In Afrika trägt man jetzt Old Skuul

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Popkultur

In Afrika trägt man jetzt Old Skuul

Kreativität in Sachen Klamotten findet nicht nur auf den Laufstegen von Paris, Mailand und New York statt. Malte Wandel ist nach Westafrika gereist und hat coole Trends für ein kleines Budget fotografiert (und wir sprechen nicht von afrikanischer...

Kreativität in Sachen Kleidung findet man nicht nur auf den Laufstegen von Paris, Mailand und New York. Malte Wandel ist nach Westafrika gereist und hat coole Trends für ein kleines Budget fotografiert (und wir sprechen nicht von afrikanischer Stammeskleidung).

VICE: Deine Bilder Please don't smile aus Westafrika erregten viel Aufmerksamkeit, vor allem wegen der Kleider. Da gibt es einen Surfer, einen Fußballspieler oder Michael Jackson … Wie hast du die Typen kennengelernt?
Malte Wandel: Die meisten Charaktere habe ich auf der Straße angesprochen. Bis ich mich das zum ersten Mal getraut habe, war ich aber sicher schon ein paar Wochen im Land. Ich habe langsam ein Gefühl für die Menschen entwickelt. Mit den Surfern war ich selbst ein paar mal im Wasser. Da ist es natürlich einfacher. Ich habe versucht, mein Projekt zu erklären, auch wenn mir selber nicht immer so genau klar war, was ich da überhaupt mache. Die Menschen waren alle super offen, freundlich und interessiert. Sie fanden es toll, fotografiert zu werden.

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Die Typen haben erstaunliche Kleidungen. Kannst du was dazu sagen? Beziehungsweise was macht der verkleidete Junge, der am Strand steht?
Die Ghanaer lieben es zu feiern. Stadtfeste, Unabhängigkeitstag oder christliche Feiertage bedeuten vielerorts Ausnahmezustand. Tausende Menschen kommen zusammen und vor allem Jugendliche verkleiden sich zu solchen Anlässen gern. Das Monsterkostüm ist fast schon eine Berufskleidung. Für ein paar Cent kann sich jeder mit dem Monster fotografieren lassen.

Du hast viele junge Leute während der Arbeits und auch in ihrer Freizeit fotografiert—zum Beispiel der Typ mit einer Uhr am Bein … Was für Trends gibt es noch in Ghana und woher kommen diese Trends?
Der Junge ist Feldarbeiter, kommt aus sehr ärmlichen Verhältnissen auf dem Land und kannte die Marke Ed Hardy sicher nicht, als er sich das gebrauchte rote T-Shirt auf einem der zahlreichen Märkte für Second-Hand-Kleidungsstücke für ein paar Cent gekauft hat. Er geht keinem besonderen Trend nach, wichtig ist für ihn, dass er überhaupt etwas zum Anziehen hat. Was manche Menschen in anderen Teilen der Welt für solche Markenklamotten ausgeben, kann er sich nicht vorstellen. Ganz anders ist die Situation in den größeren Städten. Dort haben sich viele spannende Subkulturen und Trends entwickelt. „Old Skuul“ ist einer der auffälligsten Trends. Vorlagen sind alte Fotos aus der Kolonialzeit. Wichtig ist aber auch, dass das Outfit möglichst schrill und verrückt ist, oder man bindet sich eben eine Uhr ans Bein.

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Old Skuul?! Erzähl mir mehr davon …
Old Skuul ist ein Kleidungstrend in Ghana, der sich unter Jugendlichen in den letzten Jahren weit verbreitet hat. Er ist eng mit der Tanz- und Musikrichtung Highlife verbunden. Highlife kombiniert traditionelle afrikanische Elemente mit Instrumenten aus Europa. Hiplife ist später in den 1990ern mit Einflüssen von Highlife und HipHop aus den USA entstanden. Die Old-Skuul-Jugendlichen tragen Hosenträger, Schlips oder Fliege. Riesige Sonnenbrillen oder andere verrückte Accessoirs. Als Vorlagen dienen alte britische Schuluniformen. Aber eigentlich ist alles möglich. Teilweise verkleiden sich junge Männer auch als Frauen. Sehr interessant, da Homosexualität unter Männern in Ghana verboten ist.

Was inspiriert die Kids?
Auffällig in Ghana sind die starken amerikanischen Einflüsse. Viele Afroamerikaner sehen in Ghana das Heimatland ihrer Vorfahren, die als Sklaven nach Amerika verschleppt wurden. Viele Ghanaer sehen in Amerika das Land ihrer Hoffnungen. Auch die Beziehungen zu Großbritannien wurden nach der Unabhängigkeit nie gekappt. Durch die Diaspora ist so mancher Trend aus London oder New York vielleicht manchmal schneller in Ghana als in Deutschland. Beeindruckend sind auf jeden Fall die Kreativität und der Einfallsreichtum der jungen Leute, die mit eingeschränkten Möglichkeiten die Trends ihrer Vorbilder zu eigenen, verrückten Stilen entwickeln. Ob bewusst oder unbewusst ist dabei ziemlich egal.

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Und von welchen Künstlern und Fotografen lässt du dich inspirieren?
Schon während dem Studium habe ich mich viel mit anderen Fotografen und Künstlern beschäftigt. In Deutschland führt an der Porträtfotografie von August Sander kein Weg vorbei. Doch auch die Aufnahmen aus den 50er Jahren des malischen Fotografen Seydou Keïta und die zeitgenössischen südafrikanischen Fotografen Pieter Hugo und Guy Tillim haben meine Arbeit stark beeinflusst.

Ich kann diese Frage nicht vermeiden aber … was ist dein Lieblingsbild aus Please don't smile?
Zu dem 19-jährigen Michael Jackson-Look-a-like Stanley habe ich eine besondere Beziehung aufgebaut. Ich habe ihn schon an einem der ersten Abende in Ghana vor einem Nachtclub kennengelernt. Er arbeitet als Straßentänzer im Nachtleben der Hauptstadt Accra. Die Aufnahmen mit ihm waren der Ausgangspunkt der Serie.