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Popkultur

Jung, arbeitslos und trotzdem eine geile Zeit

Falls du gerade arbeitslos bist und nichts zu tun hast, lies unseren Guide, wie du es richtig machst.

Etwas überrascht, dass sich die kreative Branche nicht um deine ach so intellektuelle Kombination aus Anthropologiestudium und überragender Selbstüberschätzung reißt? Keine Sorge, das hat nichts damit zu tun, dass du weltfremd bist, überhaupt keine Berufserfahrung hast und für jeden Arbeitgeber, der großzügig genug wäre, dich einzustellen, eine Zumutung wärst.

Obwohl Österreich mit 10,1 Prozent Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn, mit horrenden Zahlen um die 50 Prozent, wie ein Land wirkt, in dem Milch und Honig fließen, kann die Krise auch jederzeit auf unserem Arbeitsmarkt marodieren.

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Sollte dem Kapitalismus also auch bei uns die Luft ausgehen, brauchst du keine Angst zu haben, wenn du dich irgendwann dabei ertappst, wie du versuchst, deinen Lebenslauf mit dem Schauspielkurs aus deiner Unterstufenzeit aufzuwerten; wir boxen dich schon da durch, in alphabetischer Reihenfolge.

A - Arbeit als Freelancer

Frag dich vorher: Bist du dir hundertprozentig sicher, dass du genug Disziplin und ein großes Branchennetzwerk besitzt und dein Erfolgsdrang stark genug ist? Könntest du deine Sicherheit gegen die minimale Chance eintauschen, dass ein von einer Oligarchenfrau geleitetes Fashion-Magazin aus Steuergründen zwei Euro pro Wort zahlt? Wenn du auch nur einen Prozent Zweifel daran hast und eher von Natur aus ein ruhiger Typ mit einem guten Dealernetzwerk bist, der einen Drang zum Ausschlafen hat, ist Freelancing eine schlechte Idee.

B - Bewerbungsgespräche

Personalchef Eins: Herr XY, glauben Sie, dass Sie irgendwelche Schwächen haben?Tomate XY: Nein. Na ja, ja. Ich bin, eigentlich, ein Perfektionist. Für mich gibt es entweder alles oder gar nichts. Wenn Sachen etwas heikel werden, schert mich das nicht, aber ich habe ein gutes Gefühl bei diesem Interview. Es scheint ziemlich gut zu laufen, oder?

Personalchef Zwei: Danke, Herr XY. Wir melden uns.
Tomate XY: Die Freude war ganz meinerseits.

[Tomate schüttelt die Hände aller Beteiligten des Bewerbungsgespräches und küsst sie zum Abschluss]

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C - Callcenterjobs

Es scheint nie an Callcenterjobs zu mangeln, wenn man sich mal die Onlinejobbörsen anschaut. Warum ist das so? Kennt jemand jemanden, der so etwas schon mal gemacht hat? Was gehört dazu? Telefoniert man da einfach die ganze Zeit? Es ist doch so ein Job, wo man irgendwelche „Targets" oder „Benchmarks" treffen muss, um dann von seinen Kollegen ein schwitziges High-Five zu bekommen, oder? Ich glaube, da wird sehr viel geschwitzt und rumgeschrien, aber wer kann das wirklich jemals wissen? Es ist schon erstaunlich, wie wenig man über das Leben von Normalos Bescheid weiß, wenn man sich wirklich anstrengt, ihnen aus dem Weg zu gehen.

D - Drogen

Hier ist eine Regel über Drogen: Nachdem du gefeuert wurdest, darfst du dir zwei Wochen Durchfeiern erlauben—so eine Art betäubender goldener Handschlag, wenn du so willst. Aber danach hast du es nicht mehr verdient, Drogen zu nehmen oder irgendwas Lustiges zu machen, bevor du nicht ein Bewerbungsgespräch vereinbaren konntest. So etwas nennt sich Erwachsensein. Du wirst dich später bei uns bedanken, wenn du mit deinem frischen Biosalat in der Hand auf deinen Unifreund triffst, der noch seinen dreimonatigen MDMA-Dauertrip feiert.

E - Ein-Euro-Shop

Eigentlich selbsterklärend: Er wird dich bestimmt vor dem Hungertod retten—du kannst hier echt auch Lebensmittel einkaufen, wenn du wirklich am Ende bist. Manche Filialen haben sogar Pesto!

F - Facebook

Wenn du es irgendwie einrichten kannst, schau erst wieder bei Facebook vorbei, wenn du über den Berg bist; du wirst dich scheiße fühlen, wenn du die Grinsegesichter auf den sonnigen Urlaubsfotos siehst. Die kommen alle mit ihrem Leben klar und haben eine Villa ohne dich gemietet, weil du in letzter Zeit nicht dazu gehört hast. Sorry.

G - Geld leihen

Mach das nicht. Die Dinge sind schon scheiße genug. Wenn du ein Glas Saft verschüttest, steckst du ja auch nicht gleich das ganze Haus in Brand. Mach die Dinge nicht schlimmer, als sie sind. Du wirst für den Rest deines Lebens zum Mittagessen selbstgeschmierte Brote essen müssen, nur weil du dir mit null Einkommen acht Tage die Woche Feierei gegönnt hast.

Foto: Montecruz Foto | flickr | CC BY-SA 2.0

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H - Hausbesetzung

Leider ist es heute nicht mehr so einfach, ein Haus zum Besetzen zu finden und auch darin wohnen zu bleiben, wie dies früher einmal der Fall war. Deine sozialromantischen Träume vom selbstbestimmten Dasein in einer autonomen Zone werden dir die Herren von der Polizei recht schnell wieder aus dem Kopf prügeln, während sie dich aus dem Haus ziehen.

I - Immer wieder Sonntag

„Every Day is like Sunday" ist der Titel von Morrisseys Lied über die tägliche Depression in einem englischen Küstenkaff namens Southend, aber es könnte genauso gut eine Hymne fürs wochenlange Zu-Hause-Rumhängen sein, bei dem der einzige Lichtblick der Gang zum Supermarkt für den Toilettenpapierkauf ist. Versuch, dich ein bisschen fit zu halten und rasier dich auch mal. Wir zählen auf dich!

J - Jobcenterbesuche

Auch wenn Jobcenter mit durchweg anständigen, kordtragenden Liberalen besetzt sind, die sich schon mit Leuten wie dir zu den endlosen Zeiten Kohls rumschlagen mussten, sind sie dennoch kein Vergnügungspark. Sie sind nicht die verseuchten Geldgruben voller krummer Schurken, wie sie von Politikern jeglicher Couleur dargestellt werden. Stattdessen sind sie wie die Mensa. Herzlos, steril, überall abwaschbare Flächen und—natürlich—voller Menschen, die chronisch pleite sind. Es gibt einen Grund, warum Menschen, die ins Jobcenter gehen, auch wirklich einen Job wollen. Weil diese Center eben absolute Dreckslöcher sind.

K - Ketamin

Wenn du dieses Zeug zu jedem zweiten Drink nimmst, kannst du echt Kohle sparen. Auch wenn es kein Koks ist, fühlst du dich trotzdem ein bisschen geil, weil es immer noch weißes Pulver ist, das du durch die Nase ziehen kannst.

Foto: M & Pi | flickr | CC BY 2.0

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L - Liebe Mama, darf ich wieder bei dir einziehen?

Rate mal, von wo aus ich diesen nützlichen Ratgeber schreibe? Genau—die liebe Mama hat mich wieder zu Hause aufgenommen, weil mir die Stadt irgendwann zu viel wurde und mir nichts anderes übrig blieb, als mit eingezogenem Schwanz zurück in die Kleinstadt zu ziehen. Drei warme Mahlzeiten am Tag und frisch gebügelte Wäsche machen die Demütigung fast erträglich, aber eben nur fast. Du träumst dir vielleicht eine Fantasie à la Adventureland zusammen, wie du in einem Videoladen arbeitest, dich in ein launiges Vorstadtmädchen verliebst, dann plötzlich merkst, dass nicht alles so schlimm ist, und eine erfolgreiche Partyreihe im Vorort startest. Aber das tust du nicht. Du bist zu sehr mit dem Verfolgen von Quizshows beschäftigt.

M - Movie2K

Im ersten Moment willst du dir die ganzen Filmklassiker reinziehen, die du wegen der Jahre Vollsuff verpasst hast. Das wird aber nicht passieren, auch wenn du's bis zum Ende von 8 ½ schaffst und in deinem Gammeldasein ein bisschen Kultur vermittelt bekommst. Aber danach wirst du merken, dass die Auswahl scheiße ist und dir nur noch Til-Schweiger-Filme anschauen.

N - N24

Egal wann, hier kannst du immer einschalten und lernst noch etwas dabei. Mal was über das Paarungsverhalten von Eidechsen und dann mal wieder was über das Dritte Reich. Außerdem bist du hier nie an der falschen Adresse, wenn du am Rande deines Sofadaseins mal mitbekommen willst, was in der richtigen Welt passiert, da die Nachrichten oft genug wiederholt werden. Shows wie das Perfekte Dinner würde ich an deiner Stelle eher meiden, da du offensichtlich nicht in der Verfassung bist, irgendjemanden in deinem Loch zu empfangen, geschweige denn, dir selbst mal was Richtiges zu kochen.

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O - Ohnmacht

Vor lauter Trägheit denkst du darüber nach, wie du nur so tief sinken konntest. Nicht etwa, wie du da wieder rauskommen kannst; du suchst die Schuldigen deines kümmerlichen Lebensumstands. Der Staat, der dir mehr Unterhalt schuldet? Die Kunsthochschule, die dein Potenzial nicht erkannt hat? Die Lottofee, die die falschen Zahlen gezogen hat?

P - Preis-Leistungs-Verhältnis

Sparen ist die verabscheute Beschäftigung der armseligen Gestalten. Besonders grässlich wird es aber für Gourmets und Genießer. Wenn du nicht an der Selbstbedienungskasse betrügst, bleibt dir nur die Hausmarke. Aber die ist trotzdem gut, also jammere nicht rum!

Q - Quereinsteiger nach abgeschlossenem Kunststudium

Du also auch? Ja, es waren tolle vier Jahren des Rumalberns und des sich „nach ästhetischen Kriterien Ausdrückens", aber hast du auch an einen Plan B gedacht? Weil das Cinestar gerade nicht mehr nach Kartenabreißern sucht und jede Galerie dich schadenfroh durch ein zwölfjähriges Praktikum durchschleust, bevor sie dich dafür bezahlt, von biestigen Damen in schwarzen Bleistiftröcken angebrüllt zu werden. Das war auch nicht so ernst gemeint mit dem Plan B—nur Spießer und Migranten haben so etwas. Willkommen in der Arbeitslosigkeit.

R - Rockbandmitglieder, hört mal her!

2006 war das letzte Jahr, in dem eine durchschnittliche Gitarrenband einen Lebensunterhalt verdienen konnte. Wenn überhaupt. Es grenzt an Wahnsinn, deine besten Jahre in der Arbeitslosigkeit für etwas zu verschwenden, das dich eh—egal wie sehr du es dir erträumst—nicht reich machen wird. Du wirst auch nicht mehr flachgelegt, nur weil du in einer Band bist, also gibt es nun wirklich keinen Grund mehr, das weiter zu verfolgen. Hier eine gute Faustregel: Wenn mehr als drei deiner Freunde ihre Hauskredite abbezahlen oder Kinder haben und deine Band immer noch nicht 75.000 Euro einfahren konnte, pack deine Sachen und such dir einen Job. Sorry, es wäre gut, wenn es nicht so wäre, aber es ist nun mal so.

S - Schlaf

Der amerikanische Comedian Jim Gaffigan macht gern folgenden Witz: „Wie heißen diese Leute, die nicht den ganzen Tag verschlafen? Ach ja—erfolgreich."

T - Teilzeit

Das ist ein toller Weg aus deiner Misere. Datenbankpflege und Rezeptionsarbeit sind perfekt für Einsteiger, die aus ihrem knallharten Sandlerleben ausbrechen und sich plötzlich wieder konzentrieren müssen. Den Job kannst du auch immer noch verkatert meistern und keiner wird dir unangenehme Fragen stellen, wenn du in Jogginghosen zur Arbeit erscheinst und überpünktlich wieder gehst. Scheiß drauf, vielleicht ist das auch alles, was jemand jemals braucht; Karrieren scheinen ziemlich anstrengend zu sein. Zieh dir einfach ein bisschen Arbeit am Tag rein und abends dann das Koks.

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U - Überwacht und Erwischt! (siehe Z)

Du hast das mit dem Zwiebeltrick im Supermarkt nicht hinbekommen. Verlasse deinen Einkaufswagen und begebe dich umgehend zum Ausgang, bevor irgendein Sicherheitsdienst gerufen wird und du stillschweigend in einem Büro darauf wartest, so behandelt zu werden, als hättest du den Hund eines Kindes am Weihnachtstag zu Tode getrampelt. Bis die durchweg desinteressierte Polizei auftaucht und dir eine mäßige (aber peinliche) Verwarnung gibt und du mit leeren Händen und beschämt nach Hause schlürfst wie eine zwanzigjährige Version von Snoopy, die mit chronischen Depressionen zu kämpfen hat.

V - Verwirrter Schlafrhythmus

Du weißt, wie das ist: Es ist sieben Uhr morgens und du bist online, tief vergraben auf einer Website, auf der User von ihren Begegnungen mit Geistern berichten, während du noch zwischen den anderen Tabs von rechtsextremen Foren und blutrünstigen Fotos pendelst. Hör auf mit dieser beschissenen Angewohnheit und den damit einhergehenden psychischen Problemen, indem du deinen Laptop aus deinem Zimmer verbannst und dir stattdessen eins dieser Dinger mit ganz vielen Wörtern zulegst. Gern geschehen, Gehirnzellen!

W - Wichsen

Während der ersten drei arbeitslosen Wochen wirst du dir so oft einen runterholen, dass du jedes Mal einen Steifen kriegst, sobald Lothar Matthäus eine neue Freundin vorstellt.

X - Xbox 360

… oder irgendeine andere Spielkonsole. Nichts wird dich schneller an den Lebensstil mit umgekehrtem Schlafrhythmus und mangelnder Körperhygiene gewöhnen als der Kauf der Mass Effect-Reihe am Tag deiner Kündigung. Über 75 Stunden Handlung, sagst du? Online-Multiplayer, sagst du? Als dein Vater in deinem Alter war, hatte er zwei Kinder und zahlte bereits den Kredit fürs Haus ab.

Y - Generation Y

Man sagt, die Generation Y bestehe aus eigennützigen, selbstverliebten Taugenichtsen und sei deswegen zu meisten Teilen arbeitslos. Aber das hat man bereits über Generation X, Generation Strange (wie Fred Durst seine Generation bezeichnete) und über die Boomgeneration gesagt, also geht es eigentlich nur um eine ältere Generation, die sich über die jüngere beschwert. So wird das seit Jahrzehnten weitergereicht und schreibt somit die Geschichte der Menschheit. Sag deinen Eltern, sie sollen mit dem Nörgeln aufhören, denn du wirst das schon irgendwann hinkriegen.

Z - Zwiebeln

Du kannst Essen wie Gott in Frankreich und musst dabei nicht dein Sparschwein schlachten, nur die Supermärkte ausfindig machen, die Selbstbedienungskassen haben. Dann gehst du zur Hauptbesuchszeit da hin und gibst für deine exotischen Früchte einfach Zwiebeln an, mit das Billigste (und dennoch bringen sie gut was auf die Waage), was man im Supermarkt kriegen kann. Du musst schnell und unauffällig sein, am besten den Betrug als kurze Bewegung antrainieren. Jedoch, solltest du nicht gierig werden und alles als Zwiebeln wiegen. Du musst schon ein paar richtige Sachen einscannen, wenn der misstrauische Kassierer gerade bei dir die Stichprobe machen will.