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Mein Date mit Robocop

Ich hatte ein Date mit einer Polizistin.

Foto reblogged von Autoblog

Normalerweise stehen wir uns auf der Strasse gegenüber. Sie mit Gummischrot auf der einen Seite, ich mit meiner Meinung auf der anderen. An diesem verregneten Dienstag sitzen Barbara und ich aber für einmal in einem Café. Barbara ist Polizistin bei der Kantonspolizei Zürich.

Vergangenen Oktober hatte ich sie über eine Bekannte meines besten Freundes in St.Gallen kennen gelernt. Die drei standen an einem Samstagabend unverhofft vor meiner Haustüre, traten ein und Barbara inspizierte gleich mal neugierig meine Wohnung. Besonders interessierte sie sich dabei für ein Buch, das da gerade herumlag: "Anarchie! Idee-Geschichte-Perspektiven". Wir kamen ins Gespräch.

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Ach, Polizistin? Ach, Linker? Spannend. Wir fanden schnell gemeinsame Themen: Ausschreitungen, linke Gewalt, Polizeiwillkür und Repression. So überraschend es sich auch anhören mag, hatten wir eine respektvolle und angeregte Diskussion gleich von Beginn weg. Irgendwann beschlossen wir noch auf die Piste zu gehen. Und obwohl Barbara uns bat, sie doch bitte nicht in „irgendeinen linken Schuppen" mitzunehmen, schleiften wir sie genau an so einen Ort: Ins Palace. Sie spülte die Abneigung gegen die ganzen Zottelmenschen um uns herum mit Bier herunter. Ich glaube sie verträgt so einiges. Gefallen hat ihr der Laden an dem Abend trotzdem gar nicht.

Foto von Daniel Gasenica

Schnitt zurück zum Date: Barbara bestellt eine Toblerone Latte Irgendwasdingsbums und ich schliesse mich an. 5000 Kalorien, mindestens. Warum nicht mal auf ein Kaffeekränzchen mit der Polizei? Natürlich ganz ohne zweideutige Hintergedanken. „Früher glaubte ich immer, ich sei zu sozial um Polizistin zu werden".

Ich frage mich: „Muss man denn asozial sein um Polizist zu werden?" Barbara erzählt mir, dass sie beim Polizeiberuf früher immer an diese Rambotypen gedacht habe. Heute sieht sie das offenbar differenzierter. Sie verstehe sich mehr als Freund und Helfer, meint sie. Etwa wenn sie bei häuslicher Gewalt ausrücken müsse. Es könne auch durchaus vorkommen, dass man als Polizist gar zum Seelsorger werde.

Ja, Polizisten sind soweit wahrscheinlich auch Menschen. Aber es gibt auch die andere Barbara—die Polizistin in Vollmontur und Gummischrot im Anschlag, die immer von „ihr Linken" spricht und gerne alle in einen Topf wirft. Die Beamtin, die sich mit Gummischrot einfach sicherer fühlt und bestimmt nicht links wählt. Barbara sagt, dass sie die Bonzen zwar auch nicht ausstehen kann, diese aber am World Economic Forum in Davos trotzdem schützen müsse. Ob das nicht ein Widerspruch sei, frage ich sie. Naja, sagt sie; das sei halt ihr Job.

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Foto von Kecko

Barbara braucht Regeln und Vorschriften. Das gibt sie ganz offen zu. Wir wechseln das Thema und landen bei den Asylanten, den Zentren und den vollen Booten. Mein gegenüber betont gerne, dass man einfach nicht alle in die Schweiz „reinlassen" könne. Vor allem nicht diese ganzen „Wirtschaftsflüchtlinge". Ich frage sie wen sie denn damit genau meint? Die Sozialtouristen? "Ja, genau die", platzt es aus ihr heraus. Da sind wir also. Bei Horst Seehofer, bei der SVP, den Bulgaren und Rumänen. Mir vergeht die Lust das Thema weiter zu vertiefen.

Foto von Caruso Pinguin

Im Lauf des Gesprächs, stelle ich vorallem zwei Dinge fest: Zum einen, dass Barbara wohl zu den vernünftigeren Polizisten gehört und durchaus Sinn für Verhältnismässigkeit hat. Augenmass klänge in diesem Fall wohl ein wenig deplatziert. Zum anderen merke ich, dass ihr trotzdem das Gespür für viele linke Anliegen und das damit verbundene Verständnis für zivilen Ungehorsam grösstenteils abgeht.

"Warum lasst ihr Linken eure Demonstrationen nicht einfach bewilligen?" Ich setze zur Erklärung an und breche aber gleich wieder ab—es bringt nichts. Es ist zuviel Wir und zuviel Ihr. Wir gegen euch, das ist eine denkbar ungünstige Gesprächsstruktur für ein Date. "Warum müsst ihr immer demonstrieren? Geht doch in die Politik. Dort kann man etwas verändern." Ich versuche ein weiteres Mal mich zu erklären, breche aber ab. Wie ich mir denn Veränderung ausserhalb der Politik vorstelle, fragt sie. Ich antworte ihr, dass ich es grossartig fände, wenn auch in der Schweiz Tausende für eine bessere Welt auf die Strasse gehen, ihre Stimme erheben und die Polizei dann am besten gleich die Seite wechselt. Barbara muss lachen. "Niemals", lautet ihre Antwort. "Keine Chance. Ich würde in Bern noch nicht einmal in die Reitschule gehen." Schade, das hätte ich als nächstes vorgeschlagen. „Schon aus purem Selbstschutz gehe ich da nicht rein", sagt sie. Naja, verstehen kann ich sie ja. Zumindest ein bisschen. Ich frage sie, ob sie denn nachvollziehen könne, dass es Orte gibt, an denen die Polizei einfach nicht erwünscht sei. Nein, das verstehe sie nicht. Logisch.

Foto von Minimalniemand

Barbara ist aber durchaus kritisch gegenüber gewissen Kollegen bei der Polizei. "Die Idioten, die am 1.Mai nur darauf warten loszuschroten, gibt es durchaus." Aber Selbstkritik, etwa am Vorgehen der Polizei bei der Tanzdemo "StandortFUCKtor" vom 21. September 2013 in Winterthur, gibt es auch von ihr nicht zu hören. Ich bin etwas enttäuscht. Denn gerade von einer, sagen wir mal vernünftigen Polizistin wie Barbara hätte ich eine solche Selbstkritik durchaus erwartet. Immer wieder verweist sie darauf, dass die Vorgaben ja von oben, der Politik kommen und sie nur ihren Job macht. Ich denke an Massen, an stramm stehende Menschen und an Lemminge.

Barbara begleitet mich am Schluss noch zum Bahnhof und wir verabschieden uns freundlich. Schön, denke ich mir, nett. Doch trotz oder gerade wegen solchen Gesprächen wird es für mich wohl dabei bleiben: Still not loving police. Gestern, heute und auch morgen nicht. Vive la résistance!