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Warum das „Islamic Banking“-Angebot der BAWAG noch lange kein Grund zur Aufregung ist

Die BAWAG testet ab Februar „Islamic Banking" und bietet Finanzprodukte an, die halal sind. Das schmeckt natürlich nicht jedem.
Grafik: VICE Media

„Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dass sofort alle Österreicher sämtliche Konten und Geschäftsverbindungen bei der BAWAG auflösen sollten. Die BAWAG als Islambank sollte sich schämen, diese Ungleichbehandlung aufrecht zu erhalten." Das ist nur einer der Kommentare unter dem Artikel, der am Donnerstagmorgen in der Kleinen Zeitung erschienen ist. Am selben Tag wurde bekannt, dass die BAWAG ab Februar als erste österreichische Bank ein Pilotprojekt in Sachen „Islamic Banking" startet. In anderen europäischen Staaten gibt es bereits seit Jahren ähnliche Angebote, in Großbritannien zum Beispiel seit 2004.

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Bei „Islamic Banking" werden Finanzprodukte angeboten, die halal, also für Muslime erlaubt, sind. Im Grunde besteht „Islamic Banking" aus drei Säulen: Riba, Gharar und Maysir. Riba steht für verzinste Finanzgeschäfte, die gläubigen Muslimen verboten sind—stattdessen werden fixe Entgelte verrechnet. Gharar bedeutet, dass keine das „normale" Maß an Unsicherheit übersteigenden Geschäfte abgeschlossen werden dürfen und Maysir meint, dass Spekulationen sowie Glücksspiele verboten sind.

Außerdem sind Investitionen in Alkohol, Pornografie, Prostitution, Schweinefleisch und Waffen verboten. Zur Überwachung der Einhaltung dieser Regelungen dient die Einrichtung eines sogenannten „Scharia Boards", einem religiösen Beirat.

Viele Kommentatoren, die sich unter dem Artikel der Kleinen Zeitung äußern, sehen im „Islamic Banking"-Pilotprojekt der BAWAG die „Förderung einer Parallelgesellschaft" und die endgültige Islamisierung Österreichs. Auch auf der Facebook-Page der BAWAG sind erste Postings von Kunden zu finden, die eine Stellungnahme des Unternehmens fordern.

Dass die BAWAG mit einer Entscheidung wie der zur Einführung des „Islamic Banking" einen Shitstorm und Online-Aufrufe zum Boykott (der wie immer in solchen Fällen schätzungsweise einen Tag dauert), riskiert, zeigen Fälle aus der Vergangenheit: Zuletzt gesehen haben wir eine solche Entwicklung bei Spar, als die Großhandelskette Halal-Fleisch in ihr Sortiment aufgenommen hat. Nachdem daraufhin viele „besorgte Bürger" online ihren Unmut über diese Entscheidung kundgetan haben und plötzlich zu Tierschützern wurden, die natürlich einzig und allein etwas gegen die Grausamkeit der Halal-Schlachtung einzuwenden hatten, hat Spar das halal geschlachtete Fleisch wieder aus dem Sortiment genommen.

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Für einige der Kommentatoren scheint es zwei ausschlaggebende Punkte bei der ganzen Sache zu geben: Die Scharia, die dem „Islamic Banking" zugrunde liegt, und die Zinsen. Dass beim Gebrauch des Wortes „Scharia" sofort jemand „Bald hacken sie uns die Hände ab" oder ähnliches schreit, sollte niemanden mehr verwundern; egal, wie inkorrekt diese Assoziation auch ist. Zweiteres—also der Punkt mit den Zinsen—ebenso wenig. Dass uns „die Ausländer", „die Flüchtlinge" oder—noch besser—„die Islamisten" etwas wegnehmen könnten, scheint eine Ur-Angst der Österreicher zu sein. Im islamischen Bankwesen wurden jedoch verschiedene Techniken entwickelt, die einen „zinsähnlichen Effekt" haben können—also noch lange kein Grund für Schnellschüsse.

Ein Statement der BAWAG-Pressestelle bestätigt dies:

„Als Bank ‚Mitten im Leben' stellt die BAWAG P.S.K. Kunden und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt und entwickelt ihr Angebot laufend weiter. Deshalb startet die BAWAG P.S.K. Anfang Feber den Pilotbetrieb für ein neues Girokontenmodell, das den österreichischen Gesetzen entspricht, aber die Bedürfnisse der in Österreich lebenden Muslime mit berücksichtigt. Anstelle von Zinsen werden fixe Entgelte verrechnet. Die Gesamtkosten für den Kunden sind jedoch vergleichbar mit jenen herkömmlicher Kontomodelle. […] Grundsätzlich ist es uns als Bank wichtig, auf Kundenbedürfnisse zu reagieren. Egal, ob diese die sich ändernde Altersstruktur (neue Vorsorgemodelle), geänderte Konsumbedürfnisse (Vorfinanzierung) oder eben auch Glaubensüberzeugungen sind. Natürlich stehen die neuen Kontomodelle auch allen anderen Personen offen, die fixe Kontoentgelte bevorzugen. Wir fragen keinen Konsumenten bei der Kontoeröffnung nach seiner Religion oder Weltanschauung."

Natürlich kann man Angebote wie dieses als Förderung von Parallelgesellschaften sehen. Man kann es aber auch schlichtweg als Respekt vor den Bedürfnissen und Produktwünschen potenzieller Kunden sehen, die sich österreichische Banken bisher durch die Finger gehen lassen.

Verena auf Twitter: @verenabgnr