher. Er zeigt nicht, dass Flüchtlinge, egal wie sie aussehen, „nur" Menschen sind und nicht anonyme Zahlen rund um Richtwerte und Obergrenzen, er zeigt nur: Schaut, der ist schön, der auch und der auch.

Der Gedanke, ob uns jemand gefällt oder nicht, ist in uns allen. Es ist nur die Frage, ob ich mit meiner besten Freundin darüber spreche, oder ob ich all das auf eine Bühne hebe, indem ich den Gedanken zum Beispiel einen Instagram-Account einrichte und andere Menschen darüber kommentieren lasse.

Soll dieser Account ein klassisches Hot-or-Not sein? Wollen die Macher zeigen, dass sowieso nur tolle, schöne Flüchtlinge nach Europa kommen? Wollen sie die anonymen Zahlen zu schönen Gesichtern machen? Wollen sie dumme Reaktionen von Usern hervorrufen oder auf die Oberflächlichkeit von Instagram aufmerksam machen? Wollen sie den europäischen Männern noch mehr Angst vor ankommenden Flüchtlingen machen?

Hot Korean Labour Camp Survivors?

Hanna auf Twitter: @HHumorlos #beards