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It's still real to me, damn it!

It's still real to me, damn it! Die VICE Wrestling-Kolumne

Wrestling und VICE: gut geölter Scheiß. Heute ohne Jesus, aber mit der Auferstehung des Schwulen im Showsport.

Im Bild: Ostern. Und ein Hase, der eine Henne vögelt. Screenshot via Flickr | Alexandra Xubersnak

Es gibt kaum eine Zeit im Jahr, wo man sich als Wrestling-Fan im christlichen Abendland seiner Umgebung gegenüber derart überlegen fühlt wie zu Ostern. Ich meine, das Christentum ist als mutierter Bastardsprössling des Judaismus ja eigentlich immer ein bisschen absurd—und ich rede hier noch gar nicht davon, dass alte Männer in komischen Hüten vor einem Millionenpublikum mit den Wolken reden—, aber mit dem Osterfest setzen die selbstkasteienden Spaßbremsen dem König der Juden wirklich die (Dornen-)Krone auf.

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Aus der Nähe betrachtet kommt einem der Bullshit manchmal vielleicht sogar ganz schlüssig vor, aber wenn ihr kurz einen Schritt zurücktretet, werdet ihr sehen, dass der Rosenkranz auf keiner Kausalkette hängt und die ganze Jesus-Freak-Show weniger Sinn ergibt als die World Heavyweight Champion-Regentschaft von Great Khali: Was Christen zu Ostern feiern, ist nämlich, dass ihr imaginärer Freund von vor 2000 Jahren den Houdini aus seinem Steingrab macht, um symbolisch zum Zombie zu werden und dann als Wiedergeher seine Freunde besuchen kommt, während seine Peeps zuerst einen Tag lang etwas Grünes essen, dann einen Tag lang kein Fleisch verzehren und schließlich ihr Haus mit Palmkätzchen dekorieren, weil das modetechnisch einfach am besten zu den bunt bemalten Eiern passt, die zu allem Überfluss auch noch von einem Hasen in einem Vogelnest gebracht werden.

Wenn euch das immer noch nicht absurd genug ist, sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass eingefleischte Profi-Christen von Berufswegen Vaginas verweigern, gleichzeitig aber auch Schwule hassen—und wer von euch jetzt nicht ein "Fuck that shit, I'm outta here!" für mich hat, sollte dem Verein wirklich schnellstens beitreten und denen einen ordentlichen Batzen von seinem Geld geben.

Für den Rest gibt es zum Glück immer noch Wrestling; den bunten, aufgepumpten Tummelplatz der Eitelkeiten, wo sich selbst Hetero-Hünen notgedrungen gegenseitig am Arschloch beschnuppern und es als "männlich" gilt, sich eine Federboa über die Muckis zu drapieren, solange man danach gut genug Gewalt-Ballett tanzen kann. Wrestling ist in fast jeder Hinsicht genauso absurd wie das Christentum, verzichtet aber dabei auf die freudlose Selbstkasteiung und Stimmungsdämpfung.

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Ja, manchmal mag es auch hier grenzwertig zugehen—zum Beispiel, wenn travestiekünstelnde Unibrow-Missen in Schweinetrögen gegen schreiende Managerinnen kämpfen (Santina Marella vs. Vicky Guerrero, damals) oder auch, wenn Einhorn-tragende Dreiergespänne ihre eng umspannten Booty-O-s unter den Klängen einer Posaune schwingen (The New Day, bei exakt jedem ihrer Auftritte)—, aber insgesamt ist Wrestling doch ein anständiger Showsport mit guten Geschichten und einer stimmigeren Mythologie, als sie sich das Christentum in 2000 Jahren Entwicklungsgeschichte zusammengefrankensteint hat.

Das einzige, wovon wir dabei eine kleine Auferstehung brauchen könnten, ist ein bisschen traditionsreiches Schwulsein, wie es das Wrestling von Anfang an immer wieder mehr oder weniger explizit vorgemacht hat. Und weil das Christentum sowieso der Hulk unter den Religionen ist (von wegen Betriebsunfall, Abspaltung, Mutation und nicht checken, was man eigentlich die ganze Zeit so tut) und die Gegenposition zu Schwulsein auch zu Ostern ganz gut ohne unsre Hilfe vertreten kann, habe ich beschlossen, euch hier die besten Beispiele für homostolze Wrestling-Figuren von den Fünfzigern bis heute vorzustellen.

Das Ganze nennt sich "Alternative Gender-Entwürfe im Professional Wrestling" und wenn jemand fragt, ist das eine total seriöse Untersuchung auf meinem Weg zum Doktortitel (Dr. Lust klingt einfach zu gut, als dass ich das bleibenlassen könnte). Habt ihr verstanden?? Gut. Also lockert schon mal den Schließmuskel und lasst euch richtig gehen.

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SEX, SPANDEX, MUSCLE FLEX, ODER: KÖRPERSACHEN SIND IMMER IRGENDWIE KINKY

„You stick it in just a little and she starts to get excited, see. Then you pull it out, see. Then you stick it back in, and you go back a little harder, see. Finally, you really get it going, and when she comes – that's the finish of the wrestling match." –Dick "The Destroyer" Beyer (über Sex oder Wrestling oder Wrestle-Sex oder Sex-Wrestling oder alles auf einmal, was weiß ich)

Dick Beyer war ein gestandener Mann, den man dafür kannte, dass er, wie jeder gestandene Mann, seinen Job richtig ernst nahm. In Zeiten, wo sonst nur mexikanische Akrobaten Masken trugen, war er das einzige weiße Kartoffelgesicht, das seine Fleischwangen schön unter Stoff versteckte—und wenn man der Legende glauben darf, endete diese Verhüllung bei ihm frühestens im Schutz des eigenen Schlafzimmers.

The Destroyer" war ein Wrestler der alten Schule, mit einem strengen Kodex, klaren Regeln und ohne Kompromisse. Er war auch ein bärtiger, bulliger, buschiger, brunftiger Bauernbub und so hetero wie ein verdammter Holzspan. Und trotzdem war Dick Beyer nur den Wimpernschlag eines Regenbogenfischchens davon entfernt, Wrestling als die schwulste Sport-Show diesseits des Hillbilly-Äquators zu beschreiben, sowohl was die Performance im Ring, als auch was das Spiel mit dem (damals vorwiegend männlichen) Publikum angeht.

Dass Körperkontakt vor allem im Sport immer gern als Zeichen für Homoerotik gesehen wird, ist dabei natürlich nichts Neues. Und irgendwie hat vor allem der Vollkontakt von allen Seiten und aus jeder erdenklichen Verrenkung, wie er eigentlich nur im Wrestling vorkommt, etwas von kalkulierter Kinkyness. Aber was beim Wrestling dazukommt, ist, dass die Homo-Seite der Medaille nicht einfach das Nebenprodukt eines echten Wettkampfs ist, dessen Regeln nun mal besagen, dass man sich gegenseitig die Sacknaht betatschen soll, sondern dass Wrestler bei ihrer schauspielerischen Zurschaustellung ja theoretisch alle Aktionen bewusst machen und immer die Wahl haben, es nicht zu tun. Mehr noch, manchmal ist sie sogar Teil des einen oder anderen Gimmicks und Inhalt von diversen Storylines. Wie auch im nächsten Fall.

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„ADORABLE" ADRIAN ADONIS: VOM HELL'S ANGEL ZUM HOMO-HEDONISTEN DANK 140 KILOGRAMM

Wenn es auf dieser Welt ein Foto gibt, das gleichzeitig wie ein Tableau vivant von David Lachapelle aussieht, die Peinlichkeit einer Wichssocke verströmt und dabei aus jedem Pixel „Speckfaltenfick" schreit, dann wohl dieses hier von „Adorable" Adrian Adonis. Obwohl er zum Unattraktivsten gehörte, was die Welt des Wrestling zu seinen aktiven Zeiten zu bieten hatte, umgab Adonis sich nicht nur mit dem Namen eines Gottes, sondern auch mit Blümchen, Lidschatten, Duft-Flakons und der Aura des ersten offen Schwulen der Wrestling-Geschichte.

Versteht mich nicht falsch, Homoerotik hat es im Wrestling natürlich lange vor den Achtzigerjahren gegeben, aber im Fall von Adonis war der absichtlich skurrile und gar nicht mal so geile Charakter ein Insider-Witz für das Kreativteam hinter den Kulissen und eine ganz unverblümte Bestrafung für die rapide Gewichtszunahme, zu der sich der „Adorable" Adrian hinreißen lassen hat. Das sagt jetzt nicht sonderlich viel Gutes über das vorherrschende Mindset von Vince McMahon oder seinem Team, aber zu Zeiten von Steroidspielereien und Body-Nazitum (selbst Hunter S. Thompson hat in den Achtzigern über Iron Man-Wettkämpfe geschrieben) war Trägheit nun mal die größte Todsünde und Homosexualität der dankbarste Sandsack im öffentlichen Raum—was nicht nur ein schlechtes Licht auf die Unterschicht wirft, sondern wohl generell auf das vorvernetzte Mittelalter. Was keine Ausrede ist, aber eine Begründung. Genauso, wie Adonis auf diesem Foto nicht gut aussieht, aber umwerfend.

Zumindest das ist von all der Schikane im Positiven übrig geblieben: Heute gilt der Adonis-Charakter als wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Erschließung homosexueller Zielgruppen für das Wrestling-Business—zwar eher für die Hunks als für die Twinks, aber man muss ja schließlich irgendwo anfangen. Außerdem hat Adonis die Anmut eines John Waters-Standbilds und das währt sowieso länger als jedes kurzfristige Mobbing.

Wer mag, kann sich jetzt ein Match des Bauchbauern gegen Rowdy Roddy Piper ansehen. Hier ist das Video und, Achtung Spoiler, es passiert genau gar nichts Sehenswertes darin:

Wusstet ihr übrigens, dass der Osterhase aus dem 17. Jahrhundert stammt und man damals nur schlecht über seine Eier geredet hat? Nicht, dass das jetzt irgendwie mit Homoerotik zu tun hätte … aber zumindest habt ihr so noch einen Spaßfakt mit aus diesem Guilty Pleasure genommen und könnt zu Ostern mit etwas anderem als eurem Wissen über Wrestling-Mobbing angeben. Frohes Fest!