Das Leben im Niemandsland zwischen Russland und Ukraine

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The Magic Hour Issue

Das Leben im Niemandsland zwischen Russland und Ukraine

Besetzte Bergwerke und Sperrstunden. So sieht die Bürgerkriegs-Realität in den nicht anerkannten Ländern Luhansk und Donezk wirklich aus.

Im Februar passierte ich in einem klapprigen Lastwagen die russische Grenze zur Donbass-Region. Auf einem zweiwöchigen Roadtrip durch die neugegründeten „Volksrepubliken" Luhansk und Donezk wollte ich das Ausmaß des Bürgerkrieges in der Ostukraine einfangen. Der Konflikt ist die Folge eines politischen Umbruchs, dessen Ausbruch ich 2014 in Kiew begleitet hatte. Diesmal lag mein Fokus auf der neu entstandenen Grenzregion zur westlichen Ukraine, die bis heute Schauplatz schwerer Kämpfe zwischen Regierungstruppen und pro-russischen Separatisten ist. Dieses neue Niemandsland zwischen Ukraine und Russland war sichtlich vom Krieg gezeichnet. In den Ruinen ehemaliger Dörfer und Städte begegnete ich nur selten Zivilisten.

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Mörsergranaten hatten riesige Löcher in Häuserfronten gerissen. Die Menschen, die einst dahinter wohnten, konnten außer ihrem Leben nur wenig retten. Mobiliar, Kleidung und Spielzeug mussten sie zurücklassen. In den Straßen hatte über Wochen ein erbitterter Häuserkampf getobt. Auf meinem Weg streifte ich die Wracks ausgebrannter Militärfahrzeuge. Die Logik des Krieges macht Keller zu Bunkern, Schulen zu Lazaretten und Wohnungen zu Militärstützpunkten. Der Krieg produziert totes Material und mit jeder Veränderung des Frontverlaufs ein neues politisches System.

Die temporären Machthaber setzen neue Bürgermeister ein und verhaften politischen Gegner. Man begräbt die Gefallenen und hisst neue Flaggen. In meinen Arbeiten erforsche ich die abseitigen Situationen des Krieges. Ich porträtiere den Alltag der Bevölkerung, die in einem nicht-anerkannten Staat lebt, in selbstverwalteten Bergwerken arbeitet und deren Freiheit durch Sperrstunden beschränkt wird.

Ein zerstörter Panzer steht auf einem Feld im Luhansker Oblast. Wir waren gerade zu fünft mit dem Auto unterwegs zu Luhansker Flughafen. Unser Fahrer ein ehemaliger Regisseur aus Donetsk gab uns eine kleine Führung durch über die unzähligen Schlachtfelder die wir bis dort hin noch sehen sollten.

Ich war mit einem kleinen humanitären Hilfskonvoi unterwegs. Anlässlich des 8. März führte die Schule in Svetlovsk eine Theaterstück zu Ehren der Frauen auf. Diese Aufführung wirkte zwischen als diesen zerstörten Landschaften und schweren Schicksalen merkwürdig, war aber letztendlichen auch ein kleiner Hoffnungsschimmer zwischen all diesen Tragödien.

Das Schlachtfeld von Debaltseve. Die mehr oder weniger letzte größere Schlacht fand hier statt. Kurz nach der Einigung auf einen Waffenstillstand fuhren die Aufständischen hier ihre vorerst letzte Offensive.

Ein Aufständischer ruht sich nach seinem Wachdienst aus. Immer wieder fallen auch noch an diesem Tag Schüsse in Debaltseve. Die Männer sind müde und haben sich damit arrangiert. Als die ersten Schüssen fallen, erschreckt niemand.

Eine Pensionärin in ihrer Wohnung in Svetlovsk. An diesem Tag war ich mit einer Gruppe von freiwilligen unterwegs, die versuchten, sich um alte Menschen zu kümmern. Mehrmals in der Woche verteilen sie Lebensmittel und bleiben auf einen kleinen Plausch.

Der zerstörte Flughafen von Luhansk. Ähnlich wie der Flughafen von Donetsk war auch dieser heftig umkämpft. Übrig geblieben sind nur noch ein Stahlgerippe und tonnenweise zersiebter Beton.

Ein Bergarbeiter eines selbstverwalteten Bergwerks im Luhansker Oblast.