FYI.

This story is over 5 years old.

News

In London kämpfen Aktivisten mit Beton gegen Anti-Obdachlosen-Stacheln

Immer mehr Geschäfte in London rüsten ihre Eingänge mit Metallstacheln aus, um unschöne Obdachlose am Schlafen zu hindern. Ein paar Jungs sind damit nicht einverstanden—und sie haben einen Betonmischer.

Für den Anfang: Vor einiger Zeit tweetete ein Typ namens Andrew Horton ein Foto von dem mit Metallstacheln verzierten Vorplatz eines Luxus-Appartmenthauses in London. Während in Österreich von Supermärkten verzweifelt Eisengitter vor Lüftungsschächte montiert werden, werden in London Stacheln angebracht, um es Obdachlosen zu verleiden, sich dort niederzulassen. Das Bild der „Anti-Obdachlosen“-Stacheln verbreitete sich viral und löste einen Sturm der Empörung aus. Wenigstens diese Stacheln wurden jetzt entfernt, aber es sind nicht die einzigen.

Anzeige

Am Donnerstag in den frühen Morgenstunden eskalierte nun der Kampf gegen Londons „Anti-Obdachlosen“-Stacheln von harmlosem Schilderhochhalten zu einer radikalen Aktion. Im Morgengrauen zogen einige Aktivisten verkleidet als Bauarbeiter los und kippten Beton über die Metallstacheln vor dem Tesco auf der Regent Street und kündigten daraufhin an, diese Aktion wenn nötig zu wiederholen.

Bei den Aktivisten handelte es sich, wie ich inzwischen weiß, um Mitglieder der „London Black Revolutionaries“, die mit verschiedenen Aktionen gegen soziale Ungerechtigkeit kämpfen und London zur „faschistenfreien Zone“ erklären wollen.

Ich hatte einen Hinweis bekommen, dass schon am frühen Morgen eine Protestaktion über die Bühne gehen soll. Ich ging also los, um es mir mit eigenen Augen anzuschauen.

Auf dem Weg durch das West End zu der Location war deutlich zu sehen, warum dieses Thema so viele Menschen bewegte. Ich sah eine Menge Obdachloser, die Eingänge von Geschäften als Unterschlupf verwendeten. Je mehr private Läden also Metallstacheln an ihren Eingangsbereichen installierten, desto weniger schutzbietende Schlafplätze gibt es.

Die Zahl der Obdachlosen in England steigt seit den letzten Jahren kontinuierlich an. Programme, die Menschen dabei helfen, wieder von der Straße zu kommen, haben ihre Mühen am Leben zu bleiben und die Wartelisten für Sozialwohnungen sind lang.

Einige haben gesagt, dass die Stacheln eine gute Sache sind, weil draußen zu schlafen gefährlich ist und deswegen unterbunden werden sollte. Das Problem dabei ist nun aber, dass sich die Leute in der Regel nicht selber aussuchen, auf der Straße zu übernachten. Die beste Art, das zu unterbinden, wäre wahrscheinlich einfach, die Regierung dazu zu bringen, die steuerlichen Vorteile für die Hausprojekte der Reichen zu stoppen, anstatt eine jetzt schon unangenehme Situation noch schlimmer zu machen.

Anzeige

Ich hing schon eine Weile vor Tesco ab, als dann plötzlich ein paar Typen in Bauarbeiterklamotten auftauchten.

Jeder von ihnen trug Eimer, die, wie sich schnell herausstellen sollte, voll mit Zement waren. Sie kippten den Inhalt über den Spikes aus und schwerfällige Masse landete mit einem dreckigen Klatschen auf dem Vorsprung. Daraufhin versuchten die Aktivisten die Pampe mit ein paar Holzbrettern etwas ebener zu verteilen, aber der Zement war schon ziemlich dick und lies sich nicht mehr wirklich formen.

Als sie dann schnell in einer Nebenstraße verschwunden waren, schaffte ich es, sie einzuholen und fragte einen von ihnen, was genau sie da gemacht hatten. Sie erklärten mir, dass sie versucht hatten, die Stacheln mit Beton zu verdecken, um die Fläche wieder eben zu machen. „Diese [Spikes] befinden sich an Stellen, wo Menschen versuchen einen halbwegs gemütlichen und weniger feuchten Ort zu finden, um sich auszuruhen“, sagte einer. „Das sind Orte, auf die die Unterschicht angewiesen ist. Wir geben [Tesco] unser Geld und so behandeln sie uns.“ „Obdachlose sind dank der Sparprogramme der Tories mit die verletzlichsten Menschen unserer Gesellschaft“, fügte ein anderer Aktivist hinzu. „Sie haben die Förderung für Obdachlosenunterkünfte eingeschränkt. Crisis stecken buchstäblich in der Krise. Immer mehr Menschen leben auf den Straßen, immer mehr Menschen sind auf Nahrungsmittelspenden angewiesen—und gleichzeitig gibt es hier Geschäfte, die solche Anti-Obdachlosen-Spikes anbringen. Es ist wirklich entwürdigend, Menschen so zu behandeln.“

Anzeige

Nach unserer Unterhaltung bereitete sich die Gruppe auf eine zweite Runde vor. Dieses Mal kippten sie die Zementmischung direkt aus dem Sack auf die Ablage und kippten danach das Wasser drüber. Das Ergebnis war eine pulveriger Klumpatsch und eine ordentliche Ladung zementhaltiges Wasser, die sich über den Bürgersteig ergoss.

Als ich sie darauf ansprach, dass das, was sie mit Stacheln taten, illegaler Vandalismus sei, sagten sie zu mir, „Das ist uns ziemlich egal, um ehrlich zu sein. Wenn irgendwo anders in London welche von den Teilen auftauchen, werden wir das gleiche mit ihnen machen.“

„Anderen wird es genauso ergehen. Genau so werden wir auch mit den anderen umgehen.“

Damit zogen sie los—mit ihren Eimern im Schlepptau.

Obdachlose Londons, eure unbequeme neue Matratze ist fertig. Tesco wiederum bemühte sich, zu betonen, dass die Stacheln nicht dazu da seien, um Menschen dort vor dem Schlafen abzuhalten. Sie würden viel mehr dazu dienen, Menschen davon abzuhalten, rauchend und trinkend vor dem Geschäft zu sitzen, was viele Kunden abschrecken würde. Zu Ungunsten des Supermarktes muss ich allerdings anmerken, dass die Ladenfront jetzt noch wesentlich weniger einladend aussieht als zuvor.