Die Demonstration gegen eine Islamschule in Simmering

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Die Demonstration gegen eine Islamschule in Simmering

Begriffe wie Islam, Multikulti, Salafisten und Terror werden seit Jahren in einen Topf geworfen. Damit werden Ängste geschürt, Wahlen gewonnen, aber vor allem das friedliche Zusammenleben gefährdet.

Fotos von Matthias Thoelen

Ich kann mich an kein anderes von westlichen Medien und Politikern als solches deklariertes Feindbild als den Islam erinnern. Als ich geboren wurde, war die Mauer schon gefallen, der Ostblock hatte sich aufgelöst und die Sowjetunion stand kurz vor ihrem völligen Zerfall. Als ich elf war, flogen die Flugzeuge ins World Trade Center. Ich erinnere mich, dass ich damals zu meiner Nachbarin lief und ihr sagte, der Dritte Weltkrieg würde gerade ausbrechen. Diese Angst nutzen Politiker und Medien bis heute, um Menschen zu mobilisieren und sie zu Wahlurnen und in Trafiken zu treiben.

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Die Angst, die nun mit ​der Ausbreitung der Terrormiliz Islamischer Staat noch größer wird, macht mit uns Menschen etwas, das zwar irgendwie selbstverständlich, aber auf der anderen Seite um nichts weniger angsteinflößend ist. Viele Bewohner westlicher Länder haben das Gefühl, sich, ihr Land und ihre Werte verteidigen zu müssen. Gegen Islam, Multikulti, Muslime, Sunniten, Shiiten, Salafisten. Gegen Radikalisierung, Unterwanderung, Terror. Gegen eine Gleichsetzung von unendlich vielen verschiedenen Dingen, die zu einem großen Teil inflationär verwendet werden und vor allem absolut nichts miteinander zu tun haben.

In Deutschland haben sich „​Hooligans gegen Salafisten" vor zwei Wochen auf den Straßen Kölns versammelt, um gegen genau diese Dinge zu demonstrieren. Ja, es geht hier nicht um Hooligans und auch nicht um Salafisten. Die, die sich weiter abgrenzen wollen, sagen, sie demonstrieren nicht gegen den Islam, sondern für ihre Heimat. Patriotismus sei kein Verbrechen. Das stimmt, Patriotismus ist kein Verbrechen, aber oft geht es nicht um die Grenze zur Illegalität (die auf solchen Demonstrationen natürlich immer wieder überschritten wird, auf der HoGeSa-Demo mit Auschwitz-University-Shirts und Hitlergrüßen), sondern darum, wie auf solchen Veranstaltungen Menschengruppen als etwas Minderwertiges, Bedrohliches, Negatives erklärt werden.

Ja, die IS ist angsteinflößend und ja, es muss etwas dagegen getan werden. Aber nicht mit Hetztiraden auf der Straße. Die, die diese Parolen skandieren, sind zu einem großen Teil die, die auf die Neutralität Österreichs pochen. Offiziell darf Österreich gegen eine wirkliche Bedrohung also kaum etwas tun. Nur im Kleinen, im Internet oder auf der Straße, darf gehandelt werden. Gehandelt wird dann aber gegen jene, die nichts mit einer IS oder dem radikalen Islam, wie es an diesem Abend unendlich oft gefallen ist, gemeinsam haben.

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Verschiedene Vertreter von ÖVP, Grünen, SPÖ und FPÖ haben sich im Vorfeld gegen die türkische Islamschule in Simmering ausgesprochen, aber bei einem solchen Projekt geht es eigentlich nicht wirklich darum, wer dagegen und wer dafür ist. Denn gerade in Zeiten, in denen Muslimen mit extremen Vorurteilen begegnet wird, geht es um die Zeichen, die von der Politik gesetzt werden. Während andere Parteien das umstrittene Projekt nicht nutzten, um gegen Muslime, die derzeitige Regierung und für die Rechte des gemeinen Bürgers zu mobilisieren, verkündete Heinz-Christian Strache in einer Pressekonferenz am Donnerstag sogar, es habe Morddrohungen aus dem IS-Umfeld gegen ihn gegeben, die mit Postings auf seiner Facebook-Seite begründet wurden, auf der unter Anti-Islam-Postings von Strache selbst Dinge wie „Alle in den Zug …" oder „Die gehören verbrannt" stehen.

Die FPÖ nutzte die breite Ablehnung gegen die geplante Schule, um die Kundgebung für Wahlkampfzwecke zu nutzen. Es wurde mehr über Häupl und Vassilakou gesprochen, als über den eigentlichen Anlass der Protestkundgebung. Die Menschen waren enttäuscht über die derzeitige Regierung, über die Versäumnisse, die von Johann Gudenus immer wieder genannt wurden. Dank Häupl gebe es eine Rekord-Arbeitslosigkeit, Rekord-Verschuldug, Rekord-Radikalisierung. Was auch immer Letzteres bedeutet.

Obwohl es von der Antifa auch eine Gegendemonstration gab, kam es wegen des massiven Polizeiaufgebots zu keinen Ausschreitungen. Trotzdem sind Menschen unterschiedlicher Ansichten immer wieder aufeinandergeprallt, haben sich beschimpft oder über die Gewaltbereitschaft von Ausländern diskutiert, die laut einem Teilnehmer der Demo höher sei, als die von „echten Österreichern"—zu denen übrigens auch nicht Migranten der dritten Generation gehören.

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Jeder der Menschen, die ich interviewt habe, hatte andere Ansichten, weshalb die Islamschule schlecht für Wien sei. Sie würde Islamisten ausbilden oder eine Parallelgesellschaft aufbauen. Aber alle haben im Islam eine Bedrohung, eine schleichende Unterwanderung und Gefahr gesehen, die es zu stoppen gilt. Genau hier fehlt es an Aufklärung in der Bevölkerung. Ein Besucher der Protestkundgebung sagte in seinem ersten Satz, er wisse eigentlich gar nichts über den Islam. Auch, was in der Schule, die erst als Kindergarten angemeldet wurde, passieren soll und von wem sie finanziert wird, ist noch nicht ganz klar. Diese Unsicherheit gibt Islamfeindlichkeit eine Grundlage, auf der sie aufbauen und sich verbreiten kann und der Politik eine Möglichkeit, sie für ihre Zwecke zu nutzen.

Folge Hanna Herbst auf Twitter: ​@HHumorlos