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the Earth Died Screaming Issue

Kunstpelz? Nein, danke!

Echtpelz und leidende Tiere oder Kunstpelz und leidende Umwelt? Über die Ethik von Synthetik und die Frage, was jetzt besser ist.

Kunstpelz ist nicht nur ein modisches Statement, sondern auch ein politisches. Wenn ein Promi ihn trägt, dann drängen sich sofort gewisse Vorurteile auf: Klar, sie hat ein Herz für Tiere, aber ist sie nicht auch die Art Mensch, die ihr Rassehündchen zur Massage bringt, überteuerte Fruchtsäfte trinkt und in solarbetriebenen Jurtenhotels Urlaub macht?

Kunstpelz ist Teil eines Lebensstils von Menschen, die behaupten, genau so viel Wert auf Ethik wie auf Ästhetik zu legen. Sollte das so sein? Acryl, der Hauptbestandteil von Kunstpelz, schadet dem Planeten. In einem Bericht der EU-Kommission von 2014, in welchem neun Faserarten untersucht worden sind, schnitt Acryl mit der schlechtesten Umweltverträglichkeit ab: Der Kunststoff belegte in vier von sechs Kategorien den letzten Platz, darunter Klimawandel, menschliche Gesundheit und Ressourcenverbrauch.

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Woran liegt es, dass Kunstpelz umweltfreund­lich scheint? Als er bekannt wurde, stellte man die Alternative dazu—echten Pelz—noch aus gefährdeten Tierarten wie Tigern und Jaguaren her. In den 1960ern und 70ern entstand eine enge Beziehung zwischen der Tierrechtsbewegung und Artenschützern. In einer Werbung in Vogue bot die Kunstpelzmarke Timme-Tation ihren falschen Tiger mit einem frühen Beispiel von Pelzverachtung feil: „Weiß die weltbekannte Schönheit, die gerade einen Mantel aus 10 Tigerfellen gekauft hat, dass es jetzt auf der ganzen Welt nur noch 590 Tiger gibt?"

Als immer mehr Tierschutzgesetze verabschiedet wurden, wuchs auch die Bandbreite an Tierrechtsbewegungen. Heute gibt es viele Gruppen wie PETA, die das Töten von Tieren aus jeglichem Grund ablehnen. Anfang der 1990er verhalfen sie mithilfe von Modewerbungen mit Supermodels dem Kunstpelz zu weltweitem Erfolg. In einem berühmten Bild trug Cindy Crawford nichts als eine Mütze aus künstlichem Lammfell von Todd Oldham.

Inzwischen werben nicht mehr Scharen von nackten Supermodels für Kunstpelz (oder für PETA), doch die Kampagnen trafen den Zeitgeist. Der Toronto Star berichtete 1991, Nerzmäntel würden nur noch halb so viel kosten wie in den 80ern. Kanadische Pelzhändler konterten mit ihrer eigenen PR-Kampagne: „Fur is green". Pelz sei grün, weil er als Naturfaser biologisch abbaubar sei, von einer nachwachsenden Ressource stamme, wenn man die Tiere fachgerecht halte oder einfange, und indigenen Unternehmern Einkünfte bringe. Synthetikfasern dienten als nützlicher Kontrast, waren sie doch bekanntermaßen umweltschädlich und nicht erneuerbar.

Pelzhändler führen heute noch diese Argumente ins Feld, doch Tierrechtsaktivisten bezeichnen dies als Propaganda. „Sie lassen aufgrund der gesunkenen Verkaufszahlen nichts unversucht", erklärte mir Rob Banks, ein veganer Aktivist, der den ganzen Winter in New York gegen Pelzverkauf demonstriert hat. PETA schrieb: „Auf jedem Pelzmantel sollte eine Warnung stehen: ‚Achtung! Gift für Tiere und Umwelt!' Ein Pelzmantel von einer Pelztierfarm verbraucht in der Herstellung 15 Mal so viel Energie wie ein Kunstpelzmantel."

Allerdings kann man auch dieser Aussage nicht wirklich trauen. Die Studie, auf die sich PETA bezieht, ist von 1979 und wurde von einer Tierschutzgruppe in Auftrag gegeben. Nicht, dass die Zahlen der Pelzindustrie besser wären. Bei genauerem Hinsehen findet man bei einfach jeder Studie parteiische Geldgeber. Unabhängige Quellen, wie die EU-Kommission, haben wiederum in keinem Nachhaltigkeitsbericht Acryl und andere Fasern mit Pelz verglichen.

Ein Argument für Kunstpelz ist die Tatsache, dass er trotz schlechter Ökobilanz einen Tropfen auf dem heißen Stein der gesamten Umweltverschmutzung darstellt. Acryl macht laut dem Bericht der EU-Kommission nur zehn Prozent der gesamten Kleidungsproduktion aus, und Kunstpelz wiederum nur einen kleinen Anteil davon. Warum greift die Pelzindustrie also Acryl an? Alan Herscovici, der stellvertretende Vizepräsident des Fur Council of Canada, räumt ein: „Ich bin nicht gegen Kunststoffe. Das wäre ganz schön dumm, ich fahre schließlich Auto." Er meint, die Pelzindustrie wehre sich lediglich gegen Behauptungen von Tierrechtsorganisationen, Kunstpelz sei humaner und umweltfreundlicher.

Tierrechtsaktivisten geben mittlerweile auch zu, dass Kunstpelz vielleicht nicht so gut für den Planeten ist. Allerdings ist das ja auch nicht ihr Hauptanliegen. „Pelz ist nicht schlecht, weil er der Umwelt schadet, sondern weil dafür Tiere getötet werden", sagte Banks. In anderen Worten: Wenn ein umwerfender künstlicher Fuchspelz jemanden davon abhält, einen echten zu kaufen, dann ist das ein Sieg, selbst wenn dadurch auf lange Sicht die Zerstörung des Lebensraums der Füchse vorangetrieben wird.