Mein Abend bei einer Sexparty zum Eurovision Song Contest

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Mein Abend bei einer Sexparty zum Eurovision Song Contest

Die Moral von der Geschicht': Gruppensex macht Spaß, wenn du Bock drauf hast. Der ESC macht keinen Spaß.

Illustration: Dan Evans

Der Eurovision Song Contest steht vor der Tür. Ihr wisst schon, diese Veranstaltung, bei der die Länder Europas ihre Flaggen vom Staub befreien, die fröhlichen 90er-EDM-Hits auspacken und dann schauen, wer am politischsten voten kann. Leider ist die Vorfreude auf den ESC für mich nicht mehr so aufregend wir für euch. Warum das so ist? Weil ich mir das Ganze vermiest habe, als ich mal zu einer Eurovision-Song-Contest-Sexparty ging.

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Natürlich handelte es sich um eine Schwulen-Sexparty. Und ich wiederhole es noch mal: Das Motto war der Eurovision Song Contest. Eigentlich sollte man meinen, dass es kein Motto braucht, um seinen Schwanz in ein Arschloch zu stecken, aber das stimmt wohl nicht. Schwule ticken eben etwas anders.

Es war der Freund eines Freundes, der mich damals auf Grindr fragte, ob ich mitkommen wollen würde. Da sich mein Blick vor allem auf den "Sexparty"-Teil der Einladung konzentrierte, sagte ich natürlich zu. Und wenn sich vor deinem geistigen Auge jetzt ein düsterer und schmutziger Nachtclub auftut, dann vergiss das mal schnell wieder. Nein, es handelte sich um eine fröhliche Nacktparty, die bei irgendjemanden zu Hause stattfand und bei der das Licht angelassen wurde.

"Nacktpartys" sind dabei im Grunde einfach nur wie höfliche Get-Together, bei denen ein wenig Networking betrieben wird—nur trägt halt niemand Klamotten. Irgendwie ist es schon ganz niedlich, wenn sich ein Haufen splitternackter Männer die Hände schüttelt und über die Arbeit redet, bis nach ein paar Stunden endlich irgendjemand einknickt und damit anfängt, einem der Anwesenden einen Blowjob zu verpassen. Genau dann hören auch alle anderen Partygäste sofort damit auf, über Grundstückspreise zu plaudern, und machen sich ans Werk. Die Atmosphäre bleibt jedoch immer fröhlich, heiter und laissez-faire. In der Küche steht eine Schüssel voller Kondome. Und es wird gerimmt, was das Zeug hält.

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Ich habe mir in Bezug auf die Eurovision-Song-Contest-Sexparty mehrere Szenarien ausgemalt. Meine Erwartung sah dann letztendlich folgendermaßen aus: Genauso wie der Wettbewerb die Länder eines oftmals zerstrittenen Europas vereint, würde er auch 30 schwule Männer vereinen, die dann zu den aktuellsten Pop-Songs aus ehemaligen Ostblock-Ländern Sex haben. In anderen Worten: erotisch, offen und multikulturell. Die Musik war mir dabei relativ egal. Ich meine, natürlich stehe ich jetzt nicht gerade auf belanglose Balladen und EDM-Kracher, aber ich war gewillt, das Fernsehprogramm einfach zu ignorieren, weil ich eben gerne mit anderen Männern schlafe.

Ich kam als Letzter zur Party und musste direkt feststellen, dass es nicht möglich ist, bei einer Fickparty "cool" zu spät zu kommen. Alle Anwesenden hatten sich bereits vor dem Fernseher versammelt und wie es bei einer Sexparty üblich ist, wurde ich angewiesen, mich im Nebenzimmer bis auf die Unterwäsche auszuziehen. Also entledigte ich mich meiner Klamotten und war bereit, mich unter die Gäste zu mischen, die meiner Annahme nach aus allen möglichen Kulturen stammen müssten—so als eine Art Tribut an den Eurovision Song Contest. Damit lag ich natürlich falsch, denn es waren einfach nur 30 weiße Typen da, die mich in Unterhosen anstarrten und dabei ganz offensichtlich meine körperlichen Makel abwogen. Ich muss an dieser Stelle wohl kaum erwähnen, dass man sich ziemlich komisch fühlt, wenn man zuerst zu spät zu einer Sexparty kommt und sich dann zwischen all den Kerlen, mit denen man später vielleicht schlafen wird, auch noch einen Platz suchen muss. Schließlich erblickte ich jedoch einen Typen, den ich schon kannte—bzw. dem ich schon ein paar Mal einen geblasen hatte—, und setzte mich neben ihn.

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Der Gesangswettbewerb ging los und der Gastgeber erklärte uns die Regeln. Aber was bringt das Blut denn auch besser in Wallung als eine Liste an streng eingehaltenen Vorschriften? Jedem Gast wurde ein Land zugeteilt und wenn das jeweilige Land an der Reihe war, musste der dazugehöre Mann vor allen anderen Anwesenden die Unterwäsche ausziehen. Ich war Irland, was mich etwas nervös machte, weil ich befürchtete, dass der Gastgeber auch noch Pläne für den Gewinner haben könnte. Aber wenn der Sieger verkündet wird, würden wir doch sowieso schon alle in der Glückseligkeit schwelgen, die einen nach dem Sex überkommt, richtig?

Als sich alle zehn Minuten ein weiterer Gast seiner restlichen Kleidungsstücken entledigte, dämmerte es mir jedoch langsam, dass dieses kleine Spiel nur dann richtig funktioniert, wenn wir uns alle Performances reinziehen. Wir würden uns doch nicht wirklich alle Performances anschauen, oder? ODER? Mein schlimmster Albtraum wurde war: Ich befand mich mit 30 Typen in einem Zimmer, die zwar alle Gruppensex haben wollten, aber zuerst noch jedes einzelne Lied des Eurovision Song Contests anschauen mussten.

Und so landeten mit fortlaufender musikalischer Folter immer mehr Unterhosen auf dem Boden und man checkte sich gegenseitig aus, machte schöne Augen und warf verschmitzte Blicke durch den Raum. Drei Stunden lang. Während des Eurovision Song Contests. Für einen solchen Abend hätte ich auch einfach in irgendeinen beliebigen Club in irgendeiner angesagten Gegend gehen können. Und selbst dort hätte ich wahrscheinlich schon zwei Blowjobs hinter mir und würde nicht irgendwo am Stadtrand feststecken.

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Das hier war keine ESC-Sexparty. Das hier war ESC mit anschließender Sexparty. Großer Unterschied!

Endlich, der Teil mit dem Singen war vorbei und alle waren nackt. Endlich fi—ah, nein. Gerade, als das Voting begann, ertönte ein eindringliches: "Shhhhh!" Stell dir das mal vor: Jemand blickt auf eine Gruppe nackter Jungs, alle bereit zum Ficken, alle hocken zusammen im selben Wohnzimmer … und macht: "Shhhhh!" Die traurige Wahrheit sah nämlich so aus: Das hier war keine ESC-Sexparty. Das hier war ESC mit anschließender Sexparty. Großer Unterschied!

Es stellte sich als Fehler heraus, zu lange auf heiße, nackte Körper zu starren: Waschbrettbäuche werden zunehmend abstrakt und diese frühen, aufregenden Impulse verschwinden nach und nach, bis man sich denkt: "Was soll ich mit diesem Körper eigentlich anstellen? Ihn ablecken? Ihn zeichnen?" Es ist komisch. Es ist, als würde man ein Wort so oft hintereinander wiederholen, bis es jegliche Bedeutung, jegliche Form verliert: Penis. Penis. Penis. Penis. Penis Penis Penis. Penis. Penisse. Penen. Penes. Penes. Penes-Ding.

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Ich habe bestimmt nicht das Recht, die Entscheidungen eines Sexpartyorganisators zu hinterfragen, aber unser Gastgeber hielt es für eine hervorragende Idee, den Eurovision Song Contest auszuschalten und eine Gruppe Männer, die gerade splitternackt vier verdammt züchtige Stunden miteinander verbracht hatten, lustige Spielchen spielen zu lassen, um das Eis zu brechen. Wir sollten Teams für ein Spiel bilden, bei dem wir einen Ballon zwischen unseren Knien zu unseren Mitspielern weitergeben mussten—natürlich immer noch nackt und immer noch ungefickt. Dazu gehörte dann auch das mit Abstand verstörendste Schauspiel, das ich je erleben musste: Das entwürdigende Klischee des unsportlichen Typen, der als Letztes ins Team gewählt wird—nur dieses Mal komplett nackt, noch zerbrechlicher und noch verletzlicher. Selbst jetzt würde ich mir bei der Erinnerung an seinen Gesichtsausdruck am liebsten meinen Schwanz abhacken.

Geistesabwesend ließ ich mir auf dem Sofa von einen Typen mein Arschloch lecken, zog mich an und ging nach Hause.

Dieses Spiel wirkte auf mich wie ein Viagra-Gegenmittel. Ich habe eigentlich keinen bestimmten Typ, aber wenn ich das schon eingrenzen müsste, dann ist es ist definitiv kein verlegen-kichernder, humpelnder Nackter, der versucht, mir umständlich einen Ballon zwischen seinen Knien weiterzureichen. Nachdem die Spielchen vorbei waren, sollten die traumatisierten Teilnehmer es—endlich!—miteinander treiben, blöderweise war meine Stimmung schon lange verflogen. Geistesabwesend ließ ich mir auf dem Sofa von einen Typen mein Arschloch lecken, zog mich an und ging nach Hause.

Die Moral von der Geschicht': Gruppensex macht Spaß, wenn du Bock drauf hast. Der ESC macht keinen Spaß. Wenn es wirklich eine Sache gibt, die der Eurovision Song Contest nicht gebrauchen kann, dann sind das 30 schlaffe Schwänze in deinem Sichtfeld, die mit der Zeit immer abstrakter werden. Genau so wenig braucht eine Orgie Powerballaden über Zusammenhalt. Für den Fall, dass du dieses Wochenende zu einer ESC-Party eingeladen bist, dann stell sicher, dass es auch wirklich eine ESC-Party ist. Für den Fall, dass du dieses Wochenende zu einer Sexparty eingeladen bist, dann stell sicher, dass sie ESC-frei ist. Beides zusammen verträgt sich nicht.