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Es ist kein Wunder, dass die Wiener Jugend ein verdrehtes Körperbild hat

Eine Untersuchung zeigt, dass sich drei Viertel der jungen Wienerinnen eine untergewichtige Figur wünschen.
Bild von Valeria C★Preisler via flickr

Vor einigen Tagen hat das Wiener Programm für Frauengesundheit eine Untersuchung veröffentlicht, die mich als junge Frau, die sich noch ziemlich gut an die noch nicht so lange vergangenen Teenie-Tage erinnert, schon ein bisschen gruselt. Wiener Schülerinnen zwischen 12 und 17 Jahren wurden zum Thema Körperbild und ihrem Essverhalten befragt und die Antworten sind in etwa so, wie man sie sich als echter Kulturpessimist von städtischen Jugendlichen zwischen Germany's Next Topmodel, Fitnessmodels auf Instagram und Green Smoothie-Selfies von irgendwelchen YouTubern erwartet.

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Für 20 Prozent der befragten Mädchen ist ihr Gewicht das Thema, um das sie sich am meisten Sorgen machen—Probleme in der Familie liegen mit Abstand dahinter. Über drei Viertel der Schülerinnen hegen den Wunsch, eine untergewichtige oder stark untergewichtige Figur zu haben und über die Hälfte der 16-jährigen Mädchen hat bereits versucht, eine Diät zu halten. Auch 14 Prozent der befragten Burschen haben starke Angst vor einer Gewichtszunahme.

Mit der ewigen Frage, wie es zu so absurden Idealvorstellungen vom eigenen Körper kommt, haben sich wahrscheinlich schon zu viele Menschen beschäftigt. Ein paar der Antworten: Kultur, Vorbilder, Medien. Ich weiß, ich klinge wie eine Zeigefinger-schwingende Großmutter, wenn ich so etwas sage, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Modelcastingshows, in denen den „Määädchen" vor Millionenpublikum auf den Bauch getatscht wird, wenn sie ein Kilo zu viel wiegen, nicht gerade förderlich für das Selbstverständnis von Jugendlichen sind. Genauso wie zu Tode retuschierte Bilder von 17-jährigen Starlets, die in Wahrheit noch nicht einmal eine kleine Lachfalte haben.

Die Zeit der Heroin-Chic-Magermodels ist zwar (zum Leid von Kate Moss) weitestgehend vorbei und es haben sich neben den klassischen androgynen Laufsteg-Models auch noch weitere „Ideale" etabliert. Es gibt die Kim Kardashians, die für Kurven und große Ärsche plädieren, es gibt die Victoria's Secret-Engel, die ja angeblich so „normal" und zu unser aller Seelenheil extra weiblich gebaut sein sollen, es gibt die Fitness-Jünger, die zwar mager sind, aber dies zumindest auf gesundem Wege zu erreichen versuchen.

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Aber nur, weil es mittlerweile mehrere Nischen gibt, heißt das nicht, dass sie deswegen weniger unrealistisch und absurd sind—geschweige denn, dass Nischenphänomene irgendetwas am Mainstream verändern. Der Körper von Kim Kardashian ist nämlich genauso wenig durchschnittlich wie der eines Laufsteg-Models. Alle diese „Vorbilder" suggerieren uns noch lange nicht, dass es OK ist, einfach so zu sein, wie man nun mal ist. Sie zeigen uns, dass man sich beliebig formen kann. Und genau diese Botschaft kommt bei ihren Fans—unter anderem den Jugendlichen aus der Studie—dann auch an.

In Verbindung mit der durchgeführten Studie hat das Wiener Programm für Frauengesundheit eine Kampagne gestartet. Die Kampagne heißt „Ich bin genau richtig—schön in jeder Größe" und zeigt ganz normale Durchschnittsfrauen, sowohl dicke als auch dünne, die ermutigende Statements wie „Ich bin meine eigene Jury, Heidi!" in die Kamera halten. Die Kampagne ist ein guter und vor allem gut gemeinter Versuch, Bewusstsein zu schaffen.

Solange sich jedoch keine Menschen, die für die betroffenen Jugendlichen als Vorbilder dienen, hinstellen und zu ihren Makeln stehen, wird es mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit beim Versuch bleiben. Junge Menschen, die offensichtlich noch auf der Suche nach ihrer Identität—sowohl, was das Äußere angeht, als auch in Bezug auf das Innere—sind, brauchen Identifikation mit Menschen, die sie super finden. Und das wird bei der netten Frau von Nebenan so schnell nicht der Fall sein—was uns auch schon diverse Versuche von Kosmetikmarken gezeigt haben, die mit „Durchschnittsfrauen" geworben haben.

17 Prozent der vom Programm für Frauengesundheit befragten Mädchen unter zwölf Jahren haben bereits mindestens einen Diätversuch unternommen. Wenn die Anzahl dieser Mädels nicht steigen soll, muss etwas passieren. Junge Mädchen identifizieren sich mit den Mileys und Arianas dieser Welt—also mit Menschen, die nicht allzu weit von ihrer Lebensrealität entfernt liegen. Und in dieser Lebensrealität muss in Zukunft auch Platz für Vorbilder mit Baby- und vielleicht auch ein bisschen mehr Speck sein. Und zwar nicht nur in den Nischen, wo dicke oder anders von der Norm abweichende Frauen die Freakshow bedienen, sondern eben im Mainstream und damit in der Mitte der Lebenswelt junger Menschen.

Verena auf Twitter: @verenabgnr


Titelbild: Valeria C★Preisler via photopin (license)