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Ist es heuchlerisch, einen Künstler zu hassen und seine Kunst zu mögen?

Viele berühmte Personen haben schlimme Dinge getan. Von Vergewaltigung über häusliche Gewalt bis Körperverletzung. Dürfen wir sie trotzdem mögen?
Lisa Padilla | Flickr | CC BY 2.0

Diesen Sonntag spielt Xavier Naidoo in Wien. Mittlerweile ist wohl beim Großteil der Gesellschaft angekommen, dass er fragwürdige bis diskriminierende Ansichten vertritt. Er singt „Warum liebst du keine Möse?" und spricht auf verschwörungstheoretischen Mahnwachen. Trotzdem war er Host der Serie Sing meinen Song und Jurymitglied bei The Voice. In solchen Fällen argumentieren Fans, dass sie ja die Musik gut finden können, ohne Naidoos Meinung zu teilen. Aber können wir einen Künstler überhaupt von seiner Musik trennen, die immer auch Abbild seiner Gedankenwelt ist?

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Die Welt hat Chris Brown vergeben, nachdem er Rihanna verprügelt hatte. Er hat sich entschuldigt und von seiner schweren Kindheit erzählt. Ein wichtiges Argument für seine Fans ist, dass Rihanna ihm auch vergeben hat. Im Gegensatz zu Naidoo verbreitet Brown in seinen Songs keine offensichtliche Ideologie. Außerdem ist es im Hip Hop nicht gerade unüblich, oft und gerne „Bitch" zu sagen. Eines von Chris Browns neuesten Liedern heißt Bitches and Marijuana. Eigentlich nicht ungewöhnlich. Im Zusammenhang mit seiner gewalttätigen Attacke 2009 bleibt nach dem Hören doch ein schaler Geschmack. Auf Youtube findet sich außerdem ein Track, in dem Brown rappt:

Don't fuck with my old bitch, it's like a bad fur
Every industry nigga had her
Trick or treat like a pumpkin just to smash her

In seiner Entschuldigung meint Brown, dass die Gewalt, die er Rihanna angetan hat, ein einmaliger Ausrutscher war. Sein Verhalten und seine Musik deuten aber auf fehlenden Respekt gegenüber Frauen hin—bis hin zu beiläufiger Gewaltandrohung.

Johan Oomen | Flickr | CC BY 2.0

Ein ganz anderer, aber auch schwieriger Fall ist Sean Connery. Er erzählte dem Playboy 1965, dass man eine Frau manchmal schlagen müsse—nicht fest, aber eine Ohrfeige sei schon OK, wenn sie sich wie eine „Bitch" verhielte. Zwanzig Jahre später hat sich nichts an seiner Meinung geändert. Er ist zwar uneinsichtig, es gibt aber keinen bekannten Fall, in dem er selbst gewalttätig wurde.

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Das macht ihn auf eine andere Art gefährlich. Er ist kein Frauenschläger, kein Krimineller. Er ist Bond, James Bond. In seine Arbeit flossen seine frauenfeindlichen Ansichten nicht ein. Trotzdem erreicht er mit Aussagen Menschen, die sich darin bestätigt fühlen, die Partnerin oder den Partner ab und zu eine runterzuhauen. Das ist jetzt drei Jahrzehnte her. Manche werden sagen, dass man ihm das nach all den Jahren nicht mehr vorhalten sollte. Da er sich aber weder jemals entschuldigt, noch die Aussage zurückgenommen hat, gehe ich davon aus, dass sich an seiner Meinung nichts geändert hat. Das Playboy-Interview ist außerdem auf seiner offiziellen Seite zu finden, dementsprechend geniert er sich wahrscheinlich nicht dafür.

Chris Brown und Sean Connery sind kaum vergleichbar. Brown behauptet, er wäre gegen Gewalt, obwohl seine Musik vor Frauenfeindlichkeit strotzt. Connery benimmt sich korrekt und verbreitet schädliche Meinungen. Die Fans von beiden finanzieren ihnen eine Plattform, auf der sie ihre Frauenfeindlichkeit verbreiten können. Connery spricht aus, was Brown in seinen Liedern transportiert.

Eminem, alias Marshall Mathers, ist eine Mischung. 2001 wurde er zu zwei Jahren Bewährung verurteilt, weil er einen Mann mit einer Pistole geschlagen hat. Die Waffe war außerdem nicht registriert. In seiner Musik lebt er Gewaltfantasien an verschiedenen Frauen aus. Ob er davon spricht, Lana Del Rey ins Gesicht zu schlagen oder Iggy Azalea zu vergewaltigen, seine Fans bleiben ihm treu. In My Name is singt er davon, Pamela Anderson ihre Brüste abzureißen und sie zu schlagen. Eminems Lied Kim ist eine Orgie an Gewalt: „Sit down bitch/if you move I'll beat the shit out of you" oder auch „Bleed, bitch, bleed". Kim Mathers ist seine Ex-Frau und die Mutter seiner Tochter.

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Chris Brown wurde seit 2009 mit mit 23 Awards ausgezeichnet, darunter mit einem Grammy. Eminem ist noch immer einer der erfolgreichsten Rapper aller Zeiten. Beide mussten nicht ins Gefängnis. Sean Connery ist ein talentierter Schauspieler. Genauso wie Sean Penn, der unter anderem Madonna verprügelt hat. Oder Emma Roberts, die ihrem Verlobten die Nase blutig geschlagen hat.

Wir haben als Konsumentinnen und Konsumenten eine Entscheidung zu treffen. Wessen Kunst wollen wir unterstützen? Die Verwebung von Persönlichem und des künstlerischen Schaffens sind offensichtlich. In den meisten Fällen sind sie nicht zu trennen. In Browns Fall könnten wir uns mit einer Entschuldigung zufrieden geben, die wahrscheinlich keinem echten Sinneswandel zugrunde liegt. Dafür normalisiert er Gewalt nicht in dem Ausmaß wie Sean Connery. Können wir es verantworten, Künstler wie Eminem mit unserem Geld und unserer Zeit zu unterstützen, damit er weiterhin davon singen kann, Menschen zu schlagen und zu vergewaltigen? Ich kann es nicht.

Lisa auf Twitter: @lisawoelfl


Header: Lisa Padilla | Flickr | CC BY 2.0