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Ich habe mit fast 50 Mördern und Serienkillern Brieffreundschaften gepflegt

Nachdem ich ihnen das Rückporto oder Geld zum Telefonieren zugeschickt hatte, kam ich mit einigen der berüchtigsten und meistgehassten Verbrecher Amerikas in Kontakt.

Der Erste, an den ich mich erinnern kann, ist Ted Bundy. Ich war fünf Jahre alt und lebte in Florida. Ich erinnere mich, wie meine Eltern die Berichterstattung über seine Hinrichtung im Fernsehen verfolgten. Einige Zeit später, als ich sieben war, war Danny Rolling auf freiem Fuß. Ich weiß noch, wie meine Mutter zu mir sagte, er wäre ein Serienmörder—er hätte Leute umgebracht, erklärte sie, und „in manchen Fällen stellte er die Personen für die Schockwirkung in einer bestimmten Haltung zur Schau".

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Ich kann nicht genau sagen, wieso diese Erinnerungen bei mir so einen starken Eindruck hinterließen, aber irgendwie entwickelte ich eine Faszination für Mörder. Ich bemerkte, dass ich, obwohl sie ein landesweites Spektakel waren—die expliziten Geschichten ihres Mordvorgehens waren überall in den Nachrichten—, nichts über sie wusste. Also beschloss ich 2009 aus einer Laune heraus, Richard Ramirez einen Brief zu schreiben.

Kurz nachdem ich den Brief abgeschickt hatte, vergaß ich die Sache wieder. Zumindest bis ich drei Wochen später in den Briefkasten schaute und einen Umschlag mit meinem Namen darin fand. Die Adresse des Absenders war nur schwer leserlich gekritzelt, aber ich konnte erkennen, dass der Umschlag vom San Quentin State Prison stammte.

Der Brief selbst war ziemlich langweilig. Ramirez kam sehr freundlich und relativ normal rüber, mal abgesehen davon, dass er mich bat, ihm Fotos von Frauen am Strand zu schicken. Er fragte mich, welche Autos mir gefallen und welche Musik ich gerne höre. Wenn ich ihn nicht bereits schon als den Night Stalker gekannt hätte, hätte ich nicht sagen können, ob er für einen Gelegenheitsdiebstahl oder für einen Serienmord im Gefängnis saß. Er schrieb, dass er AC/DC-Fan ist—und als mir einfiel, dass er bei seinen Morden eine AC/DC-Mütze getragen haben soll, drehte sich mir der Magen um.

Seither habe ich mit mehr als 50 Serienmördern, Schul-Amokläufern und Massenmördern Briefe geschrieben.

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Von all den Mördern, mit denen ich Kontakt hatte, kann ich nur einen ehrlich als einen „Freund" bezeichnen. Barry Loukaitis war 1996 14 Jahre alt, als er mit einem Jagdgewehr und zwei Pistolen sein Klassenzimmer in der Frontier Middle School betrat. Er schoss auf mehrere Studenten und einen Lehrer, von denen drei ums Leben kamen und einer verletzt wurde. Ich schrieb Barry, ohne zu wissen, was ich erwarten sollte, aber er zeigte sich als extrem intelligenter Mann, der mehr Zeit seines Lebens im Gefängnis als draußen verbracht hat. Wir hatten sehr viel gemeinsam: Wir waren beide unerschrockene Atheisten, an Politik interessiert, in etwa gleich alt und waren mit den gleichen Computerspielen und Filmen aufgewachsen. Was mir an Barry auffiel, war seine ehrlich Reue gegenüber all den Leuten, denen er mit seinem Verbrechen geschadet hatte. Er weigert sich aus Respekt seinen Opfern gegenüber, mit Journalisten zu sprechen. Außerdem hat er recht lange damit verbracht, über sich selbst und die Entscheidung, die ihn lebenslang ins Gefängnis brachte, nachzudenken. Als ich ihn das erste Mal darauf ansprach, antwortete er:

Um es einfach auszudrücken, ich war ein Arschloch. Ich fühlte mich von allen ausgeschlossen und passte nicht dazu. Anstatt es so zu sehen, wie es wirklich war und meine Individualität zu akzeptieren, war ich gemein zu Leuten. Ich hatte eine sehr unreife „Sie sind es sowieso nicht wert"-Einstellung, die mich vor dem Gefühl der Zurückweisung schütze. Es reicht wohl, wenn ich sage, dass ich eine Identität annahm, die meiner Persönlichkeit eigentlich gar nicht entsprach. Tief drinnen wusste ich das, aber ich ignorierte es. Ich versuchte, ein furchteinflößendes Image zu entwerfen, handelte aber nie danach. Wenn ich herausgefordert wurde, machte ich einen Rückzieher. Nachdem das mehrere Male passiert war, hatte ich das Gefühl, ich müsste mir selbst beweisen, dass ich wirklich die Person war, die ich vorgab zu sein. Das Ergebnis war der Mord an mehreren Menschen.

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Er schrieb, dass er fantasierte, die Zeit zurückzudrehen und ein vernünftiges Gespräch mit seinem jüngeren Ich zu führen. „Es ist zwar ein Klischee, aber trotzdem wahr: Ich brauchte ein Vorbild."

Ich hatte kein Mitleid mit Barry, er hatte nichts anderes verdient, keine Frage. Aber ich verstand seine Situation. Er erzählte mir, dass die Schuld ihn komplett überwältigte, und ich fand die gesamte Situation ziemlich tragisch. Er wird seine Tat niemals rückgängig machen können, aber durch unsere Briefe konnte ich mit ihm auf menschlicher Ebene eine Verbindung aufbauen.

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Es sind jedoch nicht alle Mörder wie Barry. Meine Briefe von Phillip Jablonski—ein brutaler und sexuell motivierter Serienmörder, der in Kalifornien im Todestrakt sitzt—zeigten mir die grausame, kranke Logik einiger Mörder auf. Phillip und ich schrieben uns einige Jahre, uns unsere Unterhaltungen wurden immerzu von seinen Gewalt- und Mordfantasien niedergedrückt. Phillip ist genau so, wie man sich einen typischen Serienmörder vorstellt: Er prahlte mit seinen Verbrechen, sprach von schrecklichen Fantasien und er schickte meiner Frau (zu ihrem Entsetzen) selbstgebastelte Weihnachtskarten. Ich war erstaunt, wie er seine extrem gewalttätige Seite nach Belieben aus- und anschalten konnte.

Ich hatte sehr viele Albträume, die von Phillip handelten. Das ist eben der Preis, den man dafür bezahlt, wenn man in den Köpfen solcher Menschen wühlt: Manchmal verstecken sie sich in deinem.

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Die meisten meiner Briefe waren langweilig, ein besseres Wort dafür fällt mir nicht ein. Ich las Militärgeschichten und Theorien über Gott von Robert Yates, dem Spokane Serial Killer. Ich sprach mit Marc Sappington, dem Kansas City Vampire, über Kampfsport und erhielt von Bill Suff, dem Riverside Prostitute Killer, Kochrezepte. James Whitey Bulger erzählte mir Geschichten aus Alcatraz und über das Leben auf der Flucht und er warnte mich—als ob ich eine Warnung gebraucht hätte—vor einem Leben als Krimineller. Er verriet mir auch, was seine Henkersmahlzeit gewesen wäre, hätte man ihn zum Tode verurteilt: T-Bone-Steak, medium; dazu Salat mit Zwiebeln und ein Glas Rotwein oder eine Cola.

Ich schickte meinen Brieffreunden Geld für die Briefmarken und zum Telefonieren, damit sie nicht ihr eigenes dafür verwenden mussten. Ich war ja schließlich derjenige, der etwas von ihnen wollte. Nach ein paar Jahren hatte ich relativ viele Unterhaltungen mit mehr als zehn der berüchtigtsten und meistgehassten Personen Amerikas geführt. Ich erhielt Briefe von Susan Atkins, Ed Edwards und Karl Myers, nur wenigen Wochen vor deren Tod. Eine Zeit lang bekam ich eine scheinbar endlose Reihe an Briefen von Robert Bardo, dem Stalker und Mörder der Hollywood-Schauspielerin Rebecca Schaeffer, der ganz heiß auf Informationen über seine Lieblingsstars war. In vielen Fällen baten mich die Inhaftierten um Dinge—um Geld oder Bücher. Manche, wie Jack Spillman, der Werewolf Butcher, bat mich um Fotos von heißen Mädchen. Aber letzten Endes wollten die Leute, die ich kontaktierte, das Gleiche von mir wie ich von ihnen.

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Je mehr ich mich mit ihnen unterhielt und über sie erfuhr, desto weniger neugierig wurde ich. Nach fünf Jahren Briefkontakt mit diesen Verbrechern habe ich gelernt, dass hinter jedem Mörder ein Mensch steckt und keiner gleicht dem anderen. Barry Loukaitis erschoss seine Klassenkameraden als Folge seiner Depressionen und seines Identitätskomplexes. Michael Carneal war—und ist immer noch—geistig schwer krank. Andrew Williams wurde extrem gemobbt. Vor ihren Verbrechen waren sie alle sehr verschlossen. William Clyde Gibsons Motivation war Sex und er konsumierte Drogen und Alkohol, um sich selbst zu ermöglichen und sich zu ermutigen, seine Fantasien auszuleben. Tommy Lynn Sells' Motivation war die Wut, die sich in seinem harten Leben angestaut hatte, und Paul Reids Motivation war die Gier. Jeder von ihnen strebte durch die Morde nach Macht und Kontrolle. Das zu wissen, macht ihre Verbrechen nicht weniger schlimm, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es ein wichtiges Detail ist. Ich habe das Gefühl, es ist wichtig, eine Antwort zu haben, anstatt darüber im Dunkeln zu tappen, warum jemand einen anderen Menschen umbringt. Obwohl es Parallelen gibt, unterscheiden sich die Mörder und ihre Verbrechen voneinander. Es ist nicht immer alles so eindeutig, wie manche gerne glauben würden. Und es ist definitiv nicht damit getan, jemanden einfach von Natur aus als „böse" abzutun. Es steckt viel mehr dahinter.

Ich werde oft gefragt, ob ich aufgrund der intensiven Unterhaltungen mit den Mördern mehr Verständnis für sie habe. Aber tatsächlich habe ich durch diese Erfahrungen mehr Mitgefühl mit ihren Opfern. Ihre Geschichten wurden für mich äußerst real—sie waren nicht mehr nur ein Artikel in der Zeitung, eine Seite in einem auf Gegebenheiten beruhenden Kriminalroman oder ein Beitrag in den Abendnachrichten.

In letzter Zeit habe ich keinen Straftätern mehr geschrieben, aber ich habe kürzlich mit der Hilfe von Dr. Maurice Godwin mein erstes kriminelles und geografisches Profil für den ungeklärten Fall des Daytona Beach Serial Killer erstellt. Ich wurde außerdem für das Buch Invisible Killer: The Monster Behind the Mask, das von einen Serienmörder namens Charlie Brandt handelt, um Rat gebeten. Durch meinen Austausch mit verschiedenen Straftätern verstehe ich sie als Kriminelle besser und kann Eiblicke gewähren, die man in keinem Buch findet. Wenn es nicht durch das direkte Gespräch über ihre Verbrechen war, habe ich diese Erkenntnisse gewonnen, indem ich ihr Verhalten, ihre Manipulation, ihre Sozialinteraktion, ihr Privatleben und ihre Vergangenheit in unseren Unterhaltungen aus erster Hand beobachtete. Diese Informationen bringen Licht ins Dunkel über diese Mörder und andere wie sie. Ich verwende mein Wissen, um sie zu entlarven.

Der ehemalige FBI-Profiler John Douglas sagte: „Um einen Künstler zu verstehen, muss man sich seine Kunst ansehen." Aber um seine Kunst zu verstehen, muss man sich auch den Künstler ganz genau ansehen.