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Sex

Ich habe an fremden T-Shirts geschnüffelt, um die wahre Liebe zu finden

Aber anscheinend finden Frauen die Pheromone von Hunden aufregender als meine.

Alle Bilder von Nicholas Pomeroy

Wenn ich jemandem erzähle, dass ich zu einer Pheromon-Party gehe, bekomme ich meistens folgende Story zu hören: „Pheromone? Eine Bekannte von mir schmiert sich vor einem Date immer ihr Vaginalsekret als eine Art Parfüm auf die Kniekehlen.“

Das sind dann Pheromone, also Sexuallockstoffe, im eigentlichen Sinn. Die Vorteile von Vaginalsekret und die Theorie dahinter sind immerhin offensichtlich: Hau deinen Muschisaft auf deine Kniekehlen. Jungs stehen auf Muschisaft. Sie riechen ihn. Boom. Jungs fühlen sich unbewusst zu dir hingezogen, weil ihre Cromagnon-Gehirne durch so viel berauschendes Muschisaft-Aroma kurzgeschlossen werden.

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Aber die Pheromone, die uns zu der Pheromon-Party locken sollen, stehen auf einem ziemlich wackeligen Wissenschaftsgerüst. Das Konzept dieser Party wurde letztes Jahr von einer Künstlerin aus Los Angeles namens Judith Prays ins Leben gerufen und basiert komplett auf einem einzigen Experiment.

1995 brachte der Schweizer Wissenschaftler Claus Wedekind, der bestimmt so einen weißen Laborkittel aus einer Waschpulver-Werbung trägt, eine Gruppe Studentinnen zusammen und ließ sie an T-Shirts riechen, die von männlichen Studenten zwei Nächte lange getragen wurden (dabei durften diese kein Deo, kein Parfüm und keine Duftseife verwenden). Danach mussten die Studentinnen bewerten, wie sehr ihnen ein Duft gefällt.

Dann machte die Wissenschaft ihr Ding und es stellte sich heraus, dass alle Frauen Männer bevorzugten, deren MHC-Gene ungleich zu ihren waren. MHC-Gene stehen in Verbindung mit Krankheitsresistenz. Es schien, als wählten die Frauen unbewusst potenzielle Partner so aus, dass bei ihren zukünftigen Kinder die Gefahr einer Erkrankung an Malaria, Dengue-Fieber, Polio oder Typhus so gering wie möglich ist. Sie tauschten ihre Krankheitsimmunität quasi wie Panini-Bilder untereinander aus.

Es war ziemlich offensichtlich, dass Pray mit der Party, die in der Stories Bar in East London stattfand, aus diesem Experiment Geld schlagen wollte. Aber so was ist eben möglich in einer Welt, die so sehr nach neuen Dating-Möglichkeiten giert, dass man innerhalb von 12 Monaten von ‚Tinder' über ‚Smeeters' und ‚3nder' zu ‚Happn' kam. Europäische Großstädte liefern für das Ganze auch die perfekte Kulisse: sie alle sind im Grunde Auffangbecken für Millionen verzweifelte Singles zwischen 21 und 35, die ihre Lokalblogs eifrig auf der Suche nach irgendeiner neuen, bekloppten Beschäftigung durchsuchen.

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Der Ablauf ist ziemlich einfach. Alle müssen die drei Nächte vor der Party beim Schlafen ein T-Shirt tragen. Das wird dann in eine Tüte gesteckt. Die Tüten werden dann auf einem Tisch gesammelt und pink (weiblich) oder blau (männlich) markiert. Zusätzlich wird noch eine Nummer auf die Tüte geschrieben, damit sie dem Besitzer zugeordnet werden kann. Danach kann losgeschnüffelt werden.

Wenn du eine Tüte gut findest, dann machst du zusammen mit ihr ein Foto. Dieses Foto wird dann mit einem Beamer auf eine große Leinwand projiziert—so kann dann der Besitzer der Tüte vortreten und sich dir vorstellen. Bei einem Gespräch über die Vorzüge und die Schwachstellen des Geruchs in der Tüte kann dann ganz locker das Eis gebrochen werden: „Ein kleiner Hauch Luchs, eine scharfe Note vom Rasierschaum und ein ziemlich stechender Nachgeschmack von zerplatzten Träumen und Einsamkeit.“ So muss man sich das dann vorstellen, höchstens etwas kecker.

Mein letzter, verhängnisvoller Versuch neuartiger Dating-Methoden. (Foto: Chloe Orefice)

Da ich der VICE-Experte für schreckliche Dating-Methoden bin, entschloss ich mich dazu, das Ganze mal auszuprobieren. Auch ich habe Bedürfnisse. Hauptsächlich suche ich immer noch eine echte menschliche Frau, die sich in meiner beschissenen Wohnung über dem Lord Nelson Pub in Mudchute im Bett neben mich legt. Darüber hinaus musste ich mir selbst beweisen, dass mich junge, weibliche Singles immer noch ernst nehmen, obwohl ich in der Vergangenheit schon zusammen mit Goths und einem Mann, der jeden Tag Weihnachten feiert, zu einem Date gegangen bin.

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Leider konnte Letztgenannter mich nicht bei meinem Experiment begleiten—irgendwie war er beschäftigt mit dem „Feiern von Weihnachten“. Und dann schreibt mir auch noch Arno der Goth eine SMS: Er wünscht mir „viel Spaß“, aber er schafft es nicht, weil er sein Goth-Ding mit seinen Goth-Freunden durchzieht.

Ich bin also schon ziemlich spät dran, als ich mir den Halbtags-Filmemacher Oz und den Ganztags-Hausbesetzer Paul ins Boot hole. Keiner der beiden hat drei Nächte lang ein T-Shirt getragen und deswegen müssen wir uns nach etwas anderem umschauen, mit dem sie die Leute anlocken können.

Also gehe ich in einen Erotikladen in Soho und kaufe menschliche Pheromone. Dann gehe ich in die Zoohandlung nebenan und kaufe Hunde-Pheromone (zu sehen im oberen Bild). „Eine säugende Hündin produziert von Natur aus ein besänftigendes Pheromon“, heißt es in der Beschreibung. „Das vermittelt den Welpen ein Gefühl der Sicherheit… Forschungen haben ergeben, dass eine synthetische Kopie des Hunde-Pheromons Hunden jeden Alters Sicherheit und Behaglichkeit gibt.“ Ich denke mir, dass Hunde-Pheromone zumindest auf jeden Fall funktionieren werden. Hunde sind in der Evolution nur 50 Millionen Jahre vom Menschen entfernt. Wie groß kann der Unterschied da schon sein?

Beim menschlichen Pheromon—MOJO Pro—redet man gar nicht erst um den heißen Brei herum. Auf der Packung heißt es einfach: „Zieht Frauen an. Enthält starke menschliche Pheromone.“ Das spielt uns natürlich in die Karten, denn wir wollen uns gar nicht erst mit irgendwelchen schwachen und unwirksamen Lockstoffen aufhalten.

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Für uns nur das Beste. Deshalb macht es auch gar keinen Sinn, sich bei der Dosis zurückzuhalten. Das ‚Spacemen 3‘-Shirt von Paul wird in MOJO Pro getränkt.

Die Menge an Hunde-Pheromonen, die sich jetzt auf dem Shirt von Oz befindet, könnte eine ganze Schar Hunde in einem Kosmetik-Testlabor ruhig stellen.

Und ich? Da ich als Einziger pflichtbewusst jede Nacht ein T-Shirt getragen habe, würde man mich in der Wissenschaft als „Kontrolle“ bezeichnen.

Ich will jetzt nicht schon zu viel preisgeben, aber unsere Ergebnisse könntest du in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift ungefähr so zusammenfassen:

Experiment: Untersuchung, ob Pheromone nicht nur Bullshit sind.
Fazit: Hunde-Pheromone sind kein Bullshit.

Nachdem wir unsere Tüten auf dem Tisch platziert haben, nehmen wir uns selbst einige mit. Ich stecke meine Nase in ein paar Shirts von Frauen und atme tief ein. Schnell wird klar, dass man Frauen in drei grundlegende Kategorien einordnen kann: Weichspüler, Parfüm und überhaupt nichts. Wie auch für Platon sind diese jetzt für mich die grundlegendste Essenz der Weiblichkeit. Da haben wir die Madonna (Weichspüler), die Hure (Parfüm) und den unsichtbaren Rest (überhaupt nichts).

Die Leute stehen nervös in kleinen Grüppchen zusammen und reden über die Abläufe von Pheromon-Partys. Das Ganze erinnert an diesen Moment einer jeden Big Brother-Staffel, wo die Bewohner zum ersten Mal das Haus betreten, sich zusammensetzen und in wichtigtuerischen Ton über das Experiment an sich reden.

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Nummer 64 sorgt schon für ziemlich viel Aufregung. Ihre Tüte ist in dieser Stunde schon mindestens fünf Mal auf den Leinwänden erschienen. Sie muss vor Pheromonen nur so strotzen. Das Ganze hier scheint sich für Leute wirklich auszuzahlen, die ihre Pheromone nicht in einer Zoohandlung kaufen müssen.

Ich rede mit einem Mann mit einer Hornbrille (nicht der von dem oberen Bild). „Ich würde diese Veranstaltung mit Unterwäsche durchführen“, sagt er. Er erzählt dann noch, dass er „viele Komplimente“ bekommt, wenn ihm einer geblasen wird, denn er „isst zuvor immer Ananas“. Dieser Mann sollte auf humane Art und Weise eingeschläfert werden. Aber wenn du es den Leuten hier möglich machst, an T-Shirts zu schnüffeln, dann sei auch nicht überrascht, wenn solche Typen ebenfalls auftauchen.

Schon bald erzählt mir ein aufgeregtes Pärchen das neueste Gerücht: „Hast du schon gehört? Ein paar Typen von VICE sind hier. Die haben einem Hund ein Shirt angezogen und dieses Shirt liegt jetzt AUF DIESEM TISCH.“

Paul zeigt inzwischen beunruhigende Anzeichen von ernst gemeintem Interesse. Er hat ein Auge auf eine ganze Flut an Tüten geworfen und hält diese hoch. Man hat den Eindruck, als hofft er wirklich, dass er hier eine passende Partnerin findet. Ich will ihm klar machen, dass diese Leute hier in London Fields nur bei dieser Art Zeitvertreib mitmachen, weil sie die Speerspitze der Gentrifikation sind. Er hat als ein anarchistischer Hausbesetzer mit pinken Haaren, der letztens für das Freecyclen von Essen der Marke Iceland verhaftet wurde, andere Ansichten bezüglich Foodtrucks und Muji. Trotzdem soll er seinen Spaß haben.

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Oz hat mittlerweile schon eine Frau gefunden, der seine Hunde-Pheromone gefallen. Ein Foto von ihr mit seiner Nummer 154 ist zu sehen. Er findet sie in der Menge. „Der Geruch war irgendwie metallisch“, sagt sie. „Nein, eigentlich nicht beruhigend. Sehr erregend.“ Sie flirten so gut es geht, aber innerhalb von 90 Sekunden wird klar, dass es zwischen den beiden so funkt wie zwischen einem Hund und einem Laternenpfahl.

Der Alkohol fließt immer weiter. Um 22:00 Uhr haben zwei Leute Kaffeebohnen, U-Bahn-Tickets, Blumen, Deoroller und weiteren stinkenden Scheiß in ihren Tüten gepackt. Sie scheinen das witzig zu finden. Sie scheinen sich sogar komplett in sich selbst und ihren verrückten Scherzen verloren zu haben. Zumindest haben sich da Zwei gefunden.

Aber wie steht es um mich? Nun, ich würde euch jetzt gerne erzählen, dass jemand an meinem Shirt gerochen hat und auf der Stelle von meiner enormen Fickbarkeit überzeugt war. Das ist aber nicht der Fall. Nicht eine Frau konnte sich dazu durchringen, ein Bild mit T-Shirt Nummer 105 zu machen—in dem ich Nacht für Nacht davon geträumt habe, nicht mehr allein zu sein. Selbst Paul mit seinen gekauften menschlichen Pheromonen ergeht es nicht besser. Die brachten also einen Scheißdreck. Sein zartes Herz ist gebrochen.

Oz hingegen kann sich vor Hunde-Liebhaberinnen kaum retten. Er trifft auf vier verschiedene Frauen und sie wechseln ein paar Worte über den starken Sex-Cocktail in seiner Tüte. Es ist „wie ein doppelter Espresso“. Es ist wie „Zitronenkuchen“. Es ist „wie die Sonne, die dir an einem heißen Sommertag ins Gesicht scheint“. Bla bla bla. Nehmt euch ein Zimmer.

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Schließlich finden wir die legendäre Nummer 64. Sie ist jung, bildhübsch und arbeitet in einem Kunst-Auktionshaus. Das System funktioniert. Ich beschnuppere sie fast unmerklich auf Krankheitsimmunität. Mein Gott, sie ist auf jeden Fall für einen ordentlichen Cholera-Schutz gut. Meine Familie war schon immer sehr anfällig für Cholera. Nun, jetzt nicht mehr.

Am Ende unterhalte ich eine komplett in Schwarz gekleidete Frau, die hier ist, weil sie „schon immer von Gerüchen fasziniert war“. Es geht allerdings das Gerücht herum, dass sich in einer Tüte ein Hunde-Shirt befindet und diese eine Zahl trägt, die „mit 5 beginnt“. Also haben schon einige Leute aus Spaß ein Foto von sich und der Tüte der Frau in Schwarz (ihre Nummer beginnt mit 5) gemacht. Sie verkraftet das nicht so gut.

Es bilden sich einige Pärchen, die so aussehen, als wären sie sowieso die Gewinner jeder genetischen Lotterie gewesen, die man an diesem Abend veranstaltet hätte. Am Rand stehen viele niedergeschlagene Männer alleine rum und versuchen dabei so auszusehen, als seien sie nicht alleine. Dazwischen haben sich sich Grüppchen aus zwei bis drei teilnahmslosen Frauen in Partyoutfits gebildet, die das Flirten schon aufgegeben haben. Und dann bin da noch ich. Komplett allein gelassen.

Ein Hauch von Zurückweisung schwebt über den übrig gebliebenen Schnüfflern der Bar und mir wird entsetzlicherweise klar, dass ich zu ihnen gehöre. Der Gin läuft jetzt wirklich von selbst rein. Ich rieche mich nochmals durch alle T-Shirts. Aschenputtel muss doch hier irgendwo sein? „Ich werde die Frau heiraten, die zu diesem Shirt passt“, murmle ich mit komischem Blick.

Ich schnüffle und schnüffle. Sie ist irgendwo hier, meine Braut. Oh ja, ich bin verrückt nach den Tüten. Ich habe das Tüten-Fieber. Ich entscheide mich für Tüte Nummer 45. Scheiß auf die Frau, die dazu gehört. Dafür ist es jetzt zu spät. Die Tüte allein genügt mir—diese freche, kleine Tüte. Eine ungezogene kleine Hure, eine schmutzige Erregung und ein schrecklicher Flirt—dazu kommt ein Geruch nach Febreze mit Sommerfrüchte-Aroma. Aber das bringt meinen Cromagnon-Cortex richtig auf Touren. Ich nehme die Tüte mit auf die Straße und hyperventiliere, als ich eine wilde Knutscherei mit ihr nachspiele. Einige entscheiden sich lieber für die echte Variante. Aber wer braucht schon die echte Variante, wenn man eine Tüte besitzt, in die eine unbekannte Frau ein T-Shirt gesteckt hat?

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