Lasst euch nicht von Norbert Hofer reinlegen
Foto: ORF/Andi Bruckner

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Die längste Wahl der Welt

Lasst euch nicht von Norbert Hofer reinlegen

Nur weil der FPÖ-Kandidat nicht herumpoltert, steht er noch lange nicht für eine andere Politik. Aber welche Chancen hat er überhaupt, Bundespräsident zu werden?

Es gibt zwei Norbert Hofer. Der eine Norbert Hofer redet mit weicher Stimme, hört gerne Simon & Garfunkel und besitzt einen grauen Kater namens Robi, den seine Familie aus dem Tierheim adoptiert hat. Der andere Norbert Hofer gilt als Chefideologe der FPÖ, spricht vor Anhängern von einer „Invasion der Muslime" und kündigt an, dass „nichts und niemand" die Partei aufhalten könne.

Hofer ist der Kandidat der FPÖ für die Wahl zum Bundespräsidenten am 24. April. Das sah anfangs nach einem Missverständnis aus. Hofer fühlte sich mit seinen 46 Jahren zu jung für das Amt und war außerdem zufrieden mit seiner Rolle in der Partei und als dritter Nationalratspräsident. Außerdem ist Hofer seit einem Unfall beim Paragliding unvollständig querschnittsgelähmt, was einen langen Wahlkampf zusätzlich strapaziös und schmerzhaft macht.

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Lange galt stattdessen Ursula Stenzel als sichere FPÖ-Kandidatin, mit der Strache tief ins bürgerliche und weibliche Lager reingrätschen wollte. Was dann passierte, ist nicht ganz klar. Die einen sagen, die negativen Stimmen auf Straches Facebook-Seite hätten ein Umdenken herbeigeführt. Andere sagen, die Burschenschafter in der Partei hätten sich quergestellt, wieder andere führen es auf den Widerstand der Landesgruppen zurück. Ist aber letztlich auch egal.

Strache musste zurückrudern und verlor diese Machtprobe. Vielleicht baute er auch deshalb die Präsentation des Kandidaten Hofer zur eigenen Machtdemonstration aus. Es war ein leicht bizarres Schauspiel. Strache in der Mitte, Hofer links, Ursula Stenzel rechts. Der FPÖ-Chef redete fast eine halbe Stunde, während die Fast-Kandidatin und der Kandidat schweigend wie artige Schulkinder daneben saßen.

Hofer gilt als gemäßigt, weil er Dinge anders formuliert als Strache.

Mittlerweile ist der Wahlkampf offiziell gestartet, und Hofer hat sich offenbar in seine Rolle eingelebt. Man muss bei allen ideologischen Differenzen feststellen, dass Hofer ein verdammt guter Kandidat ist. Am Sonntag war er bei der ersten Elefantenrunde auf Puls 4 freundlich im Ton, hart in der Sache, leistete sich keine Patzer und nutzte die Tatsache, dass es wieder mal viel um „seine" Themen (Flüchtlingskrise, Entlassung der Regierung) ging, für einige Wirkungstreffer. Folgerichtig landete er bei der der Umfrage am Ende, wer sich denn am besten gemacht habe, auch auf Platz 1.

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Man braucht das noch nicht überbewerten. Anders als sein Parteichef Strache hat Hofer noch relativ geringe Bekanntheitswerte und kann dementsprechend leichter positiv überraschen. Aber vom Habitus stellt Hofer die anderen Parteien tatsächlich vor ein Problem: Er ist freundlich, verbindlich, hat „liebevolle Rehaugen" (© Strache). Er hat vier Kinder, lebt im Burgenland und gibt gemeinsam mit seiner Frau, die als Altenpflegerin arbeitet, durchaus sympathische Doppelinterviews. Das ist die mediale Antithese zum polternden Strache, dem Discokönig mit den Augenringen. Hofer macht es seinen Gegnern nicht so einfach, ihn persönlich zu dämonisieren.

Ein paar Risse bekam das Bild vom freundlichen Norbert Hofer bereits Ende Jänner, als er zum Akademikerball in der Hofburg mit Schwarz-Rot-Goldenem Couleurband erschien. Ja, das sind die Farben der Urburschenschaft. Aber jemand, der österreichischer Bundespräsident werden will, mit den Farben der deutschen Nationalflagge auf der Brust? Na ja. Man sollte sich auch kein falsches Bild machen. Hofer ist Burschenschafter, Mitglied der Marko-Germania Pinkafeld. Er trägt den Kurs der Strache-FPÖ nicht nur mit—das aktuelle Programm entstand unter seiner Verantwortung, ebenso wie das „Handbuch freiheitlicher Politik", in dem unter anderem die der Schutz der „autochthonen Bevölkerung" als Ziel angeführt ist. Er hält die Anliegen von PEGIDA für berechtigt, will das Kopftuch verbieten und nannte die Wehrmachtsausstellung 1997 „perversen Exhibitionismus der staatssubventionierten Linken". Hofer mag wie dein freundlicher Nachbar wirken, den du problemlos am Sonntag um Salz bitten kannst und der dich ein Mal im Jahr zum Grillen einlädt. Aber er ist eben auch ein verhältnismäßig strammer Rechter. Der dich aber wahrscheinlich wirklich zum Grillen einladen würde.

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Natürlich darf ihn jeder trotz oder gerade wegen dieser Eigenschaften wählen, aber man sollte sich dessen zumindest bewusst sein. Dass Hofer als „gemäßigt" gilt, kommt nahezu ausschließlich durch seine geschickt gewählten Formulierungen. Fragt man ihn, ob er Faymann für einen Staatsfeind hält, sagt er, der Bundeskanzler sei zumindest kein Staatsfreund. Im Jänner sagte er, als es um Zuwanderung ging, Sätze wie „Österreich hat ein weites Herz, aber begrenzte Möglichkeiten" oder „Bei der Quantität an Zuwanderung können nicht alle ihr Glück hier finden." Das sind alles völlig bekannte FPÖ-Positionen. Aber wenn Hofer sie paraphrasiert, klingt das plötzlich alles nur halb so schlimm.

Hofer wird nicht Bundespräsident. Dafür kann er aber wenig.

Die FPÖ-Kampagne, die sich am üblichen Corporate Design orientiert, wurde wie immer von Herbert Kickl entworfen. Die Slogans („Flagge zeigen", „Deine Heimat braucht dich jetzt") sind nicht schlecht, aber irgendwie ist über dem Versuch, staatsmännischer zu wirken (man verzichtet auf die üblichen Reime und Provokationen), ein wenig der Biss verloren gegangen. Auch die Entscheidung, das Fairnessabkommen nicht zu unterzeichnen, erwies nicht als nicht nur positiv: Hofer konnte so zwar Plakate bereits vor dem 28. März aufstellen. Aber sie waren dafür auch schon weiträumig beschmiert, bevor die anderen Kandidaten überhaupt mit dem Plakatieren begonnen hatten.

Hofer mag aktuell in den TV-Duellen oder der „Wahlfahrt" strahlen, er hat aber ein Problem, für das er persönlich gar nicht so viel kann. Die FPÖ hat jahrelang ihren Anhängern erzählt, dass der Bundespräsident unwichtig sei und man das Amt am besten mit dem des Bundeskanzlers verschmelzen solle. Das stellt sie jetzt, wo sie einen geeigneten Kandidaten dafür hätten, vor ein großes Mobilisierungsproblem: Warum soll ich zu einer Wahl gehen, die mir jahrelang als bedeutungslos verkauft wurde? Die Partei versucht es in Interviews jetzt mit dem Spin, dass es einen Bundespräsidenten aus der FPÖ als Gegengewicht brauche, solange die Partei nicht an der Regierung beteiligt sei. Aber so richtig zündet das nicht, Hofer dürfte weit weniger Stimmen einstreichen, als die FPÖ laut Umfragen aktuell bei einer Nationalratswahl bekäme. Viele FPÖ-Wähler werden einfach zuhause bleiben.

Auch wenn es mittlerweile einige gibt, die das anders sehen: Hofer hat eigentlich keine Chance Bundespräsident zu werden. Aktuell ist nicht mal sicher, ob er in die Stichwahl kommt, auch weil das Antreten von Lugner am ehesten ihm schaden wird. Und selbst wenn: Die Zahl an FPÖ-Wählern, die bei einer Stichwahl dann zusätzlich an die Urne gehen würden, würde auf der anderen Seite durch Leihstimmen locker wieder wettgemacht. Egal, ob sein Gegner Van der Bellen, Griss, Hundstorfer oder Khol heißen würde: Es fänden sich genug Menschen, die fast jeden wählen würden, um einen FPÖ-Kandidaten zu verhindern.

So darf sich Hofer jetzt noch ein paar Wochen für höhere Weihen empfehlen, weil Stenzel nicht durfte und Strache nicht wollte. Auch wenn er nicht Bundespräsident wird, ist eine Sache klar: Sollte Hofer mal bei einer Wahl antreten, bei der er nicht von Anfang an einen Mobilisierungsnachteil hat, haben seine Gegner ein wirklich großes Problem.

Jonas hat hier letzte Woche schon die Kampagne und Chancen von Andreas Khol analyisiert. Er ist auch auf Twitter: @L4ndvogt