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Jo Lang ist Ueli Maurers „Teufel“

Jo Lang hat 40 Jahre lang für eine andere Schweiz gekämpft: Gegen den Militarismus, gegen Rüstungs- und Rohstoffgeschäfte. Wir haben mit ihm über die Gripen-Abstimmung und Ueli Maurers Beleidigungen gesprochen.

Foto zur Vefügung gestellt von Jo Lang

Vor 25 Jahren ging der Kalte Krieg zu Ende. Vor ebenfalls 25 Jahren stimmten 36 Prozent der Schweizer und 60 Prozent der Männer unter 30 für die Armeeabschaffung. Die Befürworter des Kampfjet-Kaufs versuchen, die Zeit 25 Jahre zurückzudrehen: In Zeitungen inseriert das „Pro Gripen"-Lager mit dem Spruch „Krim ist überall!" und Ueli Maurer spricht vor Offiziersgesellschaften von Frauen als Gebrauchsgegenständen. In Zug schwafelte sich Bundesrat Maurer in solche Paranoia, dass er alt-Nationalrat Jo Lang als „Teufel" bezeichnete. Ich kenne Jo aus frohen Zeiten, in denen ich jede Freitagnacht plakatiert und jeden Samstagmorgen Pensionierte und Biomütter um Unterschriften gebeten habe. Jo ist Mitgründer und bis heute Vorstand der „Gruppe Schweiz ohne Armee". Ausserdem ist er ein reflektierter Gesprächspartner, was er in der NZZ am Sonntag oder auch bei Kafi in seinem Arbeitszimmer beweist:

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VICE: Siehst du überhaupt einen Zusammenhang zwischen der Gripen-Abstimmung und der Armeeabschaffung?
Jo Lang: Die Gripen sind ein Teil eines Teils der Armee. Es gibt eine schlechte Tradition in unserem Land: Bei jedem Vorstoss, der einen Teil in Frage stellt, wird behauptet, dass es um das Ganze ginge. Ein Beispiel ist die atomare Bewaffnung der Schweiz, über deren Verbot 1962 abgestimmt wurde. Zwei Drittel waren gegen ein Verbot. Heute betrachtet man schweizerische Atombomben als völlige Idiotie, damals hat man die Kritiker als Armeegegner hingestellt.

Foto von World Economic Forum

Es ist aber so, dass du grundsätzlich Armeegegner bist.
Das entwertet die konkrete Kritik an diesem konkreten Geschäft nicht. Weil wir aber eine falsche Diskussion verhindern wollen, halten wir uns im Abstimmungskampf zurück. Man muss kein Armeegegner sein, um den Gripen in Frage zu stellen. Die Grünliberalen und viele andere Bürgerliche tun das auch. Es gibt viele Piloten, die gegen den Gripen sind. Der Gripen kostet in der Summe 10 Milliarden Franken. Die braucht ein Alpenland als Antwort für das grösste Sicherheitsrisiko: Die Klimaveränderung. Oder für die Sozialwerke und die Bildung sowie Forschung.

Das Militär hat längst nicht mehr die Position wie vor der ersten Abstimmung über die Armeeabschhaffung 1989. Würdest du die Armee heute noch abschaffen oder ging es vor allem darum, das Tabu zu brechen?
Unser Ziel war es, der „heiligen Kuh" den Heiligenschein zu nehmen, sie zu säkularisieren. Zudem hatten wir damals einen grotesken Rüstungsbarock. Die Säkularisierung ist uns nicht vollständig gelungen. Der Verzicht auf einen Teil eines Teils der Armee wird von Konservativen immer noch als Generalangriff gedeutet.

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Foto von TheBernFiles

Das hängt auch mit dem Namen der Organisation zusammen.
Mit einem politischen Fernziel im Namen oder in den Statuten für kurzfristige Anliegen zu kämpfen, ist nichts Besonderes. Als die SP für die AHV kämpfte, unterstellte man ihr auch, es ginge ihr bloss um den Sozialismus. Menschen sind zu Engagement und Gratisarbeit bereit, wenn sie eine Utopie haben, die darüber hinausgeht.

Apropos Gratisarbeit: Die GSOA hat erst die Initiative für ein Kampfjet-Moratorium gesammelt, dann hat die GSOA die Initiative zurückgezogen. Für das Referendum mussten weitere 50 000 Unterschriften gesammelt werden. War das frustrierend?
Die Initiative hob das Volk auf die politische Bühne. Nach dem Verzichtsbeschluss des Bundesrates hatten wir gar keine andere Wahl als den Rückzug. Über was hätte man ansonsten diskutiert? Über die Armee an sich, worum es aber bei der Initiative nicht ging. Zudem wussten wir, dass im Falle eines Rückkommens auf das Geschäft ein Referendum unausweichlich ist. Die heutige Nein-Kampagne wird von drei Komitees getragen: einem linksgrünen, einem bürgerlich-liberalen und dem Komitee Bundesrat plus.

Foto von KGyST

Wie meinst du das, „Bundesrat plus"?
Am 25. August 2010 hat der Bundesrat den Verzicht auf die Beschaffung neuer Kampfjets beschlossen. Ueli Maurer und der damalige Chef der Luftwaffe, Markus Gygax, haben während Monaten schlüssig erklärt, warum es sie nicht braucht. Der geltende Armeebericht trägt den Untertitel „Verzicht auf Tiger-Teilersatz". Ihre Aussagen bilden das zwar fiktive, aber nachweisbare Nein-Komitee Bundesrat Plus.

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Seit der Kanti bist du politisch aktiv. Ist es dankbar, sein Leben in der Schweiz radikal-oppositionellem Engagement zu widmen?
Wäre ich ein Südafrikaner oder Chilene, wäre ich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Folterstuhl oder im Grab gelandet. Ich habe zwar Berufsverbote erlebt, war ein paar Monate im Gefängnis. Aber im Vergleich sind die Nachteile als Oppositioneller hier in der Schweiz klein. Wenn ich von meinen Jugendträumen ausgehe…

Was waren denn deine Jugendträume?
Wir waren die Patenkinder von Che Guevara: Revolution. Mit ungefähr 30 habe ich aber realisiert, dass Veränderung in der Schweiz dem Bohren dicker Bretter gleichkommt. Man nennt das auch Realpolitik.

Foto von World Economic Forum

Also zurück zur Realpolitik! Wie bewertest du das Auftreten von Bundesrat Maurer im Abstimmungskampf?
Er hat viele Böcke geschossen, verliert die Fassung in der Rundschau, pflegt eine Sprache, die für rechtsbürgerliche Militärköpfe passt, aber nicht für die Mehrheit.

Du nimmst Bezug auf Maurers frauenfeindliche Witze. Er schoss auch gegen dich. In Zug hat er dich „Teufel" genannt. Warum will dich Ueli Maurer als Feindbild?
Wenn Ueli Maurer mich Teufel nennt, nehme ich ihm das nicht übel. Vor dem Teufel hat man Respekt. Jemandem zu sagen, sie sei ein Gebrauchsgegenstand, ist hingegen respektlos.

„Wie viele Gebrauchtgegenstände, die 30 Jahre alt sind, haben Sie noch zuhause? Bei uns sind das nicht mehr viele, ausser natürlich die Frau, die den Haushalt schmeisst." so Maurer im Artikel von zentralplus.
Man weiss, dass Ueli Maurer noch nicht bei der Gleichberechtigung angekommen ist. Interessanter aber ist das Grölen des anwesenden Männervolks. Das in der Hochkonjunktur entstandene zweite Bürgertum hat im Gegensatz zum klassisch-liberalen wenig Interesse an Kultur und auch keine eigene Weltanschauung. Die haben einfach die zwei reaktionärsten Angebote kombiniert.

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Foto von Manoj Vimalassery

Welche sind das?
Geistige Landesverteidigung und Neoliberalismus. Es ist dieses zweite, eher etwas ungehobelte Bürgertum, das sich im Zuger Casino über Frauen-Witze und Teufels-Sprüche amüsiert hat.

Ich habe schon den Eindruck, dass manche noch im Kalten Krieg leben: „Krim ist überall!" schreibt das Pro-Komitee in seinen Inseraten.
Die versuchen, einen neuen Kalten Krieg herbeizureden. Das zeigt auch, wie frivol gewisse Kreise mit Krieg und Frieden umgehen.

Erleben wir am 18. Mai das erste Volks-NEIN zu einer grossen Militäranschaffung?
Das sehen wir am 18. Mai. Noch ist nichts gewonnen!