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Ich brauche keinen Klischee-Feminismus

Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist noch ein nicht abgeschlossenes Kapitel in Österreich. Trotzdem sind die gesellschaftlichen Entwicklungen in Wirklichkeit besser, als sie dargestellt werden.
Foto via Courageous Cunts | flickr | CC BY-SA 2.0

Diesen Artikel aus Anlass des Frauentags mit dem Satz „Mir als Frau geht es eigentlich ziemlich gut in Österreich" zu beginnen, kommt mir plötzlich ignorant und naiv vor. Und das, obwohl es mir persönlich wirklich ziemlich gut geht. Ich lebe ein entspanntes Studentinnenleben, bei dem ich nicht das Gefühl habe, den patriarchalen Strukturen unterlegen zu sein. Aber vielleicht ist das nur deswegen so, weil ich ein Arbeits-Rookie bin. Und in meiner Branche (beziehungsweise als Frau im Journalismus) sind die Gehälter von Haus aus so niedrig, dass ein Gender-Pay-Gap gar nicht entstehen kann. Trotzdem bin ich nicht unaufgeklärt über die Missstände in der österreichischen Gesellschaft. Ja, es herrscht Ungleichheit zwischen den Gehältern von Männern und Frauen.

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Und ja, Werbedarstellungen von Frauen als halbnackte, gierige Luder oder als prüde Spaßverderber, die ihren Mann als Kleinkind betrachten (siehe Pizzaburger-Werbung) sind ziemlich scheiße. Die Gleichstellung der Geschlechter ist eben auch in einem von Wohlstand nur so triefenden Land wie Österreich noch nicht ganz angekommen. Das ist schon verständlich, wenn wir darüber nachdenken, wie jung die Frauenbewegung wirklich ist. Im zeitlichen Rahmen der Menschheitsgeschichte ist sie wie ein Säugling, der sich zwar erfolgreich gegen den Plötzlichen Kindstot—alias Weltkriege—zur Wehr gesetzt hat, aber noch immer nicht gänzlich ausgereift ist.

Jetzt fragt ihr euch sicher, warum ich euch mit evolutionären Kitsch-Vergleichen nerve. Ganz einfach: Nur weil es gesellschaftliche Gender-Missstände gibt, heißt das noch lange nicht, dass humorvolle Werbung das besser machen kann. Ich spreche hier von der übertriebenen Darstellung von Emanzipation, die nur darauf ausgerichtet ist, uns zu zeigen, wie toll die Gleichberechtigung vermeintlich läuft. Das schönste neue Beispiel der emanzipatorischen Arbeit unterstreicht meinen Punkt perfekt: Die „Good Weibs für Wien".

Wie sich geheuchelte Frauenpower mit dem Wort Weiber deckt, wird wohl Geheimnis der @SP_Wien bleiben. #goodweibs #spö pic.twitter.com/9ezXHedFtR
— Niki Riss (@nriss_) 28. Februar 2015

Dieses Plakat zeigt vier Stadtpolitikerinnen der SPÖ, die im Stil der Beatles auf dem Abbey Road-Cover einen Zebrastreifen überqueren. Auf den ersten Blick ist das Bild gar nicht so schlimm, weil die Damen nicht sexualisiert dargestellt werden und darüber kann man sich eigentlich immer freuen. Auf den zweiten Blick ist das Plakat schon allein wegen dem dummen Fake-Anglizismus eine Katastrophe. Wer möchte sich denn heute noch als Weib präsentieren? Das ist weder ironisch, noch lustig, sondern schlicht und ergreifend ein humorloses Herabsetzen—nicht nur von Frauen, sondern im Zusammenhang mit politischen Plakaten auch von ihrer beruflichen Kompetenz. Zu diesem Frauentagsfest, das die SPÖ damit bewirbt, möchte ich jedenfalls echt nicht gehen.

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Ebenso wenig empfiehlt es sich, im österreichischen Mainstream-Fernsehen nach realen und modernen Frauenbildern zu suchen. Dort läuft aktuell Vorstadtweiber in der Primetime—eine Mischung aus einem missglückten Abklatsch von Desperate Housewives und einer vor 10 Jahren abgesetzten Telenovela. Wer hier nach weiblichen Vorbildern sucht (oder, wenn wir schon dabei sind, auch nach männlichen), hat keine Ahnung, wer oder was Feminismus überhaupt ist.

Hier soll eigentlich das Leben in den noblen Vorstadtbezirken Wiens persifliert werden, aber was die Serie wirklich macht, ist flache und klischeehafte Frauenfiguren vor einem kriminell aufgeladenen Hintergrund zu porträtieren. Intrigen, die von Gier und Eifersucht geprägt sind, stehen noch lang nicht für Selbstbestimmung und Emanzipation. Schade, dass diese Eigenschaften oft durcheinander gebracht werden.

Die Vorstadtfrauen in Vorstadtweiber sind so etwas wie die Tableau vivants in Arrested Development oder Gilmore Girls bei denen sich alle Teilnehmer stundenlang wie antike Gemälde schminken und dann noch mal stundenlang stillhalten, um sich vom Dorfvolk angaffen zu lassen, statt den Mund aufzumachen. Eine Änderung ihres Charakters ist im Endeffekt nur möglich, wenn sie so werden wie ihre Männer. Und wenn sogar Mulan, also ein mittlerweile älterer Disneyfilm es schafft, eine kritische Message gegenüber dem Patriarchat zu zeigen, dann sollte es für eine heutige TV-Produktion wohl nicht so schwer sein.

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Natürlich kann man sich auch die Frage stellen, ob heutiger Feminismus überhaupt beworben werden muss. Sind wir nicht soweit, dass wir ganz auf sowas verzichten können sollten? Ich fürchte, leider nein. Wir brauchen öffentlichen Feminismus—und wir brauchen vielleicht auch den Frauentag, um uns allen ins Gedächtnis zu rufen, dass wir mit diesem Kapitel noch nicht ganz fertig sind. Was wir aber nicht brauchen, sind übertrieben lustig gemeinte Werbungen von politischen Institutionen, die wir gar nicht ernst nehmen können.

Ebenso wenig brauchen wir heimische öffentlich-rechtliche Produktionen, die Klischees reproduzieren. Sicher, Werbung ist nicht dazu da die gesellschaftliche Realität in all ihren Einzelheiten abzubilden—aber Werbung schafft es mittlerweile ja auch Männer nicht so zu inszenieren, als müssten sie Experten aller Lebenslagen sein, die sich morgens den Hut aufsetzen und ihrem Frauchen einen Klaps auf den Hintern geben. Männerforschung ist mittlerweile ein ebenso anerkanntes wissenschaftliches Feld, wie Feminismus es schon in den 1970er Jahren war.

Wenn also heimische Fernsehmarkt so klein ist, kann man dann das Geld nicht in gescheite und vor allem moderne Konzepte investieren? Zum Beispiel in einer Sendung, in der stereotype Geschlechterrollen keine Rolle mehr spielen, oder zumindest ernsthaft kritisch beäugt werden. Borgen, Parks and Recreation oder Girls sind nur drei von mittlerweile vielen Beispielen dafür, das Serien in denen es fast nur um verschiedene Frauenleben geht, total super sein können. Außerdem zeigen sie, dass auch humorvolle Darstellungen ernsthafte Gedanken provozieren können.

Wenn Vollblut-Politikerin Lesley Knopes in Parks and Recreation mit riesigen Mappen in Arbeit kommt, die voller Ideen für ein besseres Pawnee sind, dann ist das schon eine übertriebene Darstellung von politischer Arbeit. Trotzdem würde ich ihr tausendmal mehr Aufmerksamkeit schenken, als dem Plakat der SPÖ-Frauen. Man hat das Gefühl, dass sie voll und ganz hinter ihrer Arbeit steht—wir sprechen hier von einem fiktionalen Charakter—und sich nicht unnötig lustig inszenieren muss, um ernst genommen zu werden. Von dieser Einstellung könnten sich sowohl politische Institutionen, als auch die Schreiber von Vorstadtweiber eine Scheibe abschneiden. Am diesjährigen Frauentag werde ich mich jedenfalls damit trösten, dass die gesellschaftlichen Entwicklungen in Wirklichkeit besser aussehen, als ihre Darstellung in der Öffentlichkeit.

Anne-Marie auf Twitter: @Viennesecat


Titelbild via Courageous Cunts | flickr | CC BY-SA 2.0