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Ich habe mich auf die Suche nach luziden Träumen begeben

Nach meinen ersten Erfahrungen mit luziden Träumen ist mir die eine Realität nicht mehr genug.
Foto von Hartwig HKD

Inception ist nicht nur ein genialer Film, sondern pflanzte auch einen Gedanken in mir. Und wie es der Film lehrt, ist ein Gedanke wie ein Virus. Resistent, hochansteckend und die kleinste Brut kann wachsen.

Dieser Gedanke war die Skepsis gegenüber der einen Realität. Der Film weckte Erinnerungen an einen immer wiederkehrenden luziden Traum aus meiner Kindheit.

Luzides Träumen bezeichnet den Zustand, wenn man sich im Traum darüber bewusst wird, zu träumen. Dass sich Träume absolut real anfühlen, weiss jeder, der schon einmal schweissgebadet aus einem Alptraum erwacht ist. Das grandiose am wachträumen ist, dass man seinen Traum steuern kann. Man kann sich seinen tiefsten Ängsten stellen, den Traumpartner treffen oder seine innersten, sexuellen Fantasien ausleben.

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Wenn man eine neue Sprache lernt, kann man so die Zeit, in der man schläft, effektiv nutzen, um sein Hirn mit Vokabeln zu füttern. Oder man perfektioniert seine Snowboard-Technik, indem man die technischen Abfolgen immer und immer wieder durchgeht.

Foto von Flickr; Nesster; CC BY-Sa 2.0

Der Gedanke hat schon lange Wurzeln geschlagen und ich nehme mir vor, das Selbstexperiment des Klarträumens nochmals anzugehen. Etwas, was man als Kind gekonnt hat, muss doch wieder erlernbar sein. Google gibt mir ein paar Starttipps. Zunächst ist es wichtig, genug zu schlafen und ein Traumtagebuch zu führen, um wieder bewusster zu träumen. Denn was helfen luzide Träume, wenn man sich am Morgen nicht an sie erinnert?

Eine Technik ist das bewusste Achten auf Traumanzeichen, bei dem man sich mehrmals am Tag fragt, ob man nun tatsächlich wach ist oder träumt. Es gibt auch den sogenannten „Reality Check": Der Körper hat eine geniale Funktion entwickelt, die im Schlaf verhindert, dass sich die geträumten Bewegungen auf den schlafenden Körper übertragen. Wenn man sich also im luziden Traum die Nase zuhält, kann man weiteratmen und sich so versichern, dass man träumt.

Foto von Flickr; Hartwig HKD; CC BY-ND 2.0

Am ersten Tag starre ich die Bürotür an und stelle mir vor, durch die Tür ins Treppenhaus zu schauen. Da ich weiter nur die verschlossene Türe sehe, vermute ich nicht zu träumen. Ergo bin ich wach. Ich wiederhole dieses Kopfkino immer wieder, um diese Fantasie auch bis ins Unterbewusstsein zu bringen. Wenn ich dann im Traum überprüfe, ob ich wach bin, rutsche ich vom unbewusst träumenden, in den luziden Zustand und kann so beginnen, meinen Traum zu manipulieren.

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Am Abend versuche ich durch gerichtetes Denken meinem Unterbewusstsein einen luziden Traum zu befehlen. Es ist wichtig, dass sich der Körper möglichst entspannt und der Geist wach bleibt. Ich entspanne mich so sehr, dass ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf falle. Am Morgen bin ich enttäuscht. Aber ich bin sowieso zu früh wach und starte gleich einen zweiten Versuch.

Foto von Flickr; Hartwig HKD; CC BY-ND 2.0

Ich lege mein Aufnahmegerät neben das Kopfkissen, um allfällige Erinnerungen sofort draufzusprechen. Dann beginne ich meine Entspannungsübungen und mache meinem Verstand klar, wie wichtig es ist, im Traum den Reality Check auszuführen.

Nachdem ich mich von Kopf bis Fuss entspannt habe, schlafe ich ein. Ich träume mich in mein altes Primarschulzimmer, allerdings in der Rolle meiner ehemaligen Lehrerin. Ein Mädchen hält mir ein buntes Bild hin und bittet mich es gegen etwas zu tauschen. Ich bin überfordert, ich weiss nicht, was genau sie von mir will. Als ich ein zweites Mal hinsehe, merke ich, dass das Bild zerfliesst und zu einem Adventskalender wird. Das ist der Moment, in dem mein Hirn brav den Reality Check anwendet und ich bemerke, effektiv zu träumen.

Von da an kann ich meinen Traum bewusst beeinflussen. Ich spüre meinen Körper auf meiner Matratze liegen, ich merke, wie er von einer Welle der Entspannung gepackt und geflutet wird. Meine Glieder beginnen zu kribbeln und in diesem Moment kippe ich nach vorne aus meinem Körper. Anders kann ich es nicht beschreiben. So fliege ich über Zürich, ganz hoch am Himmel und bemerke die funkelnden Sterne. Und ich sehe all die Orte unter mir, mit denen mich etwas verbindet.

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Foto von Flickr; andsbands; CC BY-ND 2.0

Ich gleite direkt zur Strasse, in der ich aufgewachsen bin. Dort treffe ich meine beste Freundin aus Kindertagen und frage sie nach ihrer Handynummer. Sie antwortet, die Nummer brennt sich in meinen Kopf. Ich habe nun wohl, was ich gewollt habe und versuche, in meinen schwebenden Zustand zurückzugelangen. Es funktioniert aber erst wieder, als ich mir vor Augen führe, dass ich eigentlich in meinem Bett liege. So lasse ich dieses Gefühl, diese Welle der Entspannung, über mich kommen: Ich kippe wieder nach vorne und fliege.

Ich schwebe eine Weile zwischen dem schwarzen Himmel und der schwarzen Stadt. Dann beschliesse ich, die Farben zu verändern. Der pure Gedanke an einen türkisgrünen Himmel verändert diesen. Die Welt unter mir ist dunkel und unpassend. Ich will sie heller sehen und verwandle Zürich in eine Smaragd-Stadt. Ich empfinde keinen Unterschied zwischen normaler Welt und meinem Traumempfinden. Der Traum wird meine Wirklichkeit. Die Traumwelt gefällt mir in diesen Farben. Ich beschliesse aufzuwachen.

Foto von Flickr; akshay moon; CC BY 2.0

Als ich erwache, habe ich Kopfschmerzen und das Gefühl, einen Tag komplett durchgelernt zu haben. Ich bin erschöpft. Schnell spreche ich meine geträumten Erlebnisse auf mein Aufnahmegerät.

Als ich den Artikel zu Wachträumen verfasse und die Aufnahme nochmal anhöre, merke ich erst, wie surreal dieses Erlebnis war. Und trotzdem bleibt das Gefühl, diese Dinge effektiv erlebt zu haben. In den nächsten Tagen denke ich viel über den Begriff der Wirklichkeit nach. Die Telefonnummer, die sich während dem Traum in meiner Gedankenwelt verankert hatte, spukt mir eine Woche im Kopf herum. Ich speichere sie in meinen Kontakten ab und öffne gewohnheitsbedingt WhatsApp. Das kleine, runde Bild neben der Nummer zeigt das hübsche, lächelnde Gesicht meiner Freundin, die ich gut fünf Jahre lang nicht mehr gesehen habe.

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Titelbild von Flickr; Hartwig HKD; CC BY-ND 2.0