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Popkultur

Jesse Boykins III freut sich, wenn man ihn Nerd nennt

Wir haben uns mit Jesse Boykins III zusammengesetzt und über seinen Stil, Poesie und Schuluniformen unterhalten.

Schwarze Typen in schickem Gewand und mit ganz viel Soul sind gerade das, was die Höschen zum fallen bringt. Einer von denen, Jesse Boykins III hatte im Zuge seiner Europatour einen Auftritt in Wien. Deshalb haben wir uns mit ihm zusammengesetzt und über seine Musik, Gewand, schwarze Kultur und anderes Zeugs geredet. VICE: Erzähl mal was von deiner Single "Black Orpheus" die bald rauskommt.

Jesse Boykins III: Die habe ich mit Mellow X gemacht. Die Single ist vom Film "Black Orpheus" inspiriert. Einer meiner Lieblingsfilme. Ich habe das Gefühl, es ist eines meiner stärksten Lieder. Es ist eine Mischung aus Hip-Hop und Soul.

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Inwiefern inspiriert der Film (Black Orpheus) das Lied. Ist es die Liebesgeschichte, die Stimmung, die brasilianische Filmmusik?

(Jesse Boykins III summt die Karnevalsmelodie aus dem Film vor) Ich habe zum Beispiel diese Melodie genommen und singe drauf meinen Hook. Aber auch die Handlung, die Hauptfigur ist unglücklich verlobt und dann lernt er dieses neue Mädchen beim Karneval kennen und weiß, dass er eigentlich mit ihr und nicht der anderen glücklich wäre. Ich war selbst schon in der Situation, wo ich mit jemand zusammen war und dann jemand anderes kennengelernt habe und mir "scheiße" gedacht habe. Mellow X verbindet damit, lieber Musik machen zu wollen, als sich um eine Beziehung kümmern zu müssen.

Der Stil des Films ähnelt deinem doch auch irgendwie. Die afrikanischen und "afro-brazilianischen" Einflüsse mit den vielen Farben und dann aber auch noch die intellektuelle Ebene mit der griechischen Sage.

Ja, also mein Stil hat seine Einflüsse in der Karibik, in Südamerika, Brasilien und auch Afrika. Irgendwie schaffen die es immer Secondhandsachen genau richtig zu tragen, so dass sie wirklich gut aussehen. Man sieht da Sachen, bei denen man nie denken würde, dass sie gut aussehen könnten, aber dann kombiniert es wer richtig und man denkt sich "WOW". Ich glaube, wenn man in solchen Ländern aufwächst, muss man das ja auch qausi machen, man hat nicht viele Optionen und man muss dann einfach das was man hat zu was Eigenem machen.
Aber es ist auch nicht nur der Stil, ich versuche auch ein bisschen tiefer zu gehen, ich recherchiere auch die Geschichte der Rastafari und Reagge zum Beispiel, da geht es mir nicht nur um den Stil.
Und ich habe das Gefühl, das machen nicht genug Leute. Ich sehe zum Beispiel nicht nur was ein Buddhist trägt, ich frage mich dann auch, warum trägt er das. Bis vor kurzem habe ich mich noch mit Piraten, ihrer Geschichte und dadurch auch mit ihrem Stil beschäftigt. Ich mag da vor allem, dass Männer auch feminin sein können. Ich mag Kulturen in denen es einen androgynen Stil gibt.
Wenn ich eine Bluse tragen will, dann trage ich eine. Wenn ich einen Rock tragen will, dann trage ich einen. Ich weiß wer ich bin und mir ist egal wer du glaubst, dass ich bin.
Das ist ja auch irgendwie das Problem heutzutage, jeder versucht gleich auszusehen, weil sie sich Sorgen machen, dass sie sonst nicht akzeptiert werden. Ich finde, dass anders sein ein Geschenk ist. Wir sind ja eigentlich Rudeltiere und werden auf Gruppendenken konditioniert, was manchmal ganz gut sein kann, aber das hängt dann immer davon ab, wohin sich die Gruppe bewegt. Wenn du nicht aufpasst wohin sich die Gruppe bewegt, dann reitest du dich in Situationen, in denen du eigentlich gar nicht sein wolltest. Es scheint irgendwie immer mehr schwarze Künstler zu geben, die sehr stilbewusst sind. Du hast ja zum Beispiel auch mit Theophilus London zusammengearbeitet. Tut sich da was in den USA oder sind das noch vereinzelte Künstler.

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Es ist noch nichts los bei uns. Da gibt es Einzelne, aber die werden noch immer auf der Straße komisch angeschaut. Erst wenn wir als Gruppe irgendwo auftauchen, meinen dann alle, dass wir "cool" sind oder so.

Wie hast du dich früher angezogen. Es kann ja wahrscheinlich jeder Horrorgeschichten vom Kleiderschrank als Jugendlicher erzählen.

Mein Gewand früher hat mich ein bisschen traumatisiert. Als ich mit 8 aus Jamaika nach Miami zog, war ich es gewohnt immer eine Schuluniform zu tragen. In der Schule haben sie mir zwar gesagt, dass ich das nicht müsste, aber ich konnte einfach nicht mit legerem Gewand in die Schule gehen. Irgendwann kam ich dann aus der Phase raus und bin den Schulhoftrends gefolgt. Aber ich habe damals schon immer alles ein bisschen anders geamcht. Ich hatte zum Beispiel so Jeansshorts, in die ich immer eine Bügelfalte gemacht habe uns sie dann bis fast ganz rauf aufgerollt trug. Und dann dachten alle ich wäre ein Snob und haben mich so Sachen wie "Oreo" (Anm. d. Red. außen schwarz, innen weiß) genannt.
Als ich dann nach New York gezogen bin, waren irgendwie all meine Freunde Drogendealer, also habe ich mich auch wie ein Drogendealer angezogen. Große Shirts, die Kappen, das ganze Zeug. Das habe ich für circa ein Jahr gemacht und dann hat es aufgehört, das war so gegen 2009, da habe ich mich dazu entschieden einfach zu tragen worauf ich Lust habe. Bist du ein Intellektueller?

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Ich weiß nicht, ich lese sehr gerne und viel. In den USA ist vielen das Schulsystem egal und so lernen die Kinder nie den Wert des Buches kennen. Mittlerweile ist es was schlechtes intelligent zu sein. Das verstehe ich einfach nicht. Wenn jemand "Nerd" zu mir sagt, freut mich das eigentlich.

Was genau beneutet dieses "Schwaza" das du andauernd benützt.

Jetzt gerade schreien irgendwie alle andauernd "Swag" und ich hasse es. Deswegen haben meine Freunde und ich unser eigenes Ding. Wir waren in Berlin bei der Bread & Butter und der Typ der alle meine Videos macht kam mit haufenweise Sackerln rein und hat dabei die ganze Zeit "Schwaza" geschrien. Wir haben ihn dann gefragt, was zum Teufel das bedeutet und er hat gemeint, dass ist "Swag" auf Deutsch. Dann haben wir das auch übernommen und andauernd gesagt, bis uns Freunde, die Deutsche waren, gesagt haben, dass das Wort nicht existiert. Aber mir war das dann schon egal und ich habe es einfach weiter benützt.

Es könnte eigentlich auch eine bezeichnung für einen Schwarzen sein oder einfach nur die Farbe schwarz. Das haben sie mir bei einem Radiointerview auch gesagt. Ich habe da meine Musik mit Schwaza beschrieben und die haben mir gesagt, dass das schwarz heißt. Ich find das aber eh auch gut.

Was ist eigentlich aus schwarzer Poesie geworden. Früher war das doch ein Riesending und jetzt ist es eigentlich verschwunden.

Ich hab auch nicht das Gefühl, dass es so schenll zurückkommt. Ich liebe die Dichtkunst über alles. Poesie hat mich zum Lesen inspiriert. Alle meine Freunde und ich schreiben unsere eigenen Gedichte.
Ich glaube, die Popkultur hat vor allem Black Poetry umgebracht. Die neue Generation, die einfach keine Lust auf Bildung hatte.

Hat Rap was damit zu tun?

Irgendwie schon, es gibt da irgendwie die Künstler die Poeten sind, wie Common und dann gibt es so Leute wie Waka Flocka Flame. Rap ist vielleicht sogar Dichtkunst für die Welt. Manchmal muss man eine Art Vorarbeit leisten, um Dichtung zu verstehen, aber bei Rap geht das schneller.
Ich hasse aber auch nicht die anderen Arten von Hip Hop, so Sachen wie Dirty South oder Crunk liebe ich, aber auch nur wenn ich gerade feiere. Wenn ich dasitzen und wirklich Musik hören will, dann tue ich mir sowas nicht an. Ich höre dann lieber ruhigere Sachen.

Fotos: Piotr Sokul