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Wir haben den Sicherheitsratgeber für Dschihadisten gelesen

„Schau, dass die Farben zueinander passen. Ein rotes oder gelbes Shirt zu einer schwarzen Hose zu tragen, lässt dich wie jemanden wirken, der mit dieser Art von Kleidung nicht vertraut ist."

Das Cover des Magazins.

Seit einigen Tagen kursiert auf IS-nahen Websites ein Magazin, das Sicherheitstipps für die Planung von Terroranschlägen und Attentaten speziell für sogenannte „Lone Wolves" und kleinere Zellen im Westen geben soll. Wir haben den ganzen Guide gelesen, um euch hier ein paar Auszüge davon geben zu können. Damit wollen wir natürlich keinesfalls illegale Aktivitäten unterstützen, sondern lediglich zeigen, wie die IS-Miliz mit ihren westlichen Anhängern spricht.

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Unter dem Titel „Safety and Security Guidelines for Lone Wolf Mujahideen and Small Cells" werden auf 62 Seiten Tipps und Beispiele für die Planung, Vorbereitung und Ausführung von Terrorattacken gegeben. Außerdem werden auch Fallbeispiele von erfolgreichen und missglückten Anschlägen und deren Vorbereitung dargeboten, sowie die Arbeit von (westlichen) Geheimdiensten analysiert.

Foto aus einer Propagandazeitschrift von Al-Qaida.

Die Sicherheitstipps sollen eigentlich einem aus 30 Teilen bestehendem Vortrag des ehemaligen Al-Qaida-Sicherheitschefs Abu Abdallah al-Adam entstammen. Der Übersetzer hat jedoch diverse Sicherheitshinweise für westliche Dschihadisten, die Operationen im Westen ausführen wollen, adaptiert. Dafür hat er laut eigenen Aussagen sogar extra Allah um Erlaubnis gebeten. Für etwaige Tippfehler sei außerdem er alleine verantwortlich, während alles Gute der Arbeit von Allah selbst stamme.

In aristotelischer Manier wird mehrmals darauf hingewiesen, dass es für den erfolgreichen Mujahideen von Nöten sei, immer das Mittel zwischen zwei Extremen zu finden. Die wichtigste Tugend sei dabei ein Mittelwert zwischen Nachlässigkeit und Paranoia—womit wohl so etwas wie Selbstdisziplin gemeint ist.

Nach der Einführung beginnt die Anleitung mit einer Übersicht über generelle, zeitlich immer gültige Sicherheitsregeln und Tipps für Kreativität. So heißt es etwa in Bezug auf die Arbeit westlicher Geheimdienste: „Sie denken an Dinge, an die wir nicht gedacht haben und seit wir einen Einblick in ihre Arbeit haben, können wir uns das zum Vorteil machen."

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Foto aus einer Propagandazeitschrift von Al-Qaida

Ebenfalls unter das Kapitel „generelle Sicherheitsvorkehrungen" fällt der Punkt, dass beim Hantieren mit explosivem Material Vorsicht geboten sei. Denn „wenn irgendetwas während dem Präparieren in die Luft geht, kann man dabei selbst getötet oder verletzt werden und die Operation ist gescheitert". Schlussendlich heißt es noch: „Die individuelle Sicherheit ist wichtiger als die Operation"—ein Hinweis, der angesichts von Selbstmordanschlägen irgendwie seltsam wirkt.

In den folgenden Kapiteln werden vor allem der sichere Umgang mit dem Internet, klandestines Reisen und unauffälliges Fortbewegen sowie Methoden gegen Überwachung, aber auch zur Überwachung von Personen „die wir zum Beispiel ermorden wollen" erörtert. Die Tipps werden dabei immer wieder mit Beispielen versehen.

Auch ein Fall aus Österreich dient unter dem Punkt „Reisen mit einem gefälschtem Pass" als positives Fallbeispiel. Dort heißt es: „Ein Bruder in Österreich wollte mit einem gefälschten Pass in ein anderes europäisches Land reisen. Ein Polizist sagte zu ihm: ,Ich glaube dieser Pass ist gefälscht.' Der Bruder fing einfach an, zu lachen und der Polizist ließ ihn gehen."

Foto aus einer Propagandazeitschrift von Al-Qaida.

Ein großer Teil des Kapitels „Reisesicherheit" beschäftigt sich zudem mit adäquater Kleidung. Dschihadisten in westlichen Staaten sollten auf jeden Fall vermeiden, religiöse Kleidung oder Symbole zu tragen—es sei denn, es handle sich etwa um einen Kreuzanhänger, den man trägt, um die Ungläubigen zu täuschen. Das würde dann sogar Allah verzeihen.

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Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass man Kleidung trägt, die farblich zueinander passt. Rote oder gelbe Shirts zu einer schwarzen Hose gingen demnach zum Beispiel gar nicht, weil man damit im Westen zu sehr auffalle. Auch sollte die Kleidung dem Alter entsprechen.

Der Bart ist mindestens zwei Wochen vor dem Antreten der Reise zu scheren. Andernfalls ist die untere Gesichtshälfte nämlich wesentlich bleicher als Augen- und Stirnpartie, was wiederum ein Hinweis für das geschulte Auge der Geheimdienstagenten ist. Außerdem sollte man keinesfalls jene öligen, alkoholfreien Parfums verwenden, die Muslime benutzen, sondern stets typisch westliche. Und wenn man ein Mann ist, möge man auch Männerparfum verwenden!

Screenshot aus dem Ratgeber.

Hat man sich durch all diese Sicherheitsregeln gekämpft, wird es endlich ernst. Die Operation kann beginnen. Wichtig dafür ist, dass das Ziel präzise ausgesucht wurde. Man sollte sich noch einmal die Frage stellen, was sein eigentliches Angriffsziel ist. Auch die Art des Angriffs will gut überlegt sein: „Wenn ich jemanden töten will, wie mache ich das am besten? Erschieße ich ihn aus der Ferne oder der Nähe? Soll ich ihn erstechen? Gift auf seine Autotür schmieren? Oder doch einen vergifteten Brief schreiben?" Zur besseren Übersicht der diversen Möglichkeiten wird als Lektüre ein englischsprachiges Al-Qaida-Magazin empfohlen.

Auch wenn es bereits mehrere solcher „Hilfsschriften" der IS-Milliz und anderer Terrororganisationen gibt und manche der Sicherheitstipps absurd erscheinen, stellt das Dokument doch eine gewisse Bedrohung dar. Seit seiner Veröffentlichung vor wenigen Tagen gibt es zahlreiche Kopien davon. Über eine einfache Google-Suche ist es als PDF-Datei für jeden verfügbar. Hinzu kommt, dass neben den hier erwähnten Sicherheitstipps viele tatsächlich brauchbare Tipps zu Internetsicherheit, Verschlüsselung und Beschaffung von Safe-Houses gegeben werden und auch auf Quellen hingewiesen wird, wo man Anleitungen zum Bau von Bomben, Handgranaten und zur Beschaffung von Waffen findet.

Der Guide zeigt aber vor allem eines: Niemand wird als Dschihadist geboren. Auch „einsame Wölfe" wachen nicht plötzlich mit dem Gedanken und dem nötigen Know-how auf, etwas oder jemanden in die Luft zu jagen. Den Taten geht meist eine intensive Beschäftigung mit dem Thema und die Lektüre einschlägigen Materials voraus.

Paul auf Twitter: @gewitterland