„Ob du 20 oder 40 bist, als Mod siehst du immer gut aus."

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„Ob du 20 oder 40 bist, als Mod siehst du immer gut aus."

Die Mod-Szene in Tijuana mag zwar winzig sein, aber das hält die Mitglieder nicht davon ab, jeden Monat Partys zu schmeißen und ihre Kinder zu Nachwuchs-Mods zu erziehen.
Alex Zaragoza
Brooklyn, US

Samstagabend im Moustache, einer kleinen Bar im Zentrum von Tijuana. Jeden Monat schmeißen hier Mods von der örtlichen Baja Crew eine Tijuana-a-Go-Go-Party. Sie legen James Brown, Question Mark & the Mysterians und The 13th Floor Elevators für ein Publikum aus Skinheads, Suedeheads, Rude Boys und mexikanischen Mods auf. Wenn nicht die Mädchen mit den grüngefärbten Haaren wären, die draußen aus in braune Papiertüten gewickelten Schnapsflaschen trinken, könnte man doch glatt glauben, man befindet sich im Zentrum der Modszene vor 50 Jahren.

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Doch wir befinden uns im Jahr 2014. Vor nicht allzu langer Zeit lag Tijuana an der Front eines brutalen Revierkampfs zwischen den Drogenkartellen. Allein im letzten Quartal des Jahres 2008 wurden hier fast 500 Menschen ermordet. Selbst wer nicht direkt beteiligt war, war doch irgendwie betroffen: Es gab Entführungen und öffentliche Schießereien. Drogenbanden hängten ihre Opfer häufig an Brücken auf oder stapelten sie einfach auf der Straße—als Warnung an die Konkurrenz. Die Grenzstadt Tijuana war lange von amerikanischen Touristen abhängig. Doch verwandelte sie sich schnell in einen Ort, an den kein Tourist je einen Fuß setzen würde.

Amerikanische Studenten kommen nicht mehr nach Tijuana, um sich mit billigem Tequila zu betrinken, aber die einheimischen Partygänger feiern weiter und eröffnen Bars und Restaurants für den Eigenbedarf. Im Vergleich zu 2008 hat sich die Zahl der Tötungsdelikte halbiert und das Partyvolk hat dabei geholfen, aus Tijuana ein kulturelles Zentrum zu machen. Dazu gehören auch die Mods der Stadt, die trotz der allgegenwärtigen Gewalt nicht auf Partys verzichten wollen.

„Die Mod-Szene in Tijuana ist klein, aber ein mexikanischer Mod zu sein, ist gar nicht so viel anders als ein normaler Mexikaner zu sein", sagt Astronauta Jackson, DJ bei Tijuana a Go-Go. „Wir alle machen uns gern schick, schwingen die Hüften zu Oldies und betrinken uns. Es geht hauptsächlich um die Musik. Wenn du ein Poloshirt von Fred Perry und polierte Schuhe anziehen willst, super. Wir sind einfach Menschen, die zusammenkommen und Musik hören."

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Mods tauchten in Großbritannien zur Zeit des Kalten Kriegs auf. Sie waren eine Antwort auf den Klassenkampf und die Erwartungen an die britische Jugend zu dieser Zeit. Sie trugen teure italienische Anzüge, fuhren mit ihren Motorrollern herum, sprachen über Kunst und Philosophie, nahmen Speed beim Durchfeiern auf Underground-Partys und verprügelten Leute, die Lederjacken und Creepers trugen. Wer einen Roller fuhr und einen Cäsar-Kurzhaarschnitt trug, für den war die Welt in Ordnung. Doch als die Gegenkultur immer mehr zum Mainstream wurde, verliefen sich die Dinge langsam im Sande, bis in den 70ern schließlich junge Männer und Frauen Haarspray und Hakenkreuz-Aufnäher den Militärabzeichen und Chelsea-Boots der Mods vorzogen.

Nach dem Erfolg des Films Quadrophenia im Jahr 1979 erlebte die Subkultur jedoch ihr Comeback. Ungefähr zu dieser Zeit entdeckte eine kleine Gruppe mexikanischer Dandys diese Kultur für sich. Die neuen Mods von Tijuana sammelten Platten, schmissen Partys und fuhren ihre getunten Motorroller durch die löchrigen Straßen der Stadt. Mehr als 30 Jahre später gibt es diese Menschen immer noch, nur eben älter und ergraut (das passiert nun mal mit den Jahren). Sie haben jetzt Kinder, die auch Teil der Mod-Szene sind, auch wenn sie sich vielleicht nicht 100-prozentig damit identifizieren.

„Manche Menschen werden Teil einer Subkultur, wechseln dann im nächsten Monat zu einer anderen und dann wieder zu einer anderen", sagt Ricardo Jimenez, ein 27-jähriger Suedehead und Geschichtswissenschaftler, der bei einer Tijuana a Go-Go-Party rumhängt. „Bei den Mods passiert das nicht, weil es nur so wenige von ihnen gibt. Es handelt sich aber nicht um eine abgegrenzte Gruppe. Wenn du auf die Musik stehst, bist du immer gern gesehen. Es dreht sich alles um friedliches Zusammenleben und Gespräche."

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Bei der Tijuana a Go-Go wird fast bis zum Morgengrauen gefeiert. Die Musik wird auch dann weitergespielt, als ein betrunkener Jugendlicher von den Barkeepern auf den Bürgersteig rausgetragen wird. Die Mods tanzen solange weiter, bis es Zeit wird, nach Hause zu gehen. Nächsten Monat werden sie wieder kommen. Und den Monat darauf.

Guy und Miriam Hernandez, 51 und 46 Jahre alt, gehörten in den frühen 80ern der ersten Mod-Szene in Tijuana an. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Freunde aus dieser Zeit, die geheiratet und Kinder bekommen haben und irgendwann kein Interesse mehr an der Subkultur hatten, haben Guy und Miriam weitergemacht. Sie leben mittlerweile in einem kleinen Haus, das mit Möbeln aus den 60ern eingerichtet ist, und haben sogar ihren Kindern von kleinauf Vintage-Klamotten aus den 60ern angezogen.

Während sie im La Ciruela Electrica, einem kleinen Plattenladen, der nach der Psychedelic Rock-Band The Electric Prunes benannt wurde, nach Schallplatten suchen, sagen mir Guy, Miriam und ihre Söhne Adam (21) und Gael (13), dass Mod für sie nicht bloß eine Modeerscheinung ist. Es ist eine Art zu leben. „Viele Menschen heiraten und verändern sich. Ich weiß nicht warum, aber das ist schließlich ihre Sache", sagt Guy, der zusammen mit Miriam in den vergangenen sechs Jahren jeden Monat eine 60er-Party organisiert hat. „Wir haben uns nicht verändert, weil wir Mod lieben. Wenn du etwas tust, an dem dein Herz hängt, bleibst du dabei."

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„Es wird zu deinem Lebensstil. Du fängst an, Platten und Klamotten zu sammeln, und irgendwie wird es ein Teil deiner selbst", fügt Miriam hinzu. „Wer soll uns denn davon abhalten, Mods zu sein oder Party zu machen. Der Tod vielleicht? Warum sonst sollten wir damit aufhören. Jetzt gibt es eine jüngere Generation, die von sich behaupten kann, dass Mod schon immer ihr Lebensstil war. Sie können von sich behaupten: ,Ich wurde als Mod geboren.' Wenn sie später eine andere Richtung einschlagen möchten, können sie das."

Adam und Gael vermitteln nicht den Eindruck, dass sie ihr Mod-Erbe so schnell aufgeben möchten. Obwohl er in der Schule gehänselt wird, möchte Gael sich nicht wie seine Klassenkameraden kleiden. „Die ziehen sich irgendwie geschmacklos an", sagt er und setzt dabei seine Vintage-Sonnenbrille nicht ab, weil er mit ihr „ziemlich draufgängerisch" aussieht.

Die Mod-Szene in Tijuana ist vielleicht winzig, aber dank Social Media kann sie mit Gleichgesinnten in anderen Teilen Mexikos und in den USA in Verbindung treten. Die Communitys in Mexico City, Monterrey, Puebla und Nuevo Leon sind sehr aktiv. Außerdem haben sich sogar Mods aus Los Angeles auf den weiten Weg nach Tijuana gemacht, um bei 60er-Partys aufzulegen. Die Mods haben ein Netzwerk aus Fackelträgern für die britische Subkultur geschaffen, dass sich über Nationalitäten, Altersgruppen und Geschlechter erstreckt.

Guy: „Das ist einer der Vorteile der Mod-Bewegung. Ob du 20 oder 40 bist, als Mod siehst du immer gut aus."