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Popkultur

Können bitte alle aufhören, über ‚Game of Thrones’ zu sprechen?

Es wird Menschen geben, die mich als rückständig bezeichnen werden, weil ich Fantasy nicht verstehe. Aber bin wirklich ich der Rückständige hier, oder die fanatischen Game of Thrones-Anhänger?

Ein Paar Game of Thrones Cosplayer (Foto via Kyle Nishioka)

Gerade ist die neue Staffel von Game of Thrones gestartet und aus welchen Gründen auch immer ist dies eine Serie, die Menschen liebend gern mit HBO-Alliterationen beschreiben wie „The Wire mit Wölfen“, „Sopranos mit Schwertern“ und was weiß ich. Ich habe mir die Serie immer noch nicht angeschaut und werde das wohl auch nie tun. Und das liegt nicht daran, dass ich kein Sky habe, und auch nicht daran, dass jedes Mal, wenn ich versuche, einen Torrent runterzuladen, sich entweder mein Download aufhängt oder ich mit Pop-ups für Potenzpillen bombardiert werde. Nein, es liegt daran, dass ich schlicht und einfach eine grundlegende Aversion gegen alles habe, was mit dem Attribut „Fantasy“ versehen werden kann. Wir kennen alle die Klischees über Fantasyfans: Games-Workshop-Angestellte, die laut aufseufzen, wenn die Kinder mal wieder nicht genau nach den Regeln spielen; Menschen, die ihren kulturellen Garten Eden in der Graphic-Novel-Abteilung einer jeden größeren Buchkette und dem T-Shirtangebot eines EMP-Katalogs der 90er gefunden haben. Ihr kultureller Werdegang führte sie von Rollenspielen über Red Dwarf zu Reddit und sie diskutieren lauthals in kleinen Rock-Kneipen über die Umstände von Bruce Lees Tod. Sie hassen Fashion in jeder Form, aber gleichzeitig wollen sie sich unbedingt von der Masse abheben. Um das hinzubekommen, muss eigentlich jedes Kleidungsstück—und ganz besonders das T-Shirt—auf etwas verweisen. Sei es ein Alan-Moore-Gedächtnis-Amulett, das sie sich über die Gratisbeilage des Metal Hammer besorgt haben oder eins dieser dämlichen „You shall not pass“-Shirts.

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Die Idee von Game of Thrones ist allerdings, dass es gerade nicht nur für diese Klientel gedacht ist. Es ist für Leute, die auch gerne True Detective schauen, Bret Easton Ellis lesen und The National hören. Es ist sexy, mit tollen Schauspielern besetzt, es geht um Politik und Intrigen, und pausenlos sterben Menschen. Hey, du kannst dich sogar auf Partys darüber unterhalten, ohne dass die Leute anfangen, dich auszulachen! Aber so sehr die Zuschauer auch betonen, dass GoT nicht nur was für Leute ist, die es lieben, sich über Drachen zu unterhalten und aus Methörnern trinken, meine Abneigung gegen alles, was irgendwie mit „Fantasy“ zu tun hat, sitzt einfach tiefer. Wenn ich ehrlich bin, ist es mir eigentlich total egal, ob Game of Thrones mehr mit „Mad Men mit Magiern“ als mit Dungeons & Dragons gemein hat. Nein, es ist ein Problem, das ich schon immer mit Fantasy hatte; es ist der gleiche Grund, warum ich beim ersten Herr der Ringe-Film eingepennt bin, beim zweiten irgendwann das Kino verlassen habe und den dritten komplett ignoriert habe (vom Hobbit müssen wir gar nicht erst reden). Wahrscheinlich haben meine Lese- und Schreibfähigkeiten auch lange darunter gelitten, dass ich lieber die Fußball-Magazine gelesen habe, als mit meinen Freunden Discworld-Romane zu tauschen, aber wenigstens kann ich von mir behaupten, dass ich schon immer wusste, dass Muse eigentlich scheiße sind. Gehüpft wie gesprungen, würde ich sagen.

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(Foto via)

Vielleicht wäre ich ein besserer Mensch, wenn ich meine ganzen Vorurteile beiseite legen könnte und anfangen würde, den wahren Umfang, den Eskapismus, die erzählerischen Finessen und den subtilen Humor schätzen zu lernen, von dem Fantasy-Fans immer schwärmen. Ich glaube aber auch nicht, dass das hier wirklich das Problem ist. Mein kultureller Horizont war nie sonderlich eingeschränkt; als Kind liebte ich Ghostbusters und war in meinem Bekanntenkreis so ziemlich der Einzige, der Die Abenteuer des Baron Münchhausen wirklich zu schätzen wusste. Ich verbrachte meine Jugend nicht damit, herauszufinden, wie viele Leute in einem Film umgebracht werden, um zu entscheiden, ob ich ihn überhaupt sehen will, und ich habe niemals die lesbische Kussszene in American Pie 2 zurückgespult. Auch meine Lesegewohnheiten wurden zunehmend anspruchsvoller und ich fing an, die obligatorischen „coolen“ Bücher von Kerouac, Salinger, Ballard, PKD usw. zu lesen. Sogar als ich heranwuchs und Alkohol, Mädchen und Nu-Metal für mich entdeckte, begeisterte ich mich für viele Sachen, auf die auch Fantasy-Fans stehen: Ich versuchte, die Rede des Architekten in The Matrix: Revolutions zu analysieren, oder feierte alles, was mit Twin Peaks zu tun hatte. Ich habe überhaupt kein Problem mit diesem Paranormal Activity-Okkultismus oder -Teufelszeug—alles ist cool, so lange das Wort „Ork“ nicht fällt. Die Fantasykultur, mit der ich groß, aber nie wirklich warm geworden bin, umfasst Dinge wie die Musik von Pink Floyd, diese Bücher, zu denen du Würfel brauchst, um sie zu lesen, um natürlich mittelalterlich wirkendes Starkbier. Für mich war es immer eine Kulturform, die vor allem von Menschen geschätzt wird, die nicht so richtig mit den ganzen Wirren des echten Lebens klarkommen: mit den Genoziden, dem Herzschmerz, den sich ständig wechselnden und ändernden Moden, den religiösen Fanatikern und Dogging. Es wird Menschen geben, die mich als rückständig bezeichnen werden, weil ich Fantasy nicht verstehe. Aber bin wirklich ich der Rückständige hier, oder die Leute, die jeden Tag und jede Nacht zählen, bis sie endlich einen Film sehen können, der Smaugs Einöde heißt? Ich glaube, mein wirkliches Problem ist, dass so ziemlich alles, was mit Fantasy zu tun hat, einem sehr konservativen und überholten Weltbild entsprungen zu sein scheint. Mich erinnert das alles immer an Ferien im Wohnwagen, Kneipen, in denen der Besitzer noch Cord trägt, Schulausflüge zu antiken Schauplätzen und Menschen, die Shirts mit blöden Sprüchen tragen. Wenn sich Game of Thrones in einem wirklich mythischen oder futuristischem Land abspielen würde, könnte ich dem Eskapismus-Part vielleicht sogar etwas abgewinnen. Ich hatte überhaupt keine Probleme damit, mich in Blade Runner zu verlieren, aber GoT und die meisten anderen Fantasywelten scheinen wenig mehr als ein kitschiger Abklatsch des ländlichen Englands von 1930 zu sein: Alle sprechen in südwestlichen Dialekten, es gibt malerische grüne Hügel und immer wieder geht es um ein altertümliches Gebräu. Wenn Mittelerde ein tatsächlich existierender Ort wäre, wäre es einer, an dem das Klauen von ein paar Weintrauben unter Straßenkriminalität fallen würde.

(Foto via)

Und dann gibt es da noch das Problem mit Sex. Trotz einer Besetzung mit Viggo Mortensen, Orlando Bloom und Liv Tyler schafft es Herr der Ringe vollständig, auch nur den leisesten Anflug von Sexualität zu unterbinden; abgesehen von den paar Dekolletés und etwas Rumgeknutsche gegen Ende. So wie ich das sehe, fußt Pink Floyds komplette Karriere darauf, so zu tun, als ob Sex einfach nicht existiert, und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch bei Discworld niemand einen geblasen bekommt. Game of Thrones hat allerdings reichlich davon, wie einem auch sofort jeder ungefragt berichtet, sobald das Thema auch nur angeschnitten wird. Wirklich gut gemacht—Problem erkannt und—mit einem Haufen Titten und Schwänzen—gebannt. Für mich scheint es so, als ob diese ganzen Bücher, Filme, Songs und TV-Serien über Personen mit komisch aussehenden Ohren, die durch die Berge rennen und sich gegenseitig mit Schwertern verkloppen, vor allem für Menschen gemacht sind, die Probleme haben, andere menschliche Wesen zu verstehen. Während die Typen aus der Musik-AG damals an meiner weiterführenden Schule zu Pink Floyds The Piper at the Gates of Dawn abgingen, konnte ich einfach nicht über diese ganzen Tolkienkram und die mythologischen Anspielungen hinwegkommen. OK, mit Chronic 2001 konnte ich auch nicht wirklich viel anfangen, aber wenigstens schien das ein Dokument einer Welt zu sein, die tatsächlich irgendwo existiert und eben nicht nur in der blühenden Fantasie eines Internatschülers. Wo sind außerdem die ganzen ethnischen Minderheiten bei Herr der Ringe? Es ist zwar ein ziemlich ausgelutschter Einwand, der gerne dazu verwendet wird, Fantasy-Fans auf die Palme zu bringen, und auch auf wirklich viele andere Fantasywelten anzuwenden ist, darüber hinaus ist es garantiert schon tausendmal als öder Gag von mittelmäßigen Stand-up-Comedians gebracht worden. Trotzdem ist es eine Sache, über die man nachdenken sollte. Nach ein paar Klicks bei Google scheint wohl die am weitesten verbreitete Begründung dafür zu sein, dass die Geschichte teilweise auf alten englischen Sagen aufbaut und sich auch in diese einreihen möchte. Aber, Moment mal, ich dachte, das soll alles Fantasy sein? Es ist also cool, einen Ork, ein paar Drachen und Unmengen von Zwergen unterzubringen, aber Schwarze sind zu viel verlangt? Für meinen Geschmack ist das schon etwas „problematisch“. Wie ich schon sagte, ich habe Game of Thrones nie gesehen. Und wer weiß—vielleicht ist die Serie ja wirklich super. Vielleicht werde ich eines Tages meine ganzen Vorurteile überwinden können—wahrscheinlich wenn das Ganze in Jahren wiederholt wird. Aber jetzt gerade, in diesem Moment, komme ich einfach nicht über diese bekackten Orks hinweg.