Reflexionen des Genossen #bezirkowitsch

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Lies, du Opfa!

Reflexionen des Genossen #bezirkowitsch

Die zweithäufigste Frage, die mir gestellt wird, lautet: Ist das echt? Meinst du das ernst? Daran hat sich auch im Wahlkampf nichts geändert.

Maximilian Zirkowitsch ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Als Bezirkowitsch hat er im Wien-Wahlkampf die Einwohner erfreut, die Medien verstört und Armin Wolf verärgert, weil er mit dem angeblichen Wolf-Sager „Ich kenne diesen Mann nicht" auf Facebook warb. Sein Wahlkampf in Wien Fünfhaus warf Fragen über Satire in der Gemeindepolitik auf und gab Antworten, die uns noch mehr irritierten. Ab sofort ist Maximilian Zirkowitsch zurück im Rampenlicht—und zwar mit dieser zweiwöchentlichen Kolumne auf VICE. Also: Lies, du Opfa!

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In der tosenden Schlacht um Wien wurde viel über mein geliebtes #RH5H gesprochen. Es ist erfreulich, wenn ein Bezirk von sich reden macht, der sonst dazu nicht imstande ist. Die berühmtesten Söhne des Hiebs sind Money Boy und Ignaz Seipel. Das ist insofern ein Unglück, als diejenigen, die wissen, wer Money Boy ist, nicht wissen wer Ignaz Seipel ist und umgekehrt. Es gibt also noch viel zu entdecken.

Am Tag, als die neuen Einkommensdaten von der Statistik Austria bekanntgegeben wurden und Rudolfsheim-Fünfhaus wieder souverän seinen Platz als ärmster Bezirk verteidigte, wurde immer noch hitzig über die Umgestaltung der Wasserwelt gestritten. Mangels Mandat der Massen muss das Entenansiedelungsprogramm seiner Erfüllung harren. Ich harre der nächsten Wahl. Bis es soweit ist, möchte ich ein paar Thesen zum Bezirksrat der Herzen (mir) aufstellen.

Ich habe fast nicht gelogen

Fans sind Wähler_innen, Wähler_innen sind Fans. Ich liebe die meisten von ihnen und fast allen war klar, dass #bezirkowitsch eine Kunstfigur ist. Wieviel davon echt war, was gespielt werden musste wie sehr ich mich angestrengt habe weiß ich selber nicht so genau. Wenn man die Gelegenheit hat, nichts zu sagen, muss man wenig lügen. Trotzdem, dass jemand in echt so peinlich ist, kann ja gar nicht sein—nicht einmal in der SPÖ. Deswegen muss es gelogen sein! Und das ist gelogen. Mir war es immer ernst mit dem Anspruch, den ich hatte. Abgesehen von den Chicken McNuggets. Die esse ich nicht sooo gerne zum Frühstück.

Ich bin gar nicht so fresh und und jung und alles

Ich war kürzlich im Flex. Das ist so ein Etablissement für elektronische Tanzmusik. Da sind junge Menschen auf mich zugekommen und haben Selfies mit mir gemacht, weil sie mich urgeil finden: „Oida, du bist echt so geil gewesen!" Das freute mich. Dann haben sie mir viel Glück gewünscht: „Viel Erfolg noch, gelt? Im Moment läufts ja nicht so gut bei dir." So ist die Jugend: unerbittlich, grausam und geil. Oida, die Markenjeans ist falsch aber das Mitleid ist echt! Das war Anteilnahme daran, nicht gewählt worden zu sein. Da war jemand bekümmert, dass wir nicht mehr Wahlkampf haben. „Der nächste Wahlkampf kommt bestimmt", habe ich gesagt, aber das haben die jungen Leute nicht mehr gehört. So sind sie eben: flatterhaft mit gutem Gesichtserinnerungsvermögen und geil.

Ich wollte gewählt werden, aber ich wollte nicht gewählt werden

Die zweithäufigste Frage, die mir gestellt wird, lautet: Ist das echt? Meinst du das ernst? Daran hat sich auch im Wahlkampf nichts geändert. Ich wollte gewählt werden. Die SPÖ wollte auch, dass ich gewählt werde. Deswegen hat sie mich aufgestellt. Wir wollten beide gleich viel, dass ich gewählt werde. Deswegen hat sie mir den Platz 54 auf der Liste zugewiesen und durch eine glückliche Fügung bin ich zu Platz 50 hinaufgestolpert. Das Bezirksparlament hat 50 Sitze. Leider hat die SPÖ die 100 Prozent knapp verpasst. Ich habe mein Mögliches dafür getan. Schließlich war jede Stimme für #bezirkowitsch ein fatales Signal, einerseits für die anderen Parteien und Listen, weil ihnen da eine Stimme entgangen ist, die offensichtlich nicht schwer zu kriegen war, andererseits für mich, weil ich mich nie aufgrund so eines Wahlkampfs gewählt hätte.

Eine Stimme für #bezirkowitsch ist irgendwie auch eine Stimme für die SPÖ

Der Grant darüber, wie austauschbar und beliebig sich Parteien im Wahlkampf darstellen, hat mich motiviert, es auch zu probieren. Wenn Colin Crouch recht hat mit seiner Postdemokratie, dann muss man es auf die Spitze treiben und dem Protest ein Angebot machen, das nicht blau ist oder meinetwegen pink. Aus Protest die SPÖ in Wien zu wählen ist allerdings schon verwegen. Verwegenheit wiederum hat es überhaupt gebraucht, um den Wahlkampf möglich zu machen.

Ich liebe die SPÖ und die SPÖ muss ja nicht

Und die Möglichkeit führt uns direkt zur SPÖ. Ich bin ihr dankbar für den Sportsgeist. Offiziell hat sie mich übrigens nie angerufen. Wieso auch? Ich habe die SPÖ in eine Position gebracht, in der sie sich nicht von mir distanzieren kann, weil ich viel zu machtllos und egal bin. Sie konnte mich auch nicht vereinnahmen oder sich zu mir bekennen, ohne die Kampagne kaputt zu machen. Hätte ich das Handtuch geworfen, wäre man ihr dafür böse gewesen. Irgendwie ist das dann schon wieder Macht. Und dann kommt der …

… Frust

Da hat man einmal fame und Reichweite, und dann kann man nichts sagen, weil man sich vorgenommen hat, nichts zu sagen. Jedes Anliegen hätte Schaden genommen, wenn ich mich seiner angenommen hätte. #bezirkowitsch ruft zur Demo auf? Haha, voll die Spaß-Demo. #bezirkowitsch verspricht Gesundheitsförderung in Volksschule? Voll sick, die Aggro-Kids im Ghetto. #bezirkowitsch für Fortsetzung der Koalition mit den Grünen? Geh bitte!

Was hats gebracht?

Nun, im Grunde nix. Die Bezirksvertretung findet ohne mich statt und noch im Wahlkampf haben Parteien angefangen mich zu kopieren; aber Wahltag ist Zahltag! Denkt daran, man wählt nur mit dem Herzen gut beziehungsweise wählt so, wie ihr denkt!

Post Scriptum: Doch, eines hat der Wahlkampf gebracht. Ich hab jetzt eine Kolumne im VICE.