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Popkultur

Warum 'Maze Runner', 'Hunger Games' und Co. eine Metapher für die Pubertät sind

Eine kulturwissenschaftliche Analyse, die ein für allemal die Frage beantwortet, warum Teenagerfilm-Franchises momentan so erfolgreich sind.

Screenshot: Youtube

Eine dunkle, dystopische Welt. Höhere Mächte, die im Verborgenen Entscheidungen fällen. Teenager, die plötzlich das Wohl der gesamten Gesellschaft auf ihrem Rücken tragen und schneller als erwartet erwachsen werden müssen. Sind es Die Tribute von Panem (bzw. Hunger Games)? Ist es Divergent? Nein, es handelt sich um Maze Runner, die neueste Young Adult-Romanverfilmung mit Kassenschlager-Potential. Kinderunterhaltung im Allgemeinen entwickelt sich zunehmend von tendenziell düster zu debil-heiter (die einzige Parallele zwischen Unten am Fluss und den Teletubbys sind die Hasen), Jugendliche zwischen zehn und 20 hingegen können aber scheinbar nicht genug davon kriegen, ihre Roman- und Filmhelden leiden zu sehen.

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Während das wohl berühmt-berüchtigtste Jugend-Franchise der letzten Jahre, Twilight, bis auf seine erzchristliche Sexualmoral einfach nur beeindruckend eindimensional war, kann man den dystopischen Teenie-Blockbustern, die sich seit dem ersten Hunger Games-Film im Jahr 2012 die Klinke in die Hand geben, zumindest eine Sache nicht absprechen-sie nehmen ihre Zuschauer ernst. Wenigstens ein bisschen. Maze Runner, nach seinem Startwochenende auf Platz Zwei der deutschen Kinocharts eingestiegen, verzichtet dabei vor allem zu Beginn auf allzu offensichtliche Albtraumbilder und hangelt sich wohltemperiert an der Verwirrtheit seines Hauptcharakters entlang. Es gibt kein von Vornherein formuliertes größeres Ziel, es gibt kein Gut und Böse. Den Protagonisten plagen dieselben Fragen nach dem Warum wie den Zuschauer.

Thomas, ein Junge um die 16, 17, wacht plötzlich in einer Art Fahrstuhl-Käfig auf, der ihn direkt auf eine Lichtung bringt, die von dutzenden anderen männlichen Jugendlichen bewohnt wird. Niemand weiß, wie er dorthin gekommen ist. Ebenso fehlen den Bewohnern der zweifelhaften Oase inmitten eines riesigen Labyrinths jegliche Erinnerungen an ihr früheres Leben. Seit Jahren versuchen speziell ausgewählte „Läufer", einen Ausweg aus ihrem Gefängnis zu finden-bisher allerdings ohne Erfolg. Als Thomas kurz nach seinem Eintreffen einen der Griewer, spinnenartigen Robotermonster, die das Labyrinth bewachen, tötet, ändern sich jedoch plötzlich die Regeln und die Gefangenen müssen eine Entscheidung fällen: Ein letzter verzweifelter Fluchtversuch oder der sichere Tod.

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In seinen großen Momenten erinnert Maze Runner tatsächlich an Herr der Fliegen, wobei die Bedrohung für die improvisierte Teenie-Gesellschaft deutlich eindeutiger und weniger subtil gezeichnet ist als in dem Literaturklassiker von 1954. Die Geschichte um verschobene Rollen, falsches Streben nach Macht und die offensichtliche Hilflosigkeit in einer Situation, die die Protagonisten schon allein aufgrund ihres jungen Alters überfordert, funktioniert also auch 60 Jahre nach William Goldings Erstlingswerk noch.

Egal ob menschenverachtende „Spiele" zur Beruhigung der Massen (Die Tribute von Panem), knallharte gesellschaftliche Auslese (Divergent) oder Extremsituationen, die im ersten Moment nahezu willkürlich scheinen (Maze Runner)-eines haben alle Protagonisten gemeinsam: Sie sind auf sich gestellt.

Damit zieht diese spezielle Gattung der Literaturverfilmung klare Parallelen zum tatsächlichen Lebensgefühl seines pubertierenden Publikums. Der Körper verändert sich und das innere Hormonchaos wirft einen von einer extremen Stimmung in die andere. An kaum einem anderen Punkt in seinem Leben-wobei ich hier nicht für Senioren sprechen kann-fühlt man sich so ungewollt, unverstanden und isoliert von allem, wie in der Pubertät. Man hat das zwingende Gefühl, gegen seine bisherigen Lebensumstände rebellieren zu müssen und aus den zuvor so schutzgebenden Eltern sind plötzlich diktatorische Erziehungsberechtigte geworden, die einem ihren Willen aufzwingen wollen.

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Den einzigen Schutz, das einzige wahre Verständnis findet der gebeutelte Teenager bei seinen Freunden, wie Thomas bei Theresa. (Junge-Mädchen-Paarungen sind wichtig, auch wenn nicht geknutscht wird. Wenn Jugendliche etwas romantisch finden, dann ist es aufkeimende Liebe in Zeiten, in denen sonst alles zusammenbricht.)

Auch wenn diese Verfilmungen nach ähnlichen Mustern funktionieren und nach außen hin deutlich mehr theoretischen Unterbau vortäuschen, als tatsächlich vorhanden ist: Einige interessante Ideen haben sie dann eben doch-auch wenn die Anleihen der Hunger Games-Serie mittlerweile jedem bekannt sein dürften. Eine Welt, in der die Schere zwischen oben und unten, arm und reich so weit aufgegangen sind, dass es Instanzen braucht, die diese ungleiche Verteilung mit aller Macht aufrecht erhalten, ist das vielleicht genau das Gefühl des ungerecht behandelt werdens, das ein junger Ausbildungssuchender nach der zwanzigsten Absage empfindet.

Was wirklich schade an dieser erwachsenen Unterhaltung für Minderjährige bleibt, ist die immer ein bisschen zu seichte, zu einfache Lösung aller Probleme.  So wie auch die Pubertät irgendwann vorbei ist und der geplagte Jugendliche in einen anderen Lebensabschnitt mit anderen Problemen rutscht, enden auch mehrteilige Franchises der Young-Adult-Kategorie irgendwo zwischen Happy End und unklarer Zukunftsaussicht. Ich weiß nicht, in welche Richtung sich Maze Runner entwickeln wird. Der erste Teil Die Auserwählten im Labyrinth hat mich allerdings etwas zwiegespalten („Ernsthaft!?") zurückgelassen.

Im Dunkeln des Kinosaals haben die Augen der Teenagermädels um mich herum allerdings fanatisch geleuchtet und ich wusste: Das hier wird das nächste große Ding. Zumindest bis zum dritten Hunger Games-Film. Und wenn ich ganz ehrlich bin, wünschte ich, es hätte zu meiner Pubertät bereits eine mainstreamige Verfilmung eines Kampfes auf Leben und Tod gegeben, die mir dabei geholfen hätte, besser mit meinen ersten Menstruationsbeschwerden umzugehen.

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