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Kein Alkohol, keine Drogen: In diesen Club kommst du nur nüchtern

„Wahrscheinlich wird es ein paar schlechte Anmachsprüche und One-Night-Stands weniger geben.“

Ein Selfie von Mårten Andersson

In Stockholm (wo ich auch herkomme) ist eine neue Partyreihe ins Leben gerufen worden, der für mich nicht besonders ansprechend klingt. Der Name ist Sober und, wie du dir vielleicht denken kannst, musst du stocknüchtern sein, um reinzukommen. Mir erscheint das Konzept dahinter etwas verwirrend und leicht befremdlich, also habe ich mich mit dem Veranstalter—einem Stand-Up Comedian namens Mårten Andersson—in Verbindung gesetzt, um zu schauen, ob er mich davon überzeugen kann, Sober vielleicht doch noch eine Chance zu geben.

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VICE: Hi Mårten, warum veranstaltest du eine Partyreihe, bei der Alkohol verboten ist?
Mårten Andersson: Hallo zurück! Nun ja, die Schweden sollen endlich aufwachen und aufhören, Alkohol auf die Art zu verherrlichen, wie wir es hier tun. Unser Leben ist zu kurz, um dauernd besoffen zu sein. Ich will Menschen inspirieren und ihnen zeigen, dass du auch ohne Alkohol eine verdammt großartige Zeit haben kannst. Ich will hier eine Alternative zum üblichen Besäufnis bieten.

Wie willst du den Alkoholkonsum bei deiner Party kontrollieren?
Wir werden an der Tür ein Alkoholtestgerät haben. Wenn du etwas angetrunken bist, wirst du erst mal eine Runde um den Block gehen müssen. Niemand, bei dem das Gerät anschlägt, kommt rein.

Und wenn du drinnen einen Betrunkenen erwischt?
Dann werden wir ihn rauswerfen.

Glaubst du nicht, dass die Menschen dann einfach andere Drogen nehmen?
Das ist etwas, auf das wir ganz besonders aufpassen müssen. Bei uns wird es eine Nulltoleranzpolitik für jede Art von Intoxikation geben.

Was wirst du deinen Gästen bieten, um den fehlenden Alkohol wieder wettzumachen?
Einen großartigen Club mit fantastischen DJs, alkoholfreie Drinks und hoffentlich eine aufregende Atmosphäre. Es wird genau wie jeder andere Club in Berlin, London oder Ibiza sein—nur ohne betrunkene Menschen.

Ich hörte, dass du den Laden wechseln musstest, weil du zu viele Tickets für die Eröffnungsparty verkauft hattest.
Ja, das war toll! Wir hatten eigentlich vorgehabt, mit einem kleineren Laden anzufangen, um alles entspannt und auf kleiner Flamme zu halten, aber dann sind alle durchgedreht und wir haben in wenigen Tagen 300 Tickets verkauft. Jetzt werden wir zwei Floors haben—einen mit Popmusik für die Leute, die nicht so sehr auf Deeptech und Deephouse stehen wie ich, und einen, auf dem nur elektronische Musik gespielt wird.

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Du hast den schwedischen Medien gegenüber viel von deinen verrückten Sauf- und Partyzeiten erzählt. Habe ich richtig verstanden, dass du jetzt komplett nüchtern lebst?
Ja, ich hatte einfach genug. Ich bin inzwischen seit sechs Monaten nüchtern. Es ist fantastisch—ich habe mich nie besser gefühlt. Ich bin inzwischen viel ruhiger. Ich fühle mich fitter, ich sehe besser aus und mein Selbstbewusstsein war noch nie so hoch. Ich bin auf mich selber stolz wie nie zuvor in meinem Leben.

Das ist schön.
Ja, die Entscheidungen, die ich jetzt treffe, und die Gefühle, die ich jetzt verspüre, finden wirklich im Hier und Jetzt statt—der Nebel ist weg. Davor konnte ich—sagen wir—mir selber einreden, dass ich in ein Mädchen verknallt war, das ich in einem Club kennengelernt hatte. Sobald der Alkohol aber wieder seine Wirkung verlor, hatte ich das alles wieder vergessen. Wenn ich jetzt die selben Gefühle verspüre, weiß ich, dass sie echt sind.

Ist deine eigene Abstinenz nicht einfach nur ein PR-Coup, um deinem Clubkonzept mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen?
Nein, überhaupt nicht—das ist alles so ehrlich, wie es nur sein kann. Ich fühlte mich zuvor richtig beschissen und verspannt. Ich hatte zu viel und zu oft gefeiert, also entschied ich mich dafür, 60 Tage komplett nüchtern zu bleiben. Zu Beginn hatte ich das meinem Soloprogramm zu verdanken. In dieser Show ging es darum, sich selbst gegenüber treu zu sein. Ich konnte also nicht einfach auf der Bühne stehen und versuchen, Menschen zu inspirieren, während ich selber weiter feiern ging. Mit Sober möchte ich es schaffen, die Menschen aufzuklären, damit sie das Beste aus einer Cluberfahrung holen können.

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Wird der Club sich nicht einfach in ein gigantisches Treffen der anonymen Alkoholiker verwandeln?
Nein. Ich glaube, wir werden es mit einem Mix aus gestandenen Clubgängern, trockenen Alkoholikern, Neugierigen, Clubkids und durchmischten Leuten zu tun bekommen. Eine ungewöhnliche aber großartige Mischung aus unterschiedlichen Menschen.

Letztens ist diese Dame an mich herangetreten und hat gefragt, ob sie zu alt sei, um zu der Party zu kommen. Sie war 65. Später am gleichen Tag kamen ein paar Hipster-Clubkids und sagten, dass sie neugierig auf das Konzept wären und ebenfalls kommen wollten. Sie wollen mal sehen, wie sie sich verhalten und tanzen, ohne das Drogen und Alkohol durch ihre Körper fließen—man könnte meinen, sie wären sie noch nie nüchtern gewesen.

Vielleicht waren sie das auch noch nie.
Übrigens, als ich heute in den Zug gestiegen bin, sah ich diese total bescheuerte Kampagne von IOGT-NTO [Schwedens größte Organisation für Abstinenz]. „Alkohol stört" lautete ihr Motto—es ist eine so altmodische Herangehensweise, dass es eigentlich schon peinlich ist. Ich will Menschen gar nicht sagen, dass sie nicht trinken sollen. Ich möchte Menschen einfach offener machen und sie dazu bringen, sich über ihre Trinkgewohnheiten Gedanken zu machen. Werdet lieber high vom Leben als von Drogen oder Alkohol.

„Alkohol stört"? Jetzt mal ernsthaft! Um mit so einer Kampagne anzukommen, musst du wirklich blöd sein. Die Person könnte tatsächlich einen Drink vertragen.

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Ist die ganze Geschichte also mehr ein Gesellschaftsexperiment?
Es wird auf jeden Fall interessant. Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen Spaß haben werden, aber ich bin auch davon überzeugt, dass einige Menschen sich beschissen fühlen werden, wenn sie merken, wie sehr Alkohol ihr Leben bestimmt. Sie werden dann vielleicht nur bedröppelt am Rand stehen, ohne den Mut aufzubringen, mit neuen Menschen zu tanzen oder zu sprechen. Dann habe ich ihnen aber wenigstens einen Floh ins Ohr gesetzt und vielleicht werden sie daraufhin ihr Verhältnis zum Alkohol überdenken.

Glaubst du, die Leute werden mehr oder weniger miteinander flirten?
Am Anfang bestimmt weniger, aber nach einer gewissen Zeit werden die Menschen ihren persönlichen Schutzschild runterfahren und sich wohl genug fühlen, um miteinander zu flirten. Wahrscheinlich wird es ein paar schlechte Anmachsprüche und One-Night-Stands weniger geben.

Vielleicht werden daraus mehr Pärchen entstehen als sporadische Fickgeschichten.
Ganz genau.

Wenn der nicht-nüchterne Mårten auf mich stehen würde, wie würde er versuchen, mich abzuschleppen?
Ich wäre nicht auf dich zugegangen. Ich hätte dich erst mal aus der Ferne beobachtet und dabei versucht, eine so gute Figur wie möglich zu machen—deine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Wenn du dann immer noch nicht auf mich zugegangen wärest, hätte ich das meinerseits auch nicht gemacht. Ich hätte mir dann einfach ein neues Mädchen gesucht, das ich anstarren kann und dann versuche, ins Bett zu kriegen.

Wenn du mich jetzt—nüchtern—anbaggern würdest, wie würdest du das anstellen?
Ich würde auf dich zugehen, dir ein Kompliment machen oder dich nach deinem Namen fragen. Mein Hauptanliegen ist es nicht mehr, in die Hose eines Mädchens zu gelangen. Viel mehr will ich jetzt in die Köpfe der Menschen gelangen und sie richtig kennenlernen.

Danke für die Unterhaltung, Mårten, und viel Erfolg mit deiner Party.

Das Sober-Debüt findet am 26. September in Stockholm im Kägelbanan statt. Hier findest du weitere Infos.