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Interviews

Die schwierige Geschichte des Ex-Moderators, der sich als rechter Hetzer verkleidet hat

„Die neue Form des Faschismus ist jene der Political Correctness", sagt Percy Hoven. „Meine Aktion war eine Notwehr gegen diese Bewegung."
Dr. Alfons Proebstl 85 - PACK! Screenshot via Youtube

Ursprünglich wollten wir Percy Hoven einfach im Rahmen der Festivalreihe Austrian Pulp interviewen, die dieses Jahr im Zuge der Viennale stattfand und immer wieder das etwas abseitige und abartige Österreich ins große Kino holt.

Percy war von Kleinauf Teil der alternativen Austro-Trash-Geschichte: Sein Vater Adrian Hoven sorgte 1970 mit Hexen bis aufs Blut gequält für ein kleines Exploitation-Meisterwerk, in dem Percy als Kind eine Nebenrolle spielte. Aus diesem Grund haben wir Percy schon Ende März 2014 interviewt und dabei einiges über Big Brother, Kunstblut und Porträtmalerei erfahren.

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Bei der Vorbereitung zu unserem zweiten Gespräch (die dank einiger verstrichener Telefontermine seitens Percy länger dauerte, als geplant) stellte sich dann schnell heraus, dass hier noch eine ganz andere Geschichte wartete. Percy Hoven ist nicht nur der Sohn eines Trash-Regisseurs und ehemaliger TV-Moderator, sondern auch die Person hinter der rechten Kunstfigur Dr. Proebstl, die erst Anfang Oktober 2015 enttarnt wurde.

Als rechter Agitator mit Wiener Akzent führte er unter anderem Interviews mit Eva Herman und Akif Pirinçci. Ihm wurde von Lutz Bachmann das Mikrofon gehalten, als er auf der Bühne von Pegida in Dresden eine Rede hielt. Und er hatte einen YouTube-Kanal (mit fast 13.000 Followern), auf dem er sich über das Geldsystem, Political Correctness, Gender Mainstreaming, die Identitären, die Systempresse, die Flüchtlingssituation und überhaupt alle neurechten, wirren Verschwörungs-Trendthemen ausließ.

Nach seiner Enttarnung Anfang Oktober—als Proebstl trug er immer eine Maske—und einem Haufen Kritik bestritt Hoven, dass er das Gedankengut Proebstls tatsächlich teilt. Für ihn war die Figur nach eigener Aussage reine (wenn auch bösartige) Satire. Inzwischen bereut Hoven den Auftritt auf der Pegida-Bühne, heißt es. Unklar ist, ob diese Reue damit zu tun hat, dass der ehemalige Moderator mittlerweile von rechten Zeitschriften und Blogs entweder zum Märtyrer der Wahrheit erhoben, oder als Feigling gebrandmarkt wurde, der vor dem System eingeknickt ist, dem er zuvor den Spiegel vorgehalten hatte.

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Wir wussten selbst nicht so genau, was wir von der ganzen Angelegenheit halten sollten. Am Ende haben wir Percy doch noch für ein Gespräch erreicht. Ob seine Kunstfigur reflektierte Satire oder naives Kasperltheater für Rechte war, ist auch danach nicht so einfach zu beantworten: Hoven bezeichnet sich gleichzeitig als unpolitisch und offen, spricht aber auch von „Notwehr gegen die Political Correctness" und vergleicht sich mit Galileo Galilei. Wir vertrauen auf eure Medien- und Menschenkompetenz und überlassen euch das Urteil.

VICE: Hey Percy! Dein Name klingt für einen Österreicher sehr außergewöhnlich. Aber das ist dein Geburtsname, richtig?
Percy Hoven: Ja, hundertprozentig echt. Meine Mutter stammte aus einer holländischen Familie. Dort wurden während des Zweiten Weltkriegs die Menschen dazu angehalten, ihren Kindern deutsche Namen zu geben. Meine Großeltern weigerten sich und irgendwie wurden angelsächsische Vornamen dann zu einer Familientradition. So wurde ich zu Percy.

Dein Vater ist verantwortlich für filmische Perlen wie Hexen bis aufs Blut gequält und Hexen – geschändet und zu Tode gequält, die letztes Jahr Thema einer internationalen Konferenz an der Uni Wien waren. Wie ist das, wenn diese Filme mal nicht von Horrorfans, sondern auch von Wissenschaftlern geschaut werden?
Skandale brauchen immer ein wenig Zeit, um Anerkennung zu finden. Wenn man sich fernab vom Mainstream bewegt, läuft man immer Gefahr, missachtet zu werden. Oftmals zeigt sich erst mit der Zeit, dass gerade solche Werke besondere Qualitäten besitzen.

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Trailer zu Hexenjagd in Mauterndorf.

Vor kurzem feierte im Rahmen des Austrian Pulp die wundervolle Dokumentation Hexenjagd in Mauterndorf ihre Weltpremiere. Hast du dabei selber etwas Neues erfahren?
Durch die Augen eines Kindes sieht man die Welt natürlich ganz anders. Ich konnte mich aus meiner Kindheit vor allem noch an den Geruch des Filmbluts erinnern. Es war interessant zu sehen, wie es das Team damals schaffte, so einen Film umzusetzen. Es war schön, sich in dieser Form an die Zeit zurückerinnern zu können.

Stimmt es, dass während des Drehs zu Hexen bis aufs Blut gequält eine Tripperepidemie ausbrach?
Ja, da ist das Filmgeschäft seinem Ruf sehr gerecht geworden (lacht). 16 Individuen hatten sich an einem Individuum angesteckt. Einige Darsteller wollten dann sogar von meinem Vater die Arztkosten erstattet bekommen, aber da hat er nicht mitgespielt.

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Auch du hast mediales Neuland betreten. Du warst Moderator der ersten deutschen Big Brother-Staffel, die die Grenze zwischen Privaten und Öffentlichen aufhob. Hattest du damals das Gefühl, etwas Neues zu machen?
Ja, absolut, im privaten Fernsehen habe ich immer versucht, neue Formate umzusetzen. Das klingt vielleicht etwas langweilig, aber ich habe auf RTL auch das erste populärwissenschaftliche Magazin angeschoben damals …

… future TREND.
Ja genau, und wir haben auch immer wieder neue Spielshows ausprobiert. Ich kam dann mit Endemol in Kontakt und wurde so schließlich Moderator der ersten Big Brother-Staffel. Mir war klar, dass das ein Tabubruch sein wird, aber man muss auch ein wenig riskieren. Klar wurden wir Moderatoren dann geschlachtet. Trotzdem war es eines der wichtigsten Ereignisse der deutschen Fernsehgeschichte. Ich kann heute mit Stolz sagen: Die Mondlandung, das war ich. Damit wurde Trash-TV populär gemacht und eine Plattform der Selbstdarstellung eröffnet, die bis dahin ungeahnt war. Um mit Hegel zu sprechen: Das Anschauende wurde plötzlich das Angeschaute.

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Du bist ein Fan von Hegel?
Ja, ich mag den deutschen Idealismus. Jedenfalls macht man sich damit auch Gedanken über das Fernsehbusiness, und ich dachte mir: Wow, die Seiten wurden gewechselt. Im Theater wird es immer total gefeiert, wenn das Publikum mitspielt, und nichts anderes passierte bei Big Brother. Das Publikum hat sich selbst gespielt. Und damit wurde es schnell trashig. Spätestens ab der zweiten Staffel waren sich die Darsteller ihrer Außenwirkung bewusst und fingen an, sich ein wenig töricht zu verhalten.

Du hast dich ja dann aus dem Fernsehgeschäft zurückgezogen.
Einen Zaubertrick macht man nicht zweimal und ich kann mit Stolz behaupten, dass die erste Staffel noch etwas echtes und jungfräuliches an sich hatte, da die Leute noch nicht wussten, wie dieses Format funktioniert. Alles was danach kam, war sehr künstlich. Das war dann genug für mich. Ich mache gerne neue Sachen und gehe gerne Risiken ein. Wie mein Vater breche ich gerne Tabus. Außerdem passte ich, was meine persönliche Etikette betrifft, einfach nicht mehr in die moderne TV-Landschaft.

Cafe Ungehorsam mit Akif Pirinçci. Screenshot YouTube

Im letzten Interview mit uns hast du gesagt: „Der einzige Grund, vor das Glas der Studiokamera zu treten, wäre die Kunst. Und vielleicht tue ich das ja schon in der einen oder anderen Form". Das hast du in Form der Kunstfigur Dr. Proebstl getan, mit der du ja vor kurzem erhebliche Kontroversen ausgelöst hast. Für wen war das Projekt gedacht und was wolltest du damit erreichen?
Bei den Hexenfilmen meines Vaters ging es stark um Denunziantentum, und wir bewegen uns jetzt gerade wieder durch so eine Zeit. Es heißt ja immer, wenn der Faschismus wiederkommt, dann wird er immer behaupten, er wäre der Antifaschismus. Die neue Form des Faschismus ist jene der Political Correctness. Dr. Proebstl ist eine Mischung aus Karl Kraus und Max Headroom, der die Unkorrektheiten aufsammelt und ausspricht. Es ging darum, den Gutmenschentum den Spiegel vorzuhalten. Und ich denke, die Übung ist gelungen.

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Wie ging es dir als Privatperson damit?
Als Privatperson habe ich dabei Federn gelassen, aber zumindest durfte ich unter größten Schmerzen eine neue Erfahrung sammeln. Das muss Kunst aushalten und es muss auch manchmal Schmerzen bereiten. Sich im Mainstream zu bewegen ist wie Volksmusik: Alle können gleich mitsingen. Aber das ist nicht mein Motto. Das Projekt war eine Notwehr gegen die Political Correctness. Das Team hinter Proebstl war der Thermometer im Hintern von Deutschland—wir haben die Themen angesprochen, die den Rechten unter den Nägeln brennen. Ich bin eigentlich ein unpolitischer Mensch. Aber ich habe eine gute Nase für Trends. Dafür habe ich zahlen müssen.

Wie meinst du das?
Auf einem Kindergeburtstag habe ich mal beim Kasperltheater den Teufel gemimt. Der war so fürchterlich und frech, dass die Kinder hinter die Bühne gestürmt sind und mich verhaut haben. Das gleiche ist mir nun mit Proebstl passiert.

Ist Ex-Big-Brother-Kandidat Jürgen der neue Lutz Bachmann?

Wie hättest du das Projekt aufgelöst, wenn du nicht enttarnt worden wärst?
Am Ende sollte es ein Buch geben, das sich um Meinungsfreiheit dreht, wo ich der Meinungsfreiheit und dem lockeren Treiben im Internet auf einer zweiten Ebene nochmals den Spiegel vorgehalten hätte: Seht was möglich ist; wo hört Satire auf und wo beginnt Hetze? Aber dafür sind wir leider zu früh aufgeflogen, blöd gelaufen.

Kommt das Buch noch?
Nein, jetzt ist die Pointe ja versaut.

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Pegida-Demo Dresden am 06.04.2015: Rede Dr. Alfons Proebstl. Screenshot YouTube

Du warst ja mal gemeinsam mit Lutz Bachmann auf der Pegida-Bühne. Die Zeit hat sich gefragt: Wenn Dr. Proebstl eine Satirefigur ist, was sind dann Lutz Bachmann und die anderen Typen von Pegida?
Als ich bei Pegida war, war das auch ein Verdacht, der mich beschlich: Wer ist eigentlich der größere Fake von uns beiden?

Mit deiner Figur wolltest du also Political Correctness kritisieren. Aber wie sieht es mit Pegida aus? Wolltest du denen auch den Spiegel vorhalten?
Pegida war nicht so oft Thema bei Proebstl. Wir bekamen früh eine Anfrage von ihnen, aber danach spalteten sie sich auf, und die Situation war dann eine ganz andere als ich dort war. Der Auftritt bei Pegida war als Provokation gedacht, und es ist natürlich der Hammer, wenn so eine Figur gerade dort auftritt. Aber komischerweise ist es niemandem aufgefallen, dass da nur eine Figur aufgetreten ist, eine Kasperlfigur. Das war das Unerhörte, dass das die Leute für echt gehalten haben. Das war der größte Aha-Effekt an der ganzen Sache.

Wie stehst du zu Pegida?
Dort sind Menschen, die wirklich besorgt sind, die ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit wahrnehmen, die einen repräsentativen Querschnitt der Menschen darstellen, die die Zeit nicht mehr verstehen können und die nicht mehr begreifen, in welcher Zeit sie leben. Menschen, die versuchen, sich irgendwie auszudrücken. Sie verstehen das System nicht mehr, in dem sie leben. Bei den meisten Menschen dort herrscht Ratlosigkeit. Dass sich dann Kräfte finden, die sich dieser Ratlosigkeit bedienen wollen, ist auch klar.

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Aber wie stehst du als Person zu den Ideen von Pegida?
Schon alleine aus meinen familiären Hintergrund kann ich nicht dazu stehen. Der holländische Teil meiner Familie ist sehr bunt und das stört mich in keinster Weise.

Hast du auf der Pegida-Bühne den Auftritt geliefert, den du liefern wolltest? Du warst ja quasi im Zentrum, dort wo du hin wolltest.
Nein. Im Nachhinein denke ich, dass so eine Figur besser in einer künstlichen Umgebung funktioniert. Als ich auf der Bühne war, habe ich gemerkt: Oje, das ist nicht das richtige Biotop für die Figur, da verpufft die Magie. Es war ein Testballon, man irrt mit so einer Figur voran. Ich bin jetzt auf alle Fälle äußerst glücklich darüber, dass wir für den Auftritt kein Geld genommen haben. Das wäre wirklich nicht gut gekommen in der jetzigen Situation (lacht).

Dr. Alfons Proebstl und Eva Herman: Wissensmanufaktur trifft Satire. Screenshot Youtube

In deiner Rolle als Proebstl bist du auch mit Personen wie Akif Pirinçci und Eva Herman zusammengetroffen, die dir beide sehr positiv gegenübergestanden haben. Was hast du dir gedacht, als diese beiden dachten, dass du auf ihrer Seite bist?
Menschen reagieren unterschiedlich auf Kunstfiguren, und das sollen sie auch. Aber Menschen, die gesellschaftlich mehrfach chemisch gereinigt sind, sind besonders locker mit so einer Erscheinung umgegangen.

Glaubst du, sie haben dich als einen von ihnen gesehen?
In Deutschland sind satirische Kunstfiguren immer links. Wenn dann eine mal die Seiten wechselt, ist das ein völlig neues Genre. Für mich war es ein Theaterstück, und während die linken Kritiker die Figur nicht von der Person, die sie verkörpert, trennen wollten, nahmen es die Rechten lockerer.

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Vielleicht auch, weil die Rechten dabei besser wegkamen?
Letztlich waren beide Seiten gut bedient: Sie sahen in der Figur Dinge, die es ihnen ermöglichten, sich auf billige Weise moralisch zu erheben. Ich habe mich zwischen den Fronten bewegt, ich bin weder links noch rechts.

Ich habe wie Galileo Galilei öffentlich widerrufen und darf deshalb gesellschaftlich weiterleben.

Das Projekt war also weder rechts noch links?
Ich wollte erleben, welches Gewitter es gibt, wenn das Meinungstief mit dem Meinungshoch zusammentrifft. In den letzten Jahren hat sich das Meinungsklima stark verändert. Als Medienmensch ist man da ein wenig wie ein Seismograph, der auch die geringeren Erschütterungen verzeichnet.
Diesen Klimawandel wollte ich thematisieren. Wir stehen vor einer Zeit neuer Hexenprozesse. Die Menschen werden im Internet denunziert und fertig gemacht. Sie landen auf virtuellen Scheiterhaufen. Ich habe in den letzten vier Wochen sieben Kilo verloren … wenn du mal abnehmen willst, sorge einfach für einen Skandal. Das ist sehr praktisch, da machen dann die anderen für dich die Arbeit.

Wie würdest du das Projekt also beschreiben?
Es war ein großes gesellschaftliches Experiment, das mit der Schlachtung des Künstlers sein Ende gefunden hat. Ich habe dann wie Galileo öffentlich widerrufen und darf deshalb gesellschaftlich weiterleben. So hochgekocht ist die ganze Sache ja dann zum Glück auch nicht.

Ich frage jetzt nochmal nach: Es gab die Kritik, du betreibst unter den Deckmantel der Satire rechte Hetze. Was sagst du dazu?
Ist Bruno Ganz ein Rechter, weil er Hitler perfekt gespielt hat? Wenn man sich eine Zielscheibe aufmalt, wird auch jemand schießen. So eine Kritik ist einfach und wohlfeil. Aber wenn ich dazu beitragen kann, dass andere Menschen sich besser fühlen, dann habe ich kein Problem damit.

Und wie stehst du zu der Kritik, dass du mit der Figur nicht erreicht hast, was du eigentlich wolltest?
Proebstl sagte immer in Anlehnung an Nietzsche: Man muss der Dummheit schaden, wo man nur kann. Und ich denke, das habe ich nicht nur erreicht—ich habe der Dummheit auch den Spiegel vorgehalten. Die Figur landete am Scheiterhaufen, bevor ich das Projekt zu Ende führen konnte. Aber vielleicht war das ja auch ein passendes Ende.


Titelbild: Dr. Alfons Proebstl 85 - PACK! Screenshot via YouTube