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Sind die Direktoren des Kempinski-Hotels feige Antisemiten?

Der Regisseur Claude Lanzmann beschuldigt das Berliner Luxus-Hotel, Israel auf Wunsch arabischer Gäste von seinen Telefonlisten gestrichen zu haben. Die Hotelbetreiber dementieren. Einer lügt, bloß wer?
Foto: imago | STPP

Foto: imago | STPP

Warum sollte Claude Lanzmann lügen? Ruhm und Aufmerksamkeit hat er doch echt nicht mehr nötig. Er, der studierte Philosoph, er, der enge Freund von Jean-Paul Sartre, er, den eine sechsjährige Liebesbeziehung mit Simone de Beauvoir verband und eine noch längere Freundschaft; er, dem sein neunstündiger Dokumentar-Epos Shoah einen Platz im Film-Olymp sicherte. Elf Jahre lang dauerten die Arbeiten an diesem Werk über den Holocaust, als Mensch und Regisseur wollte Lanzmann den Toten gerecht werden. Warum sollte Lanzmann lügen?

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Denn entweder lügt Lanzmann oder es lügt das Kempinski-Hotel in Berlin. Am Donnerstag ist nämlich ein Text von ihm in der FAZ erschienen. Titel: Israel existiert hier nicht. Darin beschreibt des Regisseur ein Ereignis, das er vor zwei Tagen im Luxushotel erlebt hat.

Wegen einer Beerdigung war der Franzose zu Besuch in der Hauptstadt und residierte als Gast im Kempinski. In seinem Zimmer fiel ihm eine Liste mit Vorwahlnummern auf, um, falls gewünscht, in die verschiedensten Länder der Welt telefonieren zu können:

"Aufgeführt sind Rumänien, die Vereinigten Staaten, Thailand, Belgien, die Ukraine . . . Beim flüchtigen Überfliegen stießen meine Augen auf 'Italien', und 'Italien' löste eine reflexartige Reaktion aus. Der Name beginnt mit I—wie Israel."

Israel fehlte. Lanzmann wurde stutzig und machte sich auf den Weg zur Rezeption. Er wollte wissen, warum das Land nicht gelistet wurde. Als ein Verantwortlicher vom Hotel erschien, bekam der Regisseur folgende Antwort:

"Monsieur, es macht mich glücklich, dass Sie diese Frage aufwerfen. Ich bin selbst Jude, es handelt sich bei der Maßnahme um eine bewusste Entscheidung der Direktion des Kempinski-Hotels, gegen die wir leider machtlos sind. Die Mehrheit unserer Kundschaft sind Araber, und sie haben verlangt, dass Israel gestrichen werde."

Ein deutsches Hotel, das Israel auf Wunsch von arabischen Gästen aus seinen Telefonlisten streicht? Wenn man jetzt noch bedenkt, dass viele Angehörige der Gründerfamilie des Kempinski Juden waren, die von den Nazis enteignet, in Konzentrationslagern ermordet und/oder aus Deutschland vertrieben worden sind, dann wiegt der Vorwurf umso schwerer. Und wie makaber wäre dann die aufpolierte Goldtafel an der Fassade des Hauses in der Fasanenstraße, mit der die heutigen Betreiber die Erinnerung an die ermordete Gründerfamilie hochhalten wollen?

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Und was sagt das Kempinksi-Hotel dazu? Wir fragten nach und das Hotel dementiert:

"Es gab und gibt keine Anweisung seitens der Hoteldirektion und auch nicht von der Kempinski AG, die israelische Vorwahl nicht in die Ländervorwahl-Liste aufzunehmen. (…) Wir möchten explizit betonen, dass es sich bei der benannten Liste um keine vollständige Auflistung aller Ländervorwahlen handelt, sondern lediglich um eine Auswahl von 35 Vorwahlen, der insgesamt 193 Ländervorwahlen weltweit. Es gab keinen dezidierten Grund, dass das Land Israel auf der Liste nicht benannt war und wir haben die Vorwahl selbstverständlich ergänzt."

Die Liste selbst wollte man uns aber nicht zuschicken. Lügt einer oder gibt es gar eine dritte Variante: der ominöse Rezeptionist. Vielleicht fand diese Unterhaltung zwischen Lanzmann und dem Mann hinter dem Tresen statt, nur hat genau dieser Mann gelogen. Wer weiß, womöglich war es ein angesoffener Gast, der sich einen Spaß machte und dem älteren Herren falsche Auskünfte gab, vielleicht war es ein gekränkter Mitarbeiter, der bei der letzten Lohnerhöhung übergangen worden war und sich dachte: "Kempinski, jetzt ficke ich euch richtig!" Hat er. Und nicht nur das Hotel. Auch Lanzmann steht beschissen da, wie auch alle arabischen Gäste, die sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, antisemitische Pedanten zu sein und sich wie Arschlochkinder aufzuführen, die sich beschweren, dass sie ihr Gemüse auf dem Teller nicht essen oder eben Juden auf ihren Telefonlisten nicht sehen wollen.

Was könnte Licht ins Dunkel bringen? Eine ältere Ländervorwahl-Liste des Kempinksi-Hotels; dann wüssten wir, ob die Araber die Juden haben streichen lassen oder nicht. Ein Königreich würde ich dafür hergeben oder ein Jahr lang all meine Gemüse brav aufessen. Sogar Spinat. Versprochen.

Paul auf Twitter