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​Ist der G7-Gipfel nur ein riesiges Ablenkungsmanöver?

Im Internet kursieren Theorien, dass das Spektakel in Elmau eigentlich ein noch viel geheimeres, exklusiveres Treffen verschleiern soll.
Der Tagungsort der diesjährigen Bilderberg-Konferenz. Foto: Gemeinfrei

Der G7-Gipfel in Elmau und vor allem die massiven Anstrengungen der bayerischen Behörden, die Proteste dagegen zu erschweren (eine Demonstrationsroute wurde vom Landratsamt zum Beispiel für gerade mal 40 Meter bewilligt), sorgen schon seit Tagen für Aufregung.

Globalsierungsgegner ärgern sich, dass das Weltwirtschaftsystem gefestigt werden soll, eine ganze Menge Leute ärgern sich, weil sie die Demonstrationsverbote undemokratisch finden, Helmut Schmidt ärgert sich, weil Putin nicht eingeladen wurde, und sogar die AfD ärgert sich über den „Gipfel der Arroganz" (die ganzen Polizisten sollten nämlich lieber kriminelle Ausländer abwehren). Die Zeit hat also durchaus Recht, wenn sie feststellt, dass die Organisatoren des G7 sich nicht unbedingt geschickt anstellen, wenn es darum geht, sich beliebt zu machen.

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Es gibt allerdings gar nicht wenige Menschen, die glauben, dass das ganze G7-Theater sogar sehr geschickt inszeniert ist—und der Gipfel absichtlich dermaßen polarisieren soll, um von einem noch viel geheimeren, noch viel abgeschotteteren Treffen abzulenken: der Bilderberg-Konferenz!

Die Bilderberg-Konferenz ist eine Zusammenkunft von circa hundert Entscheidern aus Politik, Wirtschaft und den Universitäten, die sich für sehr wichtig halten. Deshalb treffen sie sich alle Jahre wieder in irgendeinem Hotel in Europa, um dort unter Ausschluss der Öffentlichkeit über all die großen Fragen zu diskutieren, über die man eben nachdenkt, wenn man ein eminent wichtiger Entscheider ist (es werden auch immer Journalisten von der Zeit eingeladen—warum, weiß niemand, und sie erzählen es auch nicht). Und dieses Jahr findet die 63. Konferenz ausgerechnet vom 10. bis zum 14. Juni in einem Hotel in Tirol statt—zeitlich und geographisch sehr nah am G7-Gipfel.

Von solchen elitären, halb-privaten Gesprächsrunden gibt es einige, dazu gehören zum Beispiel die Trilaterale Kommission, das Council of Foreign Relations oder auch die Münchner Sicherheitskonferenz. Dass sie überhaupt stattfinden und Politiker sich dort auf enge Tuchfühlung mit Wirtschaftsbossen begeben, ohne dass nachher einer drüber sprechen darf, wird oft (und zu recht) kritisiert. Da die Teilnehmer aber wirklich alle überraschend dicht halten, sind Treffen wie die der „Bilderberger" aber natürlich vor allem eins: der feuchte Traum eines jeden Verschwörungstheoretikers.

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Tatsächlich rangieren die Bilderberger in der Weltsicht des gemeinen VTlers ganz, ganz oben in der geheimen Weltregierung. Ob sie da jetzt der New World Order, dem internationalen Finanzjudentum oder den Echsenmenschen huldigen, variiert von Theorie zu Theorie, aber eins ist klar: Die Bilderberger sind so ziemlich das Böseste und Verschwörerischste, was es auf der Welt so gibt (ein Blog bezeichnet die Konferenz als „das Treffen der globalen Nazis"). Und sie wollen das natürlich unbedingt geheim halten—weshalb sie sich eben schnell den G7-Gipfel organisiert haben, damit die ganzen „Schlafschafe" (normale Menschen) sich da dumm und dämlich protestieren.

Neben einer durchaus vernünftigen Protestinitiative von unter anderem Attac, Grünen und Piraten hat also die Elite der deutschen Verschwörungsseiten die Konferenz und ihre Nähe zum G7-Gipfel unter die Lupe genommen. Der Kopp-Verlag berichtet stolz, der diesjährige Tagungsort sei „so früh wie nie zuvor" ausgespäht worden. RT Deutschland verriet schon vorher, dass der G7-Gipfel extra wegen der Bilderberger-Konferenz verschoben werden musste und verspricht, die Konferenz genau im Auge zu behalten. Das hat sogar der Chef der rechtspopulistischen FPÖ, der unersetzliche HC Strache, auf Facebook gepostet—zusammen mit dem dringenden Aufruf: „AUFWACHEN!"

Die Seite Alles Schall und Rauch hat außerdem bemerkt, dass sowohl der Berg als auch das Hotel „eine Pyramide!" bilden. Und auf der Seite „Wallstreet-Online" (etwas bunter als das Wall Street Jounal) warnt man nachdrücklich vor den „katastrophalen Folgen für uns alle!" und weiß sogar, was bei den Bilderbergern auf der Tagesordnung steht: „Die Abschaffung des Bargelds wird neben den Themen Ukraine-Konflikt und die Förderung der Flüchtlingsströme nach Europa ganz oben auf der Agenda beim diesjährigen Bilderberger Treffen stehen", verkündet die Seite selbstbewusst. Und natürlich berichtet „die Mainstream-Presse" wieder nichts—außer, sie tut es doch.

Schnell offenbart sich auch die unangenehme Seite dieser Verschwörungstheorien: Am Ende sind es für die meisten VTler dann nämlich doch die Juden, die durch die Bilderberger die Welt regieren. Unter dem Post von Strache zum Beispiel beweisen seine Fans mit viel Energie, wie „aufgeweckt" sie sind: Einer verlangt Taten gegen das „Krebsgeschwür", ein anderer ist sich sicher, dass da „die wurzel allen übels auf dieser welt !!!!" liegt, und ein Dritter wünscht sich: „hoffentlich hat der tod ein schönes plätzchen für die kapitalisten".

Im Grunde sind diese Menschen selbst also eigentlich das beste Argument dafür, dass die Geheimhaltung bei Treffen wie der Bilderberg-Konferenz eine bescheuerte Idee ist. Wenn sie zumindest ein paar mehr Journalisten zulassen würden, dann wüsste man nämlich nicht nur, wie eng die Politiker dort mit der Wirtschaft reden. Sondern man würde auch all diesen Verrückten massiv den Spaß an ihrer Lieblingswahnvorstellung verderben.