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Popkultur

Im Schweizer Fernsehen werden wieder „Nigger“ ermordet

Die zweite Staffel der Schweizer Satiresendung Bild mit Ton ist angelaufen. Leider nur auf einem Spartensender, aber eigentlich ist das auch egal: Es gibt ja Internet.
Screenshot von VIMEO

Satire darf alles!" schrien die „Je suis Charlie"-Jünger seit den Anschlägen in Frankreich. Trotzdem bin ich überzeugt, dass hinter den schwarzweissen Facebook-Profilbildern nicht wenige stecken, die empört aufschreien würden, würden sie auch nur fünf Minuten Bild mit Ton schauen. Doch das werden die meisten leider nicht—die Satiresendung läuft nur im Nischensender Sportszene Fernsehen (Wo?) und im Internet.

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DAS HAUS IN DEM MAN LSD KONSUMIERTE und BILD MIT TON von BildMitTon auf Vimeo.

Ich zog mir das Spektakel im Zürcher Dada-Tempel Café Voltaire beim Public Screening der ersten Episode der zweiten Staffel rein. Zusammen mit Medien-, Kultur- und anderen Fuzzis, die es in ihrer Würde verletzt, wenn ihre Beanies bis über die Ohren reichen, lachte ich über Rassismus, Sexismus und ein paar weitere -ismusse—was man an einem Montagabend eben so macht.

Meine Erwartungen an die Episode waren hoch. Die erste Staffel—irgendwo zwischen der (ORF-)Sendung ohne Namen, infantilem Nonsense und gelebtem Tabubruch—fand ich mit das Beste, was die Schweizer TV-Landschaft in den vergangenen Jahren zu bieten hatte. Zugegeben: Nicht sonderlich schwierig, wenn der mediale Höhepunkt 2014 eine peinliche Talk-Sendung war, in der die Egos eines selbstverliebten Establishment-Linken und eines hinterwäldlerischen Irokesen-Clowns aufeinander einprügelten.

Die Bild mit Ton-Macher—die First Lady des Schweizer Poetry Slams, Lara Stoll, der Filmstudent Cyrill Oberholzer und mein Liechtensteiner Landesfreund (und auch Filmstudent) Dominik Wolfinger—versprachen für die zweite Staffel: Mehr Mut! Mehr politisch Inkorrektes! Mehr South Park. Anders als in Staffel Nummer eins setzen sie dabei auf ein klareres Konzept. In den sechs Episoden wird je ein alter Film zusammengeschnitten, neu vertont und mit Archivmaterial und Retrolook-Selbstgedrehtem veredelt.

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TEASER von BildMitTon auf Vimeo.

Umgesetzt sieht das so aus: Aus dem 1968-Zombiestreifen Night of the Living Dead wird eine wirre LSD-Story. Die Lehrerseminar-Studentin Stefanie fährt in ein Landhaus, um zu trippen, wird dabei von Zombie-„Hurensöhne" verfolgt, von einem cholerischen, schwarzen Feng Shui-Innenarchitekten zu Boden geboxt und mit einem Speed-suchenden Mittfünfziger konfrontiert. Der schwarze Innenarchitekt ist ein Projekt dadaistischer Eltern, die ihn auf den Namen „Nigger" getauft haben, wird beiläufig erschossen, als die Polizei nach einem Einbrecher sucht.

Screenshot von Vimeo

Dafür feiert Hitler seinen besten Gig am Woodstock mit einem Hardstyle-Remix seines grössten Hits „Sieg Heil". Die „Spielshow-Hure" Michelle Hunziker wird mitsamt ihren Spitex-Betreuern öffentlich gehängt und Rainer Maria Salzgeber stirbt bei der Moderation an altersbedingtem Krebs. Das wird immer grundiert von flachen Deine Mutter-Witzen, Kleinwüchsigen-Wrestling und … Beni Thurnheer, der den Anarcho-Donnschtig Jass moderiert („Tod schlägt Magic-Karte!"). Reizworte-Bilanz nach 48 Minuten: 31 Mal „Penis", 21 Mal „Nigger", acht Mal „Hurensohn".

Screenshot von Vimeo

Damit kommt Bild mit Ton rein quantitativ nicht ganz an die legendäre South Park-Episode mit 153 „Fucks" ran. Doch in der Schweizer TV-Landschaft macht keiner Witze auf diesem Niveau. Giacobbo/Müller ist ein sonntäglicher Kaffeebrunch gegen die—trotz Storyline—wirr genug gebliebenen Tabubruch-Pointen von Bild mit Ton. Nun könnte ich lediglich kritisieren, dass es ein leichtes ist, satirisch auf andere einzuprügeln. Diesem Punkt halten die Bild mit Ton-Macher aber starke Argumente entgegen: Im Intro der ersten Episode sieht man ein prachtvolles Exemplar eines Lara Stoll-Stirnpickels in Grossaufnahme und die letzten fünf Minuten der Episode quälen sie uns mit behaglich vor sich hingrasenden Büffeln. Unnötig? Vielleicht. Aber in seiner John Cage-Konsequenz.

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Die zweite Episode feierte gestern im Perla Moda Premiere (Im gleichen Grad grenzenlos: Ueli Maurer in einem Kung Fu-Schwingfest-Film) vor Publikum:

DAS ULTRA TOLERANTE SCHWINGFEST 3000 und BILD MIT TON von BildMitTon auf Vimeo.

Die dritte Episode von Bild mit Ton wird nächsten Montag um 20:00 Uhr beim Public Screening in der Bundeshaus Bar Wiedikon gezeigt oder ab 19:00 Uhr im Schweizer Sportszene Fernsehen und auf Facebook.

Sebastian Sele auf Twitter: @nitesabes

Vice Switzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland